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Das große 2×5 (+x)-Interview: Sven Gerich, Oberbürgermeister, 39 Jahre

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Interview Dirk Fellinghauer. Foto Simon Hegenberg.

2×5 Fragen – 5 Fragen zum Beruf, 5 Fragen zum Mensch – stellt sensor jeden Monat interessanten Persönlichkeiten aus Wiesbaden. Bei unserem Interview mit und über „1 Jahr OB Sven Gerich“ – der SPD-Politiker wurde am 1. Juli 2013 in sein Amt eingeführt, nach seinem überraschenden Wahlsieg über CDU-Amtsinhaber Dr. Helmut Müller  – kamen wir mit 2×5 Fragen und Antworten nicht aus und veröffentlichen deshalb ausnahmsweise in dieser Onlineversion das „2×5+x-Interview“:

Wenn Sie sich selbstkritisch und ehrlich fragen – wie zufrieden sind Sie mit dem ersten Jahr im Amt?

Ich bin sehr zufrieden mit dem ersten Jahr. Ich habe im ersten Jahr unheimlich viel dazugelernt. Ich habe die unterschiedlichen Seiten des Amtes des Oberbürgermeisters aus eigener Perspektive kennenlernen dürfen. Ich glaube, man hat gemerkt, dass ich von vornherein mit großer Freude, aber auch mit großem Respekt an das Amt herangegangen bin. Von daher würde ich nicht sagen, dass ich etwas über- oder unterschützt hätte. Es gab keine Situation, in der ich jetzt gar nicht gewusst hätte, wie ich damit umgehen soll.

Macht´s noch Spaß?

Mir macht es einen Riesenspaß, das ist das Entscheidende.  Es gibt immer noch Menschen, die fragen, wie halten Sie das alles durch, wo sie überall unterwegs sind. Ganz wichtig ist, dass man bei dem, was man macht, Spaß hat. Ich sage immer spaßeshalber, ich habe den schönsten Job der Welt, aber ich empfinde es tatsächlich auch so.

Machen die Erwartungen, die viele Bürger – auch ganz persönlich –  in den OB setzen,  nicht manchmal Angst?

Angst macht das nicht. Natürlich haben Menschen bestimmte Erwartungen und Hoffnungen mit meiner Wahl verbunden. Ich denke, das ist ganz normal. Und natürlich können bei weitem nicht alle Wünsche erfüllt werden. Mich erreichen aus der Bevölkerung sehr individuelle Wünsche. Das fängt damit an, dass jemand mir bei facebook schreibt, dass er eine größere Wohnung braucht und ich mich doch bitte mal zu kümmern hätte, oder dass jemand sagt, er hätte gerne Startkapital für die Existenzgründung von mir. Dinge, die ich natürlich nicht erfüllen kann, wo ich aber durchaus in der Lage bin, dann zumindest den richtigen Ansprechpartner zu nennen.

In Ihrer aktuellen Kolumne auf wiesbaden.de beschreiben Sie, wie sich die Einladungen unterschiedlichster Art auf Ihrem Schreibtisch stapeln. Haben Sie ein System entwickelt, wie Sie mit den unzähligen Einladungen, die Sie erreichen, umgehen?

Was den Kalender angeht und die Terminvergabe oder die Annahme von Einladungen, habe ich es von Anfang an so gehalten, dass wenn ich einen Termin vereinbart habe oder eine Veranstaltung zugesagt habe, diese nur in ganz extremen Notfällen wieder abgesagt wird. Es ist nicht so, wenn man jetzt irgendwo zusagt und dann kommt eine vermeintlich „bessere“ oder „wichtigere“ Einladung, dass man das eine wieder absagt. Das hielte ich für falsch, das kommt bei mir überhaupt nicht in Frage. Wer rechtzeitig dran ist und eine Zusage bekommt, der kann davon ausgehen, dass ich die Termine dann auch gerne wahrnehme. Das hat auch etwas mit der Wertschätzung zu tun, die man den Einladungen entgegen bringt.

Ihr Amt als Oberbürgermeister versetzte sie in eine neue Rolle mit vielen neuen Aufgaben – wo und wie sind Sie im ersten Amtsjahr in Fettnäpfchen getreten?

Fettnäpfchen würde  ich nicht sagen. Aber die vielen unterschiedlichen Aufgaben, die man an einem Tag zu erfüllen hat, die erfordern vor allen Dingen häufig ein schnelles Umschalten. Ich glaube zwar, dass in den vergangenen zwölf Monaten nicht immer alles reibungslos verlaufen ist. Aber in der Rückschau würde ich schon sagen, wir haben keinen Kollateralschaden verursacht.

Sie sind intensiver facebook-Nutzer – begeisterte, oft fast huldigende Kommentare vermitteln das Gefühl, die ganze Stadt liebt den OB. Wie schützen Sie sich vor einer verzerrten Wahrnehmung der eigenen Popularität?

Ich glaube, dass ich das schon relativ realistisch einschätzen kann. Ja, es gibt unheimlich viele positive Rückmeldungen über das, was ich tue. Aber das ist es ja nicht alleine. Es gibt natürlich auch kritische Anmerkungen, nicht nur über die Onlinemedien. Das ist auch wichtig so, und das ist auch gut so. Ich bin sicherlich weit davon entfernt, nur auf das Lob der Menschen der Stadt aus zu sein. Es ist auch wichtig, dass man, wenn sie fair angebracht ist, sich auch mit Kritik beschäftigt, das mache ich auch. Dass Posts auf facebook kein repräsentatives Abbild der öffentlichen Meinung über den Oberbürgermeister sind, das ist mir auch bekannt.

Welchen Ihrer zahlreichen Postings würden Sie gerne rückgängig machen?

Ich würde kein Möbelstück mehr über facebook anbieten. Ich muss zur Kenntnis nehmen, dass ich auch in den sozialen Medien nicht mehr als Privatperson gesehen werde. Aber ich möchte mir die gewisse Lockerheit doch auch in der Zukunft erhalten. Weil ich glaube, das ist das, was mich authentisch bleiben lässt, und da möchte ich mich auch nicht verändern.

Welche ist aus Sicht des OBs das gravierendste  konkrete Problem dieser Stadt – und welchen Lösungsansatz haben Sie?

Ich glaube, das Problem, das wir aktuell wirklich an erster Stelle haben, ist das Thema des fehlenden bezahlbaren Wohnraums. Das ist wirklich eine Sache, der wir uns, das war allerdings schon vor meinem Amtsantritt so, widmen müssen. Ich habe nach meinem Amtsantritt  das Thema bezahlbarer Wohnraum bei Bürgermeister Goßmann gebündelt, der da auch mit allen Playern fleißig dran arbeitet. Wir befinden uns da auf einem guten Weg. Wir haben im letzten Jahr herausgefunden, dass wir, sicherlich durch Nachverdichtung, auf eigenen Flächen unserer Wohnungsbaugesellschaften bis zu 1200 Wohneinheiten errichten können. Das ist bei 4000 fehlenden schon mal ein richtiger und wichtiger Schritt. Aber auch große Baugebiete gehen ja langsam in die Planungsphase oder in das Ende der Planungsphase und dann in die Umsetzung. Wenn ich an das Thema Weidenborn/Dantestraße denke, den Hainweg, Bierstadt Nord, das Linde-Quartier, aber auch nochmal die deutliche Verstärkung des Gewichts, was studentisches Wohnen angeht, zeigt das, dass wir in der Tat auch wirklich dran sind, und nicht im Schlafwagen unterwegs sind, sondern eher im ICE

Wann erreicht der ICE sein Ziel?

Das ist ja kein Ziel, das man jemals erreicht. Aktuell fehlen uns 4000 Wohnungen. Aber wir wissen ja, dass die Stadt die nächsten zwanzig bis dreißig Jahre weiter wachsen wird. Das Thema, ausreichend, aber eben auch bezahlbaren Wohnraum zur Verfügung zu stellen, wird sicherlich ein Thema sein, was die Stadtpolitik noch lange beschäftigt. Was die konkreten Zahlen angeht, glaube ich, dass wir innerhalb der nächsten zehn Jahre die 4000 Einheiten werden abbilden können und freue mich über jeden Monat, den es schneller geht.

