Interview: Dirk Fellinghauer. Foto: Arne Landwehr.
Was ist das Besondere an Wiesbaden als Shoppingstadt – und was am LuisenForum?
Das LuisenForum ist – eine Seltenheit – ein Shoppingcenter mitten in der Innenstadt. Auf jeden Fall punkten wir mit unserem günstigen Parkhaus. Uns ist es wichtig, immer noch ein gewisses Extra für ein besonderes Einkaufserlebnis zu bieten. Das müssen wir auch, sonst heben wir uns von der Einkaufsstraße nicht ab. Wir fokussieren uns stark auf Familien. In Wiesbaden gefallen mir besonders die kleinen Gässchen. In jeder Straße gibt es etwas anderes zu entdecken, das finde ich wunderschön. Jetzt müssen nur die Leerstände wieder gefüllt werden. Das ist nicht so einfach.
Leerstände gibt es in der Fußgängerzone, aber auch bei Ihnen im LuisenForum. Woran hakt es bei Ihnen?
Es gibt viele Herausforderungen. Allein die Größe unserer ehemaligen Karstadt Sports-Fläche, über 3600 Quadratmeter auf zwei Etagen, das mietet kein Einzelner mehr komplett an. Filialisten oder auch Einzelhändler sind nicht mehr so expansiv unterwegs. Der eine oder andere findet inzwischen auf der Kirchgasse doch mal einen Vermieter, der viel günstiger anbietet und unbedingt seinen Leerstand loswerden möchte. 2025 soll unser Umbaujahr werden, so dass wir 2026 ein paar große Eröffnungen feiern können. Ein Schuhhändler wäre toll oder eine große Parfümerie. Und gerne noch mehr Gastronomie, mit Food Court-Charakter. Einen festen Kinderspielbereich bekommen wir, wenn alles klappt, in Kürze. Für die momentan ungenutzte Dachfläche auf unserem Parkhaus suchen wir einen Mieter. Jede:r mit einem vernünftigen Konzept darf sich gerne bei mir melden. Wir wollen allerdings keine Rooftop-Partyarea, das können wir den Anwohner:innen nicht zumuten, sondern eher etwas Familienorientiertes.
Allemal besser als Leerstand sind Pop-Up-Aktivitäten.
Da machen wir ganz viel. Im November starten das „CityLab“, da präsentiert sich die Stadt als Smart City, und der Handwerks-Makerspace. Die SEG ist bei uns, die Hochschule RheinMain mit ihrem Stadtlabor. Wir machen einen Vintage-Flohmarkt, geplant ist eine Pop-up-Bettenausstellung. In unserer „LuFo Lounge“ kann jede:r, im Sinne eines „Dritten Orts“, ungezwungen relaxen, etwas arbeiten, Pause machen, total entspannt und ohne Konsumzwang. Auch Jugendliche nutzen das intensiv – und das bisher ohne W-Lan! (lacht). Sie machen da mittags Hausaufgaben, das ist super. Ganz neu ist die Lady-Lounge, da kannst du dich als Mama zurückziehen, auch zum Stillen oder einfach mal deine Ruhe haben. Auch in Sachen Kultur sind wir sehr offen für Ideen. Ich finde alles super, was mit Wiesbaden zu tun hat. Dass wir uns viel mehr connecten mit der Stadt, dass wir ein Place to be für eine Wiesbadener Community werden würden, das wäre mein Traum.
Was erwarten, befürchten oder hoffen Sie für die Zukunft der Innenstadt insgesamt?
Ich wünsche mir, dass viel stärker daran gearbeitet wird, dass die Leerstände tatsächlich belebt werden. Auch auf Eigentümer, die ihren Leerstand nicht vermietet haben müssen. sollte mehr Druck gemacht werden. Die Stadt sollte die Innenstadt attraktiver gestalten hinsichtlich Ordnung, Helligkeit, Sauberkeit. Es muss auch geschaut werden, was reinvermietet wird. Nur Handy, Döner und Nagelstudio geht leider nicht. Man muss auch mal Nein sagen. So etwas wie der neue Nachmittagsmarkt auf dem Luisenplatz ist total wichtig. Die Stadt sollte uns als Einzelhändler stärker nutzen, auch für Events, die sich durch die ganze Innenstadt ziehen – warum nicht mal die ganze Kirchgasse beleben als Eventstraße? Und für das Galeria-Gebäude müssen wir uns unbedingt was überlegen. Es ist auch ein Jammer, dass zwei Parkhäuser – Galeria und City-Passage – einfach leerstehen. Von der Stadt wünsche ich mir, dass wir noch viel stärker in engen Austausch kommen.
