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Die (politische) Schere im Kopf der Vereine – Podiumsdiskussion zur (bedrohten) Gemeinnützigkeit

Wie politisch dürfen Vereine und Organisationen in Deutschland sein und agieren, ohne ihre Gemeinnützigkeit zu verlieren? Seit Februar 2019 nur noch sehr eingeschränkt. Denn seitdem gilt das sogenannte „Attac-Urteil“ des Bundesfinanzhofs, in dem dem globalisierungskritischen Verein Attac nach siebenjährigem Rechtsstreit durch mehrere Instanzen hindurch endgültig die Gemeinnützigkeit aberkannt wurde. Nun hat das Bürgerkolleg Wiesbaden eine hochkarätig besetzte Podiumsdiskussion zu diesem Thema organisiert. Alle Interessierten sind am Dienstag, dem 19. November, um 18.30 Uhr im  Roncalli-Haus (Großer Saal), Friedrichstraße 26, willkommen.

„Aktuell wird von den Finanzministern der Länder und des Bundes eine Reform des Gemeinnützigkeitsrechts vorbereitet, über die bislang fast nichts bekannt ist (außer ein paar Schlagzeilen zu Scholz und Männervereinen)“, heißt es in der Ankündigung: „Auf dieser Veranstaltung versuchen wir unter anderem herauszufinden, was geplant wird und wie der Stand ist.“
Auf dem Podium informieren und diskutieren:
  • CDU: Prof. Dr. R. Alexander Lorz (Hessischer Kultusminister)
  • FDP: Marion Schardt-Sauer (Finanzpolitische Sprecherin der hess. Landtagsfraktion)
  • Bündnis90/ Die Grünen: Miriam Dahlke (Sprecherin für Europa, Finanzen und Haushaltskontrolle der hess. Landtagsfraktion)
  • SPD: Marius Weiß (Stellv. Fraktionsvorsitzender, haushalts- und finanzpolitischer Sprecher der hess. Landtagsfraktion)
  • DIE LINKE: Jan Schalauske (Stellv. Fraktionsvorsitzender, Sprecher für Finanz-, Wohnungs- und Friedenspolitik der hess. Landtagsfraktion)
  • Allianz Rechtssicherheit…„: Geschäftsführer Stefan Diefenbach-Trommer
  • Experte für Gemeinnützigkeitsrecht: Prof. Dr. Sebastian Unger (Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Wirtschaftsrecht und Steuerrecht an der Ruhr-Universität Bochum)

Moderation: Kris Kunst (Mitarbeiter der Wiesbaden Stiftung, Leiter des BürgerKollegs).

Das Attac-Urteil setzt Maßstäbe und macht den Finanzämtern verbindliche Vorgaben, wie eng sie den Rahmen der Abgabenordnung (AO) generell zu interpretieren haben. Diese Vorgaben entwickeln schon jetzt ihre durchschlagende Wirkung: Zuletzte wurde dem Campact e.V. die Gemeinnützigkeit entzogen, und viele Vereine agieren nur noch mit der politischen Schere im Kopf oder bekommen Mahnbriefe aus ihrem Finanzamt, sich bitte politisch nicht zu sehr zu betätigen. Parteien fordern öffentlich den Entzug der Gemeinnützigkeit bestimmter Vereine. Auch große Organisationen wie der BUND mussten schon jahrelange Rechtsstreitigkeiten führen, um ihre Gemeinnützigkeit zu retten.

Verbände bilden Allianz

Mittlerweile haben sich als Reaktion auf diese Entwicklung über 120 Verbände und Organisationen zu einer „Allianz Rechtssicherheit für politische Willensbildung“ zusammengeschlossen, deren Geschäftsführer auch auf unserem Podium sitzen wird. Sie fordert eine Reform des Gemeinnützigkeitsrechts (insbesondere der Abgabenordnung und der entsprechenden Ausführungsbestimmung), um gemeinnützigen Organisationen grundsätzlich die politische Betätigung zu erlauben sowie weitere Zwecke als gemeinnützig anerkennen zu lassen. Die „Allianz“ erfährt hierbei aus dem Parteienspektrum Unterstützung durch Vertreter von Linkspartei und Grünen. Auf der anderen Seite sind Vertreter von CDU und FDP mit dem Attac-Urteil zufrieden und fordern sogar eine Verschärfung der Abgabenordnung.
Die Podiumsdiskussion wird durchgeführt vom BürgerKolleg und unterstützt von der Landeshauptstadt Wiesbaden (Stabsstelle Bürgerschaftliches Engagement). „Wir nehmen beide nicht Partei in dieser Auseinandersetzung, sondern sehen unsere Aufgabe darin, dieser für das Bürger-Engagement und für die Vereine so wichtigen Debatte eine Plattformzu verleihen“, betonen die Veranstalter. (dif)

1 response to “Die (politische) Schere im Kopf der Vereine – Podiumsdiskussion zur (bedrohten) Gemeinnützigkeit

  1. Unter diesen Bedingungen wie Bund, Land und Städte gerade ehrenamtliche Tätigkeiten blockieren die sich im Bereich Umwelt und Soziales einsetzen während Rechtsruck, gentrifizierung und Umweltzerstörung staatlich unbeachtet bleiben sehe ich mich gezwungen meine Ehrenämter nieder zu legen und meine Arbeit im konspirativen Untergrund weiter zu führen. Die Schere im Kopf der Vereinsvorstände existiert nicht erst seit dem Attac-Urteil, zu viele Vereine waren schon vorher auf Konformität gebürstete Fördermittelhuren.

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