In Ihrer Antrittsrede haben Sie neue Formen der Bürgerbeteiligung versprochen – wo und wie  wurde dieses Versprechen bisher umgesetzt, welche weiteren Vorhaben können Sie zu diesem Thema nennen?

Für mich ist wichtig, dass ich nur etwas verspreche, wenn ich Möglichkeiten sehe, das hinterher konkret umzusetzen. Das Thema neue Formen der Bürgerbeteiligung ist so eines gewesen. Wir haben eine Sitzungsvorlage eingebracht, die den Weg der neuen Bürgerbeteiligung für Wiesbaden beschreibt. Es gibt eine Steuerungsgruppe, die sich des Themas angenommen hat, die hat bereits mehrfach getagt. Ich denke, dass wir mit einem Auftaktworkshop nach der Sommerpause das Thema aktiv angehen können.

Wie sieht dieser Workshop konkret aus?

Das Parlament hat in der Sitzungsvorlage eine Steuerungsgruppe beschlossen, in der Politik, Verwaltung, aber auch Bürgerschaft tatsächlich gleichberechtigt beteiligt sind. Es ist mir wichtig, dass sich nicht nur Politik und Verwaltung mit dem Thema beschäftigen, sondern dass wir die Menschen, die Bürgerbeteiligung zu Recht fordern, auch aktiv in den Prozess mit einbinden.

Das Streitthema Stadtmuseum, bei dem Sie entscheidende Entwicklungen und Entscheidungen noch aus der Zeit vor Ihrem Amtsantritt mitverantworten, entwickelt sich zum Klotz am Bein. Welches ist Ihr Wunschszenario und was Ihre persönliche realistische Prognose, wie es weiter- und ausgeht?

Zunächst mal halte ich es für absolut vertretbar für eine Stadt wie Wiesbaden, dass wir ein Stadtmuseum bekommen. Das steht auch für mich außer Frage. Ich glaube, wir waren noch nie so nah dran wie im Augenblick. Dass ein Entwurf nicht jedem gefällt, das halte ich für einen ganz normalen Vorgang, da sind wir in Wiesbaden nicht spezieller als andere. Architektur ist immer etwas, worüber man auch diskutieren und streiten kann. Das erleben wir in Wiesbaden bei nahezu jedem Projekt, dass über solche ersten Anschauungsmodelle auch diskutiert wird. Ich bin ganz froh, dass die zuständige Kollegin Rose-Lore Scholz das Thema nach wie vor mit hohem Engagement vorantreibt. Weil Sie angesprochen haben, dass dies ein Projekt ist, das bereits vor meiner Amtszeit nicht unwesentlich mit meiner Beteiligung zustande gekommen ist: Es gab damals unterschiedliche Themen innerhalb der großen Koalition, die jeweils mal auf der einen, mal auf der anderen Seite eher strittig betrachtet wurden. Und es gab genau zwei Möglichkeiten, damit umzugehen: Strittige Themen nicht weiter zu verfolgen oder sich zusammenzusetzen und zu gucken, wie lösen wir diese strittigen Probleme? Und wir dürfen nicht vergessen, dass durch den Bau des Stadtmuseums auch vier Schulen saniert oder neu gebaut werden. Also eigentlich haben wir da so etwas wie ein eigenes kleines Konjunkturprogramm aufgelegt, denn wenn wir alle Maßnahmen dieses vereinbarten Pakets mal in Summe zusammen zählen, löst das Investitionen von deutlich mehr als 100 Millionen Euro in der Stadt aus. Davon profitiert nicht nur die Bevölkerung, wenn die Schulen dann stehen, davon profitiert natürlich in allererster Linie auch die heimische Wirtschaft und das heimische Handwerk. Und ich glaube, auch da ist es gut, wenn sich Politik um so etwas kümmert.

