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Das große 2×5-Interview: Michael Volkmer, 50 Jahre, Veranstalter see-Conference / Inhaber Scholz & Volkmer, 1 Sohn (15 Jahre)

2x5_April_VolkmerInterview Dirk Fellinghauer. Foto Arne Landwehr.

BERUF

Die see-Conference findet am 16. April zum elften Mal statt. Welche Idee steckt hinter dieser Veranstaltung?

Der ursprüngliche Gedanke war der einer agenturinternen Weiterbildungsveranstaltung in Sachen Design. Wir haben die Cracks eingeladen, die damals die Top-Arbeiten in Richtung Datenvisualisierung gemacht haben, und das Ganze dann schnell geöffnet. Heute sind wir mit 800 Besuchern im Schlachthof die zweitgrößte Designkonferenz Deutschlands. Des Pudels Kern ist die Überlegung, dass Bilder mehr Wirkung haben als Worte. Bilder aktivieren das emotionale Zentrum im Gehirn, was zur Folge hat, dass man Inhalte und Botschaften nicht nur besser memoriert, sondern auch besser in sein Handeln einbauen kann.

Wie hat sich die Konferenz über die Jahre entwickelt?

Das Oberthema Visualisierung ist geblieben, das ist der rote Faden. Über die Jahre sind wir politischer und gesellschaftlicher geworden, vor allem in Sachen Nachhaltigkeit. Heute haben wir eine Mischung aus Designern, Regisseuren, Architekten, aber auch Naturwissenschaftlern, Soziologen und Philosophen. Was alle vereint, ist, dass sie einen gesellschaftlichen Beitrag liefern wollen, und das auf einem hohen ästhetischen Level.

Welche Ansprüche müssen Redner erfüllen, damit sie auf die see-Bühne dürfen?

Mit Ausnahme des Keynote-Speakers, der den größeren, philosophischen Rahmen bildet und ohne Bilder auskommen darf, ist der Anspruch an alle, dass sie 1A-Arbeiten im Gepäck haben. Kein L´art pour l´ art. Eine inhaltlich klare Aussage ist wichtig. Die dritte Komponente ist, so banal das klingt: Sie müssen Bühnenerfahrung haben und wissen, wie man mit dem Publikum interagiert, das ist nicht jedermanns Sache. Ach, und sie müssen nicht mehr alle aus Übersee kommen. Europa hat hier auch einiges zu bieten.

Und das Publikum? Sind das nur Nerds, oder kann ein see-Besuch auch für unbedarfte Laien interessant sein?

Absolut. Die Vorträge sind so verständlich aber auch so breit angelegt, dass sie auf alle Fälle die Allgemeinheit ansprechen. Was uns übrigens sowieso fehlt in der Gesellschaft ist: Wir werden ja immer mehr zu Fachidioten. Das ist eines unserer Grundprobleme, auch in der Bildung. Der Bachelor schafft ein ziemlich verschultes System, das gar keine Freiheiten lässt, andere Bereiche zu entdecken und so ein ganzheitliches Bild von der Welt zu entwickeln. Früher musste man Kurse in Philosophie nehmen, wenn man zum Beispiel ein naturwissenschaftliches Fach wie Mathematik studieren wollte.

Welches war bei bisher rund sechzig Vorträgen Ihr persönlicher „see-Moment“?

Ein Schlüsselerlebnis war für mich vor acht Jahren der Vortrag von Dr. Fritz Reusswig vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung. Der hat damals gesagt: Wir wissen, wie dramatisch es ablaufen wird mit dem Klimawandel, wir haben es gemessen, es ist valide. Aber wir haben massiv Schwierigkeiten, es zu kommunizieren. Er hat uns Designer aufgerufen, sich dem Thema zu stellen und es aufzunehmen. Für mich war das der größte Kick zu sagen, mit Scholz & Volkmer geben wir volle Schubkraft beim Thema Nachhaltigkeit.

MENSCH

Sind Sie ein Gutmensch?

So würde ich es nicht bezeichnen. Ich bin kein Gutmensch, es geht mir ums gute Leben. Das einzige, was ich wirklich will: die Mitteln, die mir zur Verfügung stehen, nutzen. Das ist natürlich ein gewisser Apparat mit 160 Mitarbeitern, unsere Kunden, und die Verbindungen, die wir uns aufgebaut haben. Das ist es, was mich treibt. Das ist die Freiheit, die ich habe als Unternehmer. Was auch eine ökonomische Seite hat. In Summe geben wir grob vierzig Prozent unseres Gewinns für gesellschaftliche Themen aus. Aber die größte Herausforderung ist die Verhaltensänderung. Da muss man lange für ackern, allein, dass die Mitarbeiter mitmachen. Die halten mich ja manchmal für einen Spinner und sagen, was will der denn? Es ist interessant zu sehen, wie lange es braucht, bis man wirklich sein Verhalten ändert.

