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Debatte um Etatkürzungen: Arbeitskreis Stadtkultur fordert Auflösung des „Projektbüro Stadtmuseum“

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In der Debatte um Kürzungen im anstehenden Wiesbadener Doppelhaushalt, die auch die Kulturträger der Stadt mit der „Rasenmähermethode“ treffen sollen, gibt der Arbeitskreis Stadtkultur den Ball an die Stadt zurück. Die Stadt selbst solle für eine Verbesserung der Finanzlage sorgen, um Etatkürzungen – im Raum stehen 4,27% – zu vermeiden. Der konkrete Vorschlag: Schließung des „Projektbüro Stadtmuseum“. Dieses betreibt derzeit das „Schaufenster Stadtmuseum“ mit Wechselausstellungen zur Stadthistorie in einem Gebäude in der Ellenbogengasse, das demnächst abgerissen wird. Nach einem Vorschlag von OB Sven Gerich, den Kulturdezernentin Rose-Lore Scholz mitträgt, soll es anschließend im Marktkeller untergebracht werden. Wir veröffentlichen die heute von Margarethe Goldmann, frühere Kulturdezernentin der Stadt und Sprecherin des Arbeitskreis Stadtkultur mit seinen etwa vierzig angeschlossenen Kultureinrichtungen und -initiativen, versandte Pressemitteilung im Wortlaut.

»Stadt ist Kultur! Die Zukunft der Stadt setzt die Zukunft von Kultur in der Stadt voraus!« heißt es programmatisch beim Deutschen Städtetag: »Die Identität der Stadt erwächst aus der örtlichen Geschichte und Tradition. … Zugleich sind aber Gegenwartsbezug, Weltoffenheit und Perspektiven für die Zukunft die Voraussetzung dafür, dass sich die Menschen mit einer Stadt identifizieren.« Das muss auch weiterhin für Wiesbaden gelten. Kürzungen im Kulturbereich gefährden diese Zukunft!

Im Leitbild der Landeshauptstadt Wiesbaden heißt es: »Wiesbaden profiliert sich mit einer vielseitigen, lebendigen Kultur- und Bildungslandschaft und offenen Gestaltungsräumen für bürgerschaftliches Engagement«. Diese Vielfalt darf in den nächsten Jahren nicht unter das Messer kommen. Ganz im Gegenteil: Wer könnte sie besser und überzeugender darstellen als die Künstlerinnen und Künstler, die in Wiesbaden leben, produzieren und ihr Können und ihre Werke vermitteln? Wer besser als diejenigen, die in der Kultur- und Bildungsarbeit Menschen täglich dazu anregen, Neues zu entdecken und ihre eigenen Kräfte zu entwickeln?

Das hat der Arbeitskreis Stadtkultur nicht heute, sondern im Oktober 2003 formuliert.

Wieder soll das Messer angesetzt werden. Die Stadt Wiesbaden droht Kürzungen um 4,27% zum Doppelhaushalt 2016/17 an. Mit dem Rasenmäher sollen auch alle Kulturträger ohne Ansehen ihrer konkreten Situation um 4,27% gekürzt werden.

Freie Träger prägen Wiesbadener Kulturlandschaft

Die Kulturlandschaft Wiesbadens wird vor allem von freien Kulturträgern (Vereinen, Initiativen, Institutionen) geprägt, die in den letzten Jahrzehnten durch aktive Bürger/innen, Künstler/innen und Kulturschaffende gegründet wurden. Hier werden hoch motiviert, uneigennützig mit viel Einsatz und kleinen städtischen Zuschüssen eine Vielzahl von Veranstaltungen, Konzerten, Projekten, Aufführungen, Ausstellungen, Festen und vieles mehr auf die Beine gebracht.

Die Kulturträger sorgen für kulturelle Bildung, soziale Integration, neue Ideen, Betätigungs- und Entwicklungsmöglichkeiten – kurzum: hier wird „Heimat“ und Identität geschaffen. Nur ein lebendiges soziales und kulturelles Klima erlaubt den Menschen ihren Möglichkeitssinn zu entfalten: in Alternativen zu denken und sie zu erproben, Spannungen auszuhalten, Fremde(s) einzubeziehen und als Bereicherung zu entdecken. Es ermöglicht ihnen, Erinnerungen festzuhalten und Multiperspektivität als Voraussetzung für Toleranz und Orientierung in einer verunsichernden globalen Welt einzuüben und adäquate gesellschaftliche Handlungsoptionen zu entwickeln.

