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Editorial September-sensor: Sind wir bereit, aufzuwachen?

„Das Bestehen auf den alten Spielregeln wird den im Koma liegenden Patienten ganz einschläfern.“ (Aus einem der insgesamt 51 Bewerbungsschreiben auf die von der Landeshauptstadt Wiesbaden ausgeschriebene neue Stelle eines Citymanagers)

Sind wir bereit aufzuwachen,

liebe sensor-Leserinnen und -Leser? Aufwachen! Ein großes Thema der Stadt, ein großes Thema dieser sensor-Ausgabe. Das Titelthema der neuen sensor-Ausgabe ist die Schulbildung unserer Kinder, unserer Jugend, unserer Zukunft. Und auch hier passt, so scheint mir, die Diagnose des zitierten Citymanager-Bewerbers. Und sie lässt sich auf viele weitere Handlungs- oder aktuell Brachlandfelder unserer Stadt übertragen.

Mit Patienten wären beim Thema Schulbildung natürlich nicht die Schüler gemeint, sondern das Schulsystem. Ein Schulsystem, das oft ein Schemasystem ist, das weder Lehrern noch Schülern Raum und Freiraum einer echten Entfaltung gibt, das Potenzial blockiert und torpediert. Potenzial, das wir sicher heute und in Zukunft dringender denn je brauchen, um die Probleme und Herausforderungen unserer Zeit anzugehen mit Mut, Fantasie, Neu- und Andersdenkerei und Entschlossenheit.

Welches Potenzial in Schülern stecken kann, zeigen diese auch bei „Fridays for Future“, auch hier in Wiesbaden. Da bringen die Jungen uns, den „Alten“, etwas bei. Dass die Bewegung ansteckend ist und auf andere Generationen überspringt, zeigt auch „Extinction Rebellion“, die sogenannte „große Schwester von Fridays for Future“. Gibt es jetzt auch in Wiesbaden. Ein Paar erzählt in dieser Ausgabe, warum sie sich der Graswurzelbewegung angeschlossen haben.

Der manchmal komatöse, zumindest arg dösig wirkende Zustand unserer Stadt wurde und wird in diesem Sommer durch ganz besondere Veranstaltungen aufgemischt und aufgewirbelt. „Poesie im Park“ und „Freie Formate Festival“ etwa haben es ganz einzigartig geschafft, Menschen etwas zu geben, der Stadt etwas zu geben. Das 1. Wiesbadener Bildungsfestival wird, mit sensor als Medienpartner, vom 6. bis 8. September in Schloss Freudenberg vor Ideen und Impulsen nur so strotzen – und geht mit dem erklärten Ziel an den Start, mindestens eine konkrete Initiative auszubrüten. Ich bin dabei, und ich bin gespannt.

Wissen Sie was: Ich habe das Gefühl, