Interview: Dirk Fellinghauer. Foto: Arne Landwehr.
BERUF
Busfahrerin, das ist nicht gerade ein typischer Beruf für eine 25-jährige Frau. Wie kamen Sie darauf?
Dass ich einmal Busfahrerin werden wollte, diesen Traum hatte ich schon lange. Allein schon die Sitze fand ich immer cool. Nach meiner Ausbildung zur Hauswirtschafterin habe ich erst mal bei einer Bäckerei und dann in einem Supermarkt gearbeitet. Ich komme aus Hamburg. Als ich mich dort bei den Verkehrsbetrieben als Busfahrerin beworben habe, bekam ich Absagen. Dann habe ich auf YouTube die Videos von ESWE Verkehr entdeckt, mit denen sie Busfahrer gesucht haben. Dort wurde ich genommen. Nach einer beschleunigten Grundqualifikation zur Busfahrerin in der ESWE-eigenen Fahrschule, die drei Monate dauerte, startete ich im November 2017 in meinen neuen Beruf.
Was reizt Sie an dem Beruf, welches sind die Herausforderungen?
Man kommt viel ´rum und erlebt jeden Tag etwas. Ich lerne viele neue Leute kennen und nette Kollegen. Es gibt einige enge Stellen auf den Strecken, da muss man immer besonders aufpassen und die Außenspiegel im Blick halten. Das haben wir in der Fahrschule aber gut gelernt, da ist der Fahrlehrer mit uns immer die engsten Stellen abgefahren. Einmal bin ich an der Endstation der Linie 6 am Nordfriedhof ein bisschen mit dem Außenspiegel hängengeblieben, sonst ist noch nie etwas passiert.
„Corona“ beherrscht derzeit das Geschehen, Homeoffice ist in Ihrem Beruf keine Option. Fährt da die Angst vor einer Ansteckung mit?
Nein. Es wurden und werden ja Sicherheitsmaßnahmen ergriffen. Die Vordertür bleibt gesperrt, hinter den Fahrern ist eine Absperrung, und die ersten zwei Sitzreihen direkt hinterm Fahrer bleiben leer. Da halten sich die Fahrgäste auch dran. Inzwischen gilt auch die Maskenpflicht im Bus, und es findet auch kein Fahrkartenverkauf im Bus statt. Wir haben also keinen direkten Kontakt mit Personen oder mit Geld. Ich habe auch immer Desinfektionsmittel dabei, da reinige ich in meinen längeren Pausen Griffe und Knöpfe. Ich habe ja Hauswirtschaft gelernt, da ist Reinigen für mich kein großes Thema.
Wie sind die Fahrgäste generell drauf? Man hört ja immer wieder auch von respektlosem Verhalten.
Es gibt ein paar schwierige Fahrgäste, die lassen manchmal ihre Wut an einem aus. Das versuche ich, möglichst nicht an mich ranzulassen. Ich transportiere die Fahrgäste von A nach B, dann steigen sie wieder aus, das war´s. Richtig wütend wurde ich mal, als ich wegen eines Unfalls die Fahrtstrecke abändern musste und dann Fahrgäste den Nothahn betätigt haben. Sie sind einfach auf offener Straße ausgestiegen und sind über die Straße spaziert, unglaublich. Fahrgäste beschweren sich auch öfters, wenn ein Bus nicht pünktlich ist. Sie denken dabei nicht daran, dass der Verkehr mit Staus und Baustellen einfach immer schlimmer wird in der Stadt. Mein Tipp ist, dass sie einfach lieber einen Bus früher nehmen sollten, wenn sie Zeitdruck haben. Es gibt aber auch nette Begegnungen. Im Hochsommer hat mir mal eine Frau ein kühles Getränk gebracht. Und vor allem ältere Leute bedanken sich manchmal für die Fahrt. Wir Fahrerinnen bekommen manchmal speziell Lob, weil wir als Frauen sanfter fahren.
Haben Sie Einfluss darauf, auf welchen Linien Sie fahren?
Da haben wir kein Mitspracherecht, das macht alles die Disposition Die teilen die Dienste ein und haben auch ein Programm, das zum Beispiel genau die Ruhezeiten berechnet. Höchstens wenn man mal direkt mit einem Kollegen merkt, dass man vielleicht eine Linie miteinander tauschen möchte, kann man ausnahmsweise mal direkt zur Dispo gehen und fragen, ob das möglich ist. Eine Lieblingslinie habe ich nicht, jede hat etwas Eigenes. Abwechslung tut auf jeden Fall immer gut.
MENSCH
Wie hat Ihre Familie auf Ihre Berufswahl reagiert?
Meine Familie ist sehr zufrieden und stolz, dass ich diesen Weg gegangen bin. Mein Bruder ist Co-Pilot bei Germanwings, meine Mutter arbeitet bei Airbus. Wir sind also fast eine ÖPNV-Familie (lacht).
Ihr Dienst startet oft im Morgengrauen. Sind Sie Frühaufsteherin?
Ich bin keine Langschläferin. Sechs bis sieben Stunden reichen mir -.außer, wenn ich frei habe, dann schlafe ich auch mal neun Stunden, das tut dann auch gut. Das frühe Aufstehen macht mir jedenfalls nichts aus. Ich fahre auch gerne früh, dann habe ich am Nachmittag frei und kann noch Sachen erledigen.
Wie verbringen Sie Ihre Freizeit?
Ich besuche gerne Freizeitparks, lese Krimis, treffe mich mit Freunden und guten Kollegen, und ich reise gerne. Am liebsten mache ich Städtereisen. Zuletzt war ich in Paris, oder auch schon in Klagenfurt, Wien, London, Berlin. Da achte ich dann schon „nebenbei“ auch auf den ÖPNV in den anderen Städten, fotografiere mal Busse oder schaue, wie andere Busfahrer in anderen Bussen so unterwegs sind.
Was könnte sich am ÖPNV in Wiesbaden verbessern aus Ihrer Sicht als Busfahrerin?
Eigentlich bin ich momentan zufrieden. Mehr Busse würden zum Beispiel kaum etwas bringen, dann wäre alles noch zugestopfter. Ich würde mir aber wünschen, dass Autofahrer zumindest bei Kurzstrecken öfters mal das Auto stehen lassen. Und die Leihräder von ESWE Verkehr gibt es ja auch. Die habe ich auch schon mal ausprobiert, um von Schierstein zur Arbeit zu fahren, das hat gut funktioniert. Ich wünsche mir, dass die City-Bahn kommt. Es würde auch den Busbetrieb erleichtern. Ich lese viel darüber und informiere mich.
Sie sind noch sehr jung. Haben Sie vor, nun lebenslang Busfahrerin zu bleiben, oder haben Sie auch noch andere Ideen für Ihre berufliche Zukunft?
Ich habe meinen Traumjob gefunden und mein Ziel erreicht. Ich bleibe jetzt erst mal hier, nachdem ich diesen Weg geschafft habe. Mit 22 Jahren hatte ich komplett meine Heimat zurückgelassen, meine Familie und meine Freunde. Jetzt habe ich einen Festvertrag und eine eigene Wohnung in Schierstein, Freunde und tolle Kollegen. Darüber bin ich sehr glücklich.