Wie wollen Sie das schaffen?

Über andere Botschaften, über positive Botschaften. Du musst vermitteln, dass es für dich persönlich was bringt, dass du etwas für dich tust – und nicht etwa um CO2 einzusparen. Thema Radfahren: du machst was für deine Gesundheit, du bist schneller und leichter unterwegs, etc. Dieses Gefühl von Leichtigkeit ist übrigens auch wichtig. Wir haben viel zu viel um uns herum angehäuft und kommen gar nicht dazu, die Dinge zu nutzen. „Freiheit durch weniger“ wäre so ein Stichwort. Oft bekommt man ja zum Geburtstag oder Weihnachten Zeug geschenkt, was man nicht wirklich braucht. Die Leute meinen es gut Aber vergessen, dass es eigentlich die gemeinsam verbrachte Zeit ist, die einen glücklich macht. Nicht ein weiteres Ding. Hier haben wir zB. „Zeit statt Zeug“ gegründet – eine Geschenkeplattform, die jetzt seit über vier Jahren läuft.

Welches sind die konkreten Themen, wo Sie sich Veränderung wünschen?

Ein Thema ist Mobilität und das urbane Leben, was eng miteinander verknüpft ist. Als Wiesbadener würden wir uns einen Gefallen tun, wenn sich das Stadtleben so verändert, dass du ein freundlicheres Umfeld hast, dass sich der Verkehr verlangsamt, dass Fußgänger, Kinder, Fahrradfahrer ihren Platz bekommen. Du musst nur mal nach Mainz gehen, in die Neustadt – tut mir leid, aber das ist der deutlich lebenswertere Ort. Wir haben die schönen Fassaden, ok, aber das Stadtleben ist ein bisschen arm, auch abends. Das tut echt weh. Konkret wünsche ich mir, dass wir lieber Orte des Verweilens schaffen oder wiederbeleben, statt uns in die Villen und Randbezirke zurückzuziehen.

In welchen Bereichen oder Situationen fällt es Ihnen schwer, Ihren eigenen Ansprüchen gerecht zu werden?

In fast allen (lacht). Aufs Fliegen ganz zu verzichten, viel mehr Rad zu fahren. Nicht unüberlegt konsumieren, sich öfter mal ganz bewusst was gönnen. Loslassen von Dingen. Oh, da gibt es vieles. Im Restaurant noch öfters fragen, „wissen Sie wo das Fleisch herkommt?“ und dann vegetarisch bestellen, wenn es unklar ist.

Was macht Ihnen Freude, wenn Sie nicht gerade damit beschäftigt sind, die Welt zu verbessern?

Ich bin glücklich, wenn ich in den Bergen bin – egal ob beim Snowboarden oder mit den Fellen unter den Ski einen Gipfel hoch. Mich fasziniert diese Mischung: die Kraft, die einem die Berge geben und gleichzeitig das Gefühl, die sind größer als du, die kannst du nicht einfach so bezwingen! Da schwingt auch Demut mit. Ansonsten liebe ich Lindy-Hop-Tanzen. Dieser Tanz aus den 30er/40er-Jahre. Auch wegen der Musik, dem echten Jazz.

Die see conference #11 findet, mit sensor als Medienpartner am Samstag, 16. April, im Schlachthof mit diesen internationalen Sprechern statt. Die letzten Tickets für die in der Regel ausverkaufte ganztägige Veranstaltung gibt es hier – außerdem verlosen wir 2 Tickets unter allen, die mit dem Betreff „Ich will zur see“ an losi@sensor-wiesbaden.de schreiben. Rund um die see gibt es ein umfangreiches Rahmenprogramm mit dem see+ Future Slam am 14. April im Museum Wiesbaden, der see-Party am Konferenzabend im Kesselhaus, sowie am Sonntag, 17. April, Workshops und Open House bei der Veranstalteragentur Scholz & Volkmer  und eine visionäre Intervention im öffentlichen Raum. Alle Infos und Updates sind hier zu finden.

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