Allianz aus Kultur, Wirtschaft und Stadtgesellschaft durch Kürzungen im Kern bedroht

Die Wiesbadener Wirtschaft engagiert sich vielerorts, vom Staatstheater bis zur Stadtteilkulturarbeit, mit finanziellen und anderen unterstützenden Beiträgen und gleicht schon heute einige Löcher aus, die die Stadt nicht stopfen kann oder will. Gemeinsam wird hier Stadt gestaltet und gelebt.

Diese Allianz aus Kultur, Wirtschaft und Stadtgesellschaft wird nun seitens der Stadt durch Kürzungen im Kern bedroht. Wenn Plakate nicht mehr gedruckt, Mieten, Künstlerhonorare, Gagen oder Löhne nicht mehr gezahlt werden können, dann führt das zur kulturellen Verarmung durch Veranstaltungsausdünnung, Schließtage, Qualitätsverlust oder gar zum Aufgeben einiger Kulturträger.

Dagegen wendet sich der Arbeitskreis Stadtkultur mit aller Entschiedenheit. Wann immer es in den letzten Jahren eng wurde, wurden die Kulturträger zur Einnahmenerhöhung ermahnt. Diesen Fingerzeig geben die Kulturschaffenden nun an die Stadt zurück. Sie fordern die Stadt auf, nach Wegen zu suchen, ihre Einnahmesituation zu verbessern.

Bei einem Treffen am 21. Mai hat Kulturdezernentin Scholz die Kulturträger der Stadt Wiesbaden dazu aufgerufen, einen eigenen Vorschlag zum Kürzungsvorhaben zu machen, den der Arbeitskreis Stadtkultur hiermit unterbreitet:

Sollte sich die Stadt Wiesbaden nicht dazu verstehen, weitere Einnahmen zu generieren, indem sie ihre Steuern überprüft oder beschließt, die Gewinne städtischer Gesellschaften zur Defizitabdeckung zu nutzen, schlägt der Arbeitskreis Stadtkultur vor, alle Ausgaben für das „Projektbüro Stadtmuseum“ sofort einzustellen, bis sich eine Stadtregierung überzeugend dazu entschließt, ein Stadtmuseum zu gründen, zu bauen und zu betreiben.

Der Arbeitskreis Stadtkultur lehnt jede weitere Interimslösung ab. Es ist weder politisch und schon gar nicht wirtschaftlich darstellbar, dass seit 15 Jahren immer weiter kostspielige Vorbereitungen für eine Unternehmung getroffen werden, die nach eigenem Bekunden der jetzigen Rathausmehrheit von SPD und CDU in den nächsten Jahrzehnten nicht stattfinden wird.

Umsetzung des Vorschlags würde geforderten Sparbetrag erbringen

Mit der Auflösung des Projektbüros kann die Stadt 1 Million Euro freisetzen. Mit den Einsparungen, die sie bereits im Bereich der freien Theater (Pariser Hof) und Kunstsommer veranlasst hat, wird der geforderte Sparbeitrag erbracht.

Der Arbeitskreis Stadtkultur appelliert an alle Bürger/innen, denen die Kultur der Stadt etwas bedeutet, sich dieser Sicht anzuschließen und SPD und CDU dazu aufzufordern, ihre Sparpläne aufzugeben. Denn Kultur gibt unserer Stadt ihre Lebendigkeit, ihre Identität und ist die Triebfeder, auch durch schwierige Zeiten als Kommune, als Gemeinwesen zu gehen.

i.A. Margarethe Goldmann

für den Arbeitskreis Stadtkultur Wiesbaden

Im AK Stadtkultur arbeiten mit:

Aktives Museum Spiegelgasse; BBK – Bund Bildender Künstlerinnen und Künstler Wiesbaden; Burg- und Sommerspiele Wiesbaden; Compagnie Lunel; exground filmfest; Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung; frauen museum wiesbaden; Galerie Hafemann/Galerie Winter/Rother für die IG der Wiesbadener Galerien; GOJ T-A-TR; ImPuls Theater; JazzArchitekt; Kammerspiele Wiesbaden; Kreativfabrik; Kulturpalast; Kunstverein Bellevue-Saal Wiesbaden; Künstlerverein Walkmühle; Kooperative New Jazz/ARTist im Exil; Kulturclub Biebrich; Kulturzentrum Schlachthof Wiesbaden; kuenstlerhaus43; NKV Nassauischer Kunstverein Wiesbaden; Initiative „Kultur in Wiesbaden – Wiesbaden ist Kultur!“ KiWWiK; Initiative Wiesbadener Medienzentrum; Schloss Freudenberg; thalhaus Wiesbaden; Velvets Theater; Walhalla Theater; Werkstatt für Bühne und Film Wiesbaden; Wiesbadener Sängerkreis; Wiesbadener Schule für Schauspiel; art-up!Büro für kreative Begleiterscheinungen und einige Einzelpersonen