Das mag hervorragend klingen, beantwortet aber nicht unsere Frage: Was wünschen Sie sich, wie es nun weitergeht, und welcher Fort- und Ausgang der Dinge ist realistisch?

Aktuell wurde das Mietangebot der OFB einer Plausibilitätskontrolle unterzogen von einem externen Büro, um mal zu schauen: Ist denn das, was uns da als Mietpreis angeboten wird, auch realistisch und nachvollziehbar? Dies wurde bestätigt. Parallel dazu ist eine Arbeitsgruppe bestehend aus der Kollegin Scholz als zuständige Fachdezernentin, dem Stadtkämmerer Axel Imholz und unserem Immobilienspezialisten aus der WVV Holding, Ralph Schüler, damit befasst, das konkrete Angebot der OFB auch nochmal endgültig zu verhandeln. Danach liegt es am Parlament, die entsprechenden Beschlüsse zu fassen.

Rechnen Sie mit einem Beschluss noch vor der Sommerpause?

Das glaube ich nicht, da dies bezüglich der Fristen zur Einreichung zu knapp wird. Schließlich tagt die Stadtverordnetenversammlung bereits am 17. Juli.

Und das Gebäude, das schließlich eingeweiht werden könnte, darf aus Ihrer Sicht und Ihrem Geschmack auch jenes sein, das jetzt vorgeschlagen wurde?

Ich bin den Anregungen aus dem Gestaltungsbeirat recht dankbar. Nichtsdestotrotz bin ich der Meinung, dass es auch wichtig ist, dass Helmut Jahn nochmal direkt mit dem Gestaltungsbeirat spricht als derjenige, der die Idee entwickelt hat, die zur Grundlage übrigens das bestehende Museumskonzept hat. Deswegen kann ich die Kritik nach dem Motto, die bauen da eine Kunsthalle, so jetzt erst mal nicht nachvollziehen. Aber ich bin bei der Diskussion nicht dabei gewesen, deswegen will ich mich da gar nicht allzu vertieft zu äußern. Ich glaube, dass es sicher die eine oder andere Anregung gibt, die man in der weiteren Planung berücksichtigen wird, aber ich gehe schon davon aus, dass die Grundlage dessen, was dann hinterher gebaut wird, der Entwurf von Helmut Jahn sein wird.

Der von Ihnen in Ihrem OB-Wahlkampf vielkritisierte „Konzern Stadt“ besteht weiterhin – wann werden in dieser Stadt entscheidende Posten endlich nach Qualifikation besetzt?

Ich könnte zurückfragen, welche Position haben wir im letzten Jahr ohne die nötige Qualifikation besetzt? Aber gut: Ja, die Stadt ist kein Konzern, sondern ein Sozialwesen und muss für alle da sein, das ist einer der Kernsätze in meinem Wahlkampf gewesen. Ich glaube, dass schon viel passiert ist. Wir haben einen Beteiligungsausschuss eingerichtet auf der parlamentarischen Ebene genau mit dem Ziel, dass die strategischen Weichenstellungen, die strategischen Ziele, die unsere Beteiligungen zu verfolgen haben, eben dort diskutiert werden und dann in den Unternehmen umgesetzt werden, und damit in der Öffentlichkeit diskutiert werden. Das ist einer der Kritikpunkte, die ich in der Vergangenheit hatte, dass Ziele in Aufsichtsräten diskutiert werden, die hinterher nicht öffentlich tagen dürfen.

Wo konnten Sie bei diesem Thema noch Akzente setzen?