Müsste man nicht viel radikaler umdenken, etwa den Fokus auf den Konsum mehr infrage stellen?
Nein! Einzelhandel wird es immer geben, und das ist auch so wichtig für eine Innenstadt. Ich bin absolut pro Einzelhandel, und zwar in großer Vielfalt. Von daher bitte ganz viel Konsum. Das Thema Nachhaltigkeit ist trotzdem wichtig, das ist natürlich in gewisser Weise ein Widerspruch. Auch hier geht es um die Vielfalt, eben nicht nur die Fast Fashion zu haben. Aber selbst jedes Fast Fashion-Unternehmen könnte viel mehr für die Nachhaltigkeit tun. Und letztlich ist es auch immer eine Frage des Verhaltens jedes einzelnen Verbrauchers.
MENSCH
Wie ist Ihr eigenes Shoppingverhalten?
Ich bin der stationäre Einkäufer, shoppe aber auch online. Ich gehe total gerne stationär shoppen, aber mit Kind ist es schwierig, der Kleine hat ja keine Lust, mit mir shoppen zu gehen. Deswegen kaufe ich auch sehr viel online. Die Verbindung ist einfach wichtig. Dass der Einzelhändler es schafft, online auf stationär zu schalten – mit einem Onlineshop, über den man Produkte in die Filiale liefern lassen kann und dort dann noch etwas erklärt bekommt.
Mit Blick auf unsere aktuelle New-York-Titelstory: Haben Sie eine Vorstellung vom Shopping in New York?
New York ist toll, da war ich gerade im Februar zum zweiten Mal. Was mir da so gefällt: Da ist wirklich in jeder einzelnen Straße, in der Shopping stattfindet, das pralle Leben. Da gibt es dann alles. Nicht nur Fashion, Kosmetik, Sport, da ist immer auch noch Gastro dabei, jede Straße ist wie ein eigenes Stadtviertel. Ich bin nach wie vor ein absoluter Fan von den großen Warenhäusern in den USA. Die schaffen es einfach, richtig geil innen drin auszusehen. Da sind die Schaufenster wunderbar, dann gehst du rein … – was ich da alles gekauft habe! Das war ein richtiges Shoppingerlebnis. Die leben das einfach anders. Und sind auch viel offener.
Sie leiten das LuisenForum seit Juni 2024. Sind schon in der Stadt involviert?
Das finde ich in Wiesbaden tatsächlich – auch im Vergleich zu Frankfurt, wo ich zuletzt gearbeitet habe – viel familiärer, kommunikativ und offen. Man wird von Anfang an mitgenommen, eingeladen, lernt dann alle Player kennen. Das finde ich schon richtig schön, wie hier auf einen zugegangen wird. Hier ist man schnell integriert und hilft sich auch gegenseitig. Das habe ich so in Wiesbaden zum ersten Mal erlebt, dass macht mir die Stadt sehr sympathisch!
Wie gehen Sie mit Druck um?
Och, ganz entspannt. Ich bin von Natur aus ein entspannter Typ und lasse mich gar nicht so sehr stressen. Mein Ausgleich ist mein freier Freitag mit meinem Sohn. Der gibt mir ganz viel zurück.
Wer oder was hat sie inspiriert?
Einige meiner Chefs haben mich total inspiriert. Meine erste Abteilungsleiterin im KaDeWe, wo ich ins Berufsleben gestartet bin, war eine klasse Frau, an die denke ich immer noch gerne zurück. Oder auch mein CEO bei Karstadt seinerzeit, André Maeder. Ein Schweizer. Ganz toller Mann. Der hat mir viel Entspanntheit mitgegeben. Er hat mir immer gesagt: Du brauchst dich gar nicht stressen oder dir Druck machen. Du musst nur wissen, mit welcher Aufgabe du als erstes startest. Er hat mir auch viel darüber beigebracht, wie man Mitarbeiter führt. Er hat mir immer gesagt, mach´ deine Mitarbeiter zu Beteiligten und nicht zu Betroffenen, die etwas für dich abarbeiten müssen. Und meine Mama ist mein absolutes Vorbild. Die hat mir beigebracht: Show what your mother gave you. Immer sehr selbstbewusst nach vorne.