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Editorial März-sensor: Da der weiße Flieder nicht mehr blüht …

Da der weiße Flieder nicht mehr blüht,

liebe sensor-Leserinnen und –Leser, kann Wiesbaden nun, gut 60 Jahre später*, getrost nach vorne schauen, wenn es um den – wievielten? – Anlauf geht, unsere Stadt als Film- und Medienstandort zu positionieren und nach vorne zu bringen.

Eine beachtliche Anzahl an teilweise international bekannten Filmfestivals hat Wiesbaden schon lange vorzuweisen, in diesem Jahr kommt mit der „Natourale“ sogar noch ein neues hinzu. Diese Festivals bringen regelmäßig Leben in die Stadt und Filme auf die Leinwand, von denen die meisten nichts zu tun haben mit den Blockbustern, die das allgemeine Kinoangebot der Landeshauptstadt prägen. Ja, aber wir haben doch das tolle Caligari und das wunderbare Murnau, höre ich Sie sagen. Das stimmt schon, keine Frage. Aber hier muss man schon sehr genau die Programme studieren und mit dem persönlichen Terminkalender abgleichen, um Filme der Wahl zu erwischen. Aber es soll hier gar nicht nur um das Angebot für Kinogänger gehen. Sondern um all die vielen, die überhaupt erst möglich machen, dass es im Kino etwas zu sehen gibt. Und von denen gibt es auch eine ganze Menge fähiger, anerkannter und gefragter Köpfe in Wiesbaden.

Dass es aber auch eine ordentliche Filmbranche in der Stadt gibt, das wurde bisher nicht gerade an die große Glocke gehängt. Bisher! Jetzt haben sich wieder ein paar Dutzend Akteure zusammengetan, um aus der Statistenrolle der öffentlichen Wahrnehmung hervorzutreten und verstärkt mit den filmspezifischen Pfunden der Stadt zu wuchern. Das Spannende daran ist, dass dies ausgerechnet  jetzt geschieht – zu einem Zeitpunkt des rasanten, fast schwindelerregenden Wandels gerade auch der Bewegtbildbranche. Eine Riesenchance, von den bisher so vergangenheitslastigen Versuchen, Wiesbadens Filmstadt-Image zu retten oder wiederzubeleben, entschlossen und konsequent auf die Zukunft zu zoomen und vielleicht hier ganz neues Potenzial, und neue Aufmerksamkeit und Bedeutung, für Film und Medien „made in Wiesbaden“ zu schaffen. Auch und gerade zusammen mit den Hochschulen. Filmstadt Wiesbaden und Hochschulstadt Wiesbaden – zwei nicht ganz einfache Positionierungsbaustellen, die in einer Doppelrolle ungeahnte Dynamik entwickeln könnten.

Spürbar ist der Wunsch zum Miteinander, wo man bisher lieber sein eigenes Ding machte. Das genau ist die Einstellung, die Neues möglich machen kann. Und was hier nun branchenintern angestrebt und versucht wird, könnte vielleicht auch als Blaupause dienen für den branchen- und spartenübergreifenden Kulturbeirat, der nun endlich in und, so ist zu hoffen, für Wiesbaden entsteht. Bis zum 13. April können Sie wählen: 12 aus 92 höchstinteressanten Kandidatinnen und Kandidaten, darunter übrigens – dazu habe ich mich nach reiflicher Überlegung entschlossen – auch mich. Alles, was Sie wissen müssen, und alle, die Sie wählen können, finden Sie unter www.wiesbaden.de/kulturbeirat . Schauen Sie mal nach, denn diese Wahl funktioniert anders als andere nicht „von alleine“. Sie müssen sich selbst aktiv um die (Brief-)Wahlunterlagen kümmern. Könnte sich aber lohnen.

Dirk Fellinghauer, sensor-Regisseur

*“`Wenn der weiße Flieder wieder blüht´ ist ein deutscher Spielfilm aus dem Jahr 1953, der zu den bekanntesten und populärsten Werken Anfang der 1950er Jahre gehört.“ (Wikipedia) Schauplatz und Drehort war Wiesbaden, zu den Darstellern gehörten Romy Schneider und Götz George.