Ein weiterer Schritt, der in der Vergangenheit vielleicht nicht so erfolgt wäre, ist die Einschaltung des Revisionsamtes in der Frage, die bei der ESWE und Geschäftsführung aufgetaucht ist. Hier gilt allerdings Gründlichkeit vor Schnelligkeit, also nicht jeder Aufforderung folgen, dass innerhalb von kürzester Zeit Ergebnisse vorliegen müssen. Wir wollen gründlich die Themen abarbeiten, dann aber auch einer zügigen Entscheidung zuführen. Ich glaube, das haben wir gemacht. Nachdem klar war, wo die Problemlagen liegen, haben wir sehr schnell gehandelt beim Thema ESWE. Ein weiteres Thema: Gemeinwohl vor Gewinnmaximierung – da ist aktuell die Rettung der Demtergärtnerei ein gutes Beispiel. Die Gesellschaft wollte verkaufen, jetzt ist es gelungen, eine für alle Beteiligten wunderbare Lösung herbeizuführen. Was auch dazu gehört, ist die Frage: Wie verknüpfen wir es personell besser? Unser Sportamtsleiter Karsten Schütze ist jetzt auch Betriebsleiter bei Mattiaqua, der Kämmereileiter Rainer Emmel ist gleichzeitig Geschäftsführer der WVV, der zweite Geschäftsführer der WVV gleichzeitig Sprecher der Immobiliengesellschaft. Wir holen die Immobiliengesellschaft in die Holding zurück und damit wieder näher an die Stadt. Ich glaube also schon, dass wir da im letzten Jahr eine ganze Menge erreicht haben.

 Welches ist – mit einem Jahr Erfahrung im Rücken – heute das wichtigste Ziel Ihrer Amtszeit?

An der Zielsetzung hat sich eigentlich nichts geändert. Ich will weiter mit allen Beteiligten daran arbeiten, dass diese Stadt ein ganzes Stück weit menschlicher wird. Ich habe an den unterschiedlichsten Bereichen gemerkt, dass die Menschen sich mit auf den Weg machen. Man kann dieses Thema „Vom Ich zum Wir“ nicht durch einen Magistratsbeschluss herbeiführen. Man kann es immer nur in die Stadtgesellschaft weiter hinaus transportieren und hoffen, dass sich Gruppierungen und Initiativen finden, die verstehen, wo ich hinwill, die das teilen und sich dann mit mir quasi auf den Weg machen. Da ist schon einiges passiert – so ganz unschuldig ist der sensor mit seinem Format „Der visionäre Frühschoppen“ im Walhalla da auch nicht dran.

LESERFRAGEN:

Um Visionen zu verfolgen und ein greifbares Profil zu (re-)generieren, muss man Prioritäten setzen, man kann nicht alles zugleich wollen. Wiesbaden war Kaiser- und Kurstadt. Fernab wichtiger und dringender sozialer Fragen: Was ist Wiesbaden in zwanzig Jahren? (Martin Mengden)

Wiesbaden ist in zwanzig Jahren weiterhin eine lebendige, bunte Landeshauptstadt, die sicherlich ihr ganz eigenes Selbstbewusstsein hat, aber in der Rhein-Main-Region als Partner auf Augenhöhe wahrgenommen wird.

Mich würde interessieren, wie Herr Gerich die gefühlte und gelebte „Spaltung“ zwischen Wiesbaden-Kernstadt und seinen drei Ex-Mainzer Vororten AKK (Amöneburg, Kastel, Kostheim) einschätzt und welche Ideen er hat, bei den Menschen beidseits der Spaltung das Zusammengehörigkeitsgefühl, gegenseitigen Respekt und ein gutes Mit- und Füreinander zu fördern. (Karoline Deissner)

Ich fühle die Spaltung nicht, habe immer ein offenes Ohr und bin Ansprechpartner für alle Menschen und alle Belange aus AKK. Ich glaube auch, dass das Wort Spaltung hier zu weit geht. Wenn ich mit jungen Menschen aus AKK spreche, höre ich darüber eigentlich weniger. Es liegt in der Natur der Sache, dass wenn ich zum Beispiel einkaufen gehen will, mir dann das Zentrum aussuche, das am nächsten liegt. Deswegen ist es auch für mich kein Problem, wenn unsere Bürger aus AKK nach Mainz zum einkaufen fahren, weil ich genauso weiß, dass auch viele Mainzer nach Wiesbaden zum Einkaufen kommen. Ich glaube, da sollte auch der Rhein nicht als trennendes Objekt wahrgenommen werden. Von daher glaube ich, dass auch die Zusammenarbeit zwischen Mainz und Wiesbaden deutlich an Intensität zugenommen hat, was nicht nur, aber auch, daran liegt, dass sich die beiden Oberbürgermeister nicht nur, was die politische Farbenlehre angeht, gut verstehen.

