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Der Richtungswechlser: Cem Buldak – Vom Musikproduzenten zum Heilpraktiker

Portrait_CemBuldak_ganzseitig

 

Von Natascha Gross. Foto Arne Landwehr.

Noch ist die Arbeitsstätte von Cem Buldak zweigeteilt: Wer die Altbauwohnung in einem Hinterhof des Wiesbadener Rheingauviertels betritt, landet als erstes in einem hellen, lichtdurchfluteten Raum. Das Interieur ist in Weiß gehalten, aufgeräumt und steril. Alles hat seinen Platz. Ganz anders wirkt der zweite Raum: Eine Toilette und ein kleiner, funktionaler Küchenblock auf der einen Seite – auf der anderen viele Musikinstrumente und Produzentenequipment, außerdem schalldämmende Holzstellwände, die der Sonne den Weg versperren. Der Raum wirkt ein bisschen wie ein Keller, indem alte Erinnerungen und längst vergessene Gegenstände eingelagert sind.

Tonstudio wird Naturheilpraxis

Berufliche Zukunft und berufliche Vergangenheit liegen den Räumen nah beieinander: das Tonstudio, in dem immer noch Musik produziert wird, und die Naturheilpraxis. „Das Studio soll nach und nach kleiner werden, die Praxis größer“, erklärt der 40-Jährige. Seit Dezember vergangenen Jahres ist der in Ankara geborene Vollblutmusiker frischgebackener Heilpraktiker – und hat damit eine komplett neue berufliche Laufbahn eingeschlagen. „Ich habe mich mit 60 nicht mehr am Mischpult sitzend gesehen – als Selbstständiger ist das immer eine existenzielle Geschichte“, erklärt Buldak, der mit seinem Tonstudio „Süper Müzik“ unter anderem mit den Bands Cashma Hoody, 200 Sachen und Katjas Bazar zusammengearbeitet und ein eigenes Musikprojekt namens Eastenders zusammen mit Stefan Müller auf die Beine gestellt hat. Doch finanziell getragen haben den türkischstämmigen Wiesbadener seine kommerziellen Jobs für Opel, BASF oder die IAA. Doch für diese Auftragsarbeiten möchte der Familienvater seine Leidenschaft nicht mehr hergeben: „In der Werbebranche wird ein Pseudodruck aufgebaut, das finde ich sinnlos.“

Geburt der Tochter brachte berufliche Wende

Wie er seiner Arbeit wieder mehr Sinn verleihen kann, wurde Buldak nach der Geburt seiner Tochter vor vier Jahren klar. Als Säugling hatte sie einen steifen Hals, deshalb gingen ihre Eltern mit ihr zum Osteopathen. „Nach einer Sitzung war alles wieder gut – die Methode war erfolgreich und sinnvoll“, befand der Musiker, der sich schon länger mit alternativen Heilmethoden und Ernährung beschäftigt hatte. Doch wie groß das Feld der alternativen Medizin ist, hatte er nicht geahnt: „Ich war vorher nie bei einem Heilpraktiker“, gesteht der Kreative. So absolvierte Buldak seine Ausbildung im Schnelldurchlauf in anderthalb Jahren: „Normalerweise sind drei Jahre vorgesehen, aber ich konnte nicht abwarten und habe Kurse parallel belegt“, berichtet der ehemalige Schüler der Thalamus-Schule in Mainz-Heidesheim. Und weil der Musikproduzent die Selbstständigkeit gewohnt war, scheute sich der Neu-Heilkundler nicht davor, gleich im Anschluss an seine Prüfung beim Gesundheitsamt eine eigene Praxis zu eröffnen.

Der Darm steht im Fokus

Betritt man diese, unterscheidet sie sich im erstem Moment kaum von der Praxis eines Schulmediziners: Direkt neben der Eingangstür eine Kommode mit Infobroschüren, dann ein Schreibtisch mit PC und Stühlen für seine Patienten, dahinter eine Behandlungsliege und Schränke mit allerlei medizinischen Werkzeugen und Mitteln. Doch wer sich genauer umsieht, entdeckt an der Wand nicht nur ein Plakat, auf dem der menschliche Körper zu sehen ist, sondern auch eines mit der Abbildung eines Darms. „Fast alle psychischen Erkrankungen können auf Nährstoffmangel zurückgeführt werden“, erklärt Buldak, der sich nicht nur mit Allergien oder Stoffwechselerkrankungen beschäftigt, sondern auch mit Burn-Out, Depressionen oder komplementärer Krebstherapie. Sein erster Patient war ein dreijähriges Kind mit Epilepsie. Bei der Anamnese stellte Buldak eine Entzündung im Darm fest, weswegen die Fettsäuren nicht aufgenommen werden konnten. Die Behandlung wurde über mit dem Kinderarzt abgesprochen. „Viele Ärzte sind offen für alternative Behandlungsmethoden, es gibt teilweise einen regen Austausch“, freut sich der Heilpraktiker über die wachsende Wertschätzung seines neuen Berufsstandes.

Trotz des neuen beruflichen Standbeins begleitet Buldak die Musik auch zukünftig: „Musik hält uns im flow – das finde ich wichtig.“ Sie existiert parallel zu seiner neuen Tätigkeit – so wie der Tonstudioraum neben seiner Praxis.

http://naturheilpraxis-buldak.de/