MENSCH

Was alles ist seit dem Amtsantritt am 1. Juli 2013  zu kurz gekommen für den Privatmenschen Sven Gerich?

Die Freizeit zusammen mit meinem Mann und meine sportliche Betätigung. Ich werde ab Juli tatsächlich zweimal in der Woche fest im Kalender Zeit für Sport reservieren und diese auch nutzen – einmal in der Woche ins Sportstudio gehen und einmal alternativ entweder Schwimmen oder in den Wald zum Joggen – und vielleicht versuchen, häufiger als nur alle sieben, acht Wochen mal einen freien Tag zu haben. Wenn man weiß, dass eine normale Arbeitswoche bei mir zwischen 80 und 100 Stunden hat, kann man sich ausrechnen, wie viel Zeit da noch für Familie, Freunde, Sport bleibt.

Wie schaffen Sie es trotzdem, Freundschaften zu pflegen?

Das machen wir ganz konkret zum Beispiel so: Im Sommer hat Helge vierzehn Tage Urlaub. Diese Tage nutze ich dazu, nicht bis 23 Uhr Termine zu machen, sondern abends auch mal früher zu Hause zu sein. Da es im Sommer ist, werden wir in unserem Garten mal wieder Stück für Stück die Freunde zusammenrufen – die Organisation übernimmt mein Mann, da habe ich wenig Zeit für –  und in den unterschiedlichsten Konstellationen ein paar schöne Abende miteinander verbringen.  Der Freundeskreis ist relativ groß. Das ist mir auch wichtig, dass man Freunde im Leben hat – den Unterschied zwischen Freund und Bekanntem kenne ich schon. 

Sind Sie nachtragend?

Überhaupt nicht. Jeder darf Fehler machen, ich mache sicher auch jeden Tag einen. Entscheidend ist, denselben Fehler nicht ein zweites Mal zu machen. Nein, nachtragend bin ich überhaupt nicht. Es kommt auch selten vor, dass ich missgestimmt bin. Meistens ist es dann so, wenn mein Frust dann raus ist, dann ist es fünf Minuten später vergessen.

Wiesbaden ist bekannt als Stadt der Feste – welches ist Ihnen ganz persönlich das liebste?

Es wäre unfair, eines zu benennen, weil jedes unserer Feste hat was ganz Eigenes, was mir unheimlich gefällt. Es ist schon die Vielfalt der Feste, die wir haben, die mir viel Spaß macht. Ich mag besonders die Feste, die in den Vororten stattfinden, ganz gleich, wo. Weil man da einen ganz engen Bezug der Menschen zu ihrem Stadtteil spürt, und das macht mir viel Spaß.

Beim Feiern wird es schon mal später als geplant, unabhängig von der Terminlage am nächsten Morgen. Haben Sie einen Geheimtipp, den „Tag danach“ unausgeschlafen oder gar verkatert durchzustehen?

Mit einem Lächeln aufstehen und kalt duschen.

 Sie feiern im Oktober Ihren 40. Geburtstag – wie und mit welchen Gefühlen?

Ich freue mich riesig drauf. Ich weiß noch nicht so richtig, wie ich feiern werde. Wir sitzen jetzt zusammen und planen das ein bisschen und überlegen, was, wie, wo machen wir das – weil ich natürlich noch keinen runden Geburtstag in einer solchen Position gefeiert habe, lasse ich mich auch ein bisschen beraten. Ich glaube, es wird nur eine Veranstaltung geben. Da wird es gegebenenfalls auch einen Teil geben, der vielleicht eher einen offizielleren Charakter hat, aber zum Schluss soll das schon auch eine schöne ausgelassene Feier werden, zu der sicherlich auch alle meine Freunde da sind. Wichtig ist: Am 31. Oktober habe ich frei. Deswegen ist es auch nicht schlimm, wenn es spät wird.

Aktuell fiebert die ganze Welt, und damit auch ganz Wiesbaden, mit bei der Fußball-WM – wer wird Weltmeister, wer ist Ihre Mannschaft der  Herzen?

Ich bin ja, was das Thema Fußball angeht, jetzt nicht der profundeste Kenner der Szene. Ich freue mich immer, wenn ich die deutsche Mannschaft spielen und gewinnen sehe. Ob es wirklich eine Chance gibt, dass Deutschland Weltmeister wird, kann ich nicht einschätzen. Ich würde mich riesig drüber freuen, aber worüber ich mich vor allem freue, ist während der Fußballwochen, dass die Stadt – das wünsche ich mir – feiert, dass sie friedlich feiert und dass vielleicht der eine oder andere, der sich von einem solchen Fest gestört fühlen könnte, einfach mal ein Auge zudrückt und es einfach geschehen lässt, weil so etwas einer Stadt auch guttut.

Sie sind dem Vernehmen nach ein guter Koch – welches ist Ihr „Visitenkarten“-Rezept?

‚Mein absolutes Lieblingsessen, was ich auch wirklich gut – wenn man anderen glaubt, die es schon gegessen haben – machen kann, ist kein typisches Sommergericht, eher für die kältere Jahreszeit, das sind Rinderrouladen mit frisch gemachtem Rotkraut und selbstgemachten Klößen – ein Traum!

LESERFRAGEN

Frage an den OB als „Wiesbadener“: Ist Wiesbaden auch gefühlt Ihre Heimat? Wenn ja, was zeichnet Wiesbaden als Heimat für Sie persönlich aus? (EvAngelina)

Wiesbaden ist absolut Heimat. „Heimat-Heimat“ ist Biebrich. Das ist einfach so, das ist der Stadtteil , in dem ich großgeworden bin. Da ich mein ganzes Leben hier lebe, habe ich keine andere Perspektive. Es gibt ja immer wieder Menschen, die sagen, naja Berlin muss doch eigentlich sein oder München ist eine tolle Stadt oder Düsseldorf. Das mag alles so sein und da mag es auch Ecken geben, wo es einem gefällt. Aber wenn ich aus einem Urlaub zum Beispiel komme und  – ganz egal, per Auto, Bahn, Bus oder wie auch immer – wieder die Stadtgrenze überfahre, dann merke ich schon in mir drin, dass ich froh bin, einfach wieder zu Hause zu sein. Das ist dieses Wiesbaden-Gefühl, das ich einfach spüre und dann denke ich, Mensch, hier bist du einfach zu Hause.

Wie und wo möchte Sven Gerich jenseits der 70, 80, 90 … leben? (Jörg Ferchlandt)

Ich möchte in Wiesbaden leben. Ich hoffe, dass ich möglichst lange gesund und ohne fremde Hilfe leben kann. Und dass ich auch im hohen Alter noch viele Freunde um mich herum habe. Das Schlimmste für mich ist Einsamkeit. Einsamkeit mag ich überhaupt nicht. Ich bin gerne mit Menschen zusammen.

Fühlen Sie sich, sobald Sie alleine sind, einsam?

Es ist für mich schon wichtig, immer auch mal eine halbe Stunde zu haben, wo ich einfach allein sein kann. Das brauche ich auch, um mal die Gedanken zu sortieren und bestimmte Dinge einfach im Kopf zu verarbeiten. Aber auf Dauer wäre Alleinsein für mich nichts.

Und was fällt EUCH zu „1 Jahr OB Sven Gerich“ ein? Wie macht er seinen Job? (Wie) hat er die Stadt verändert? Hat er eure Erwartungen erfüllt? (Wie) seid ihr ihm persönlich begegnet? Was erwartet oder erhofft Ihr euch noch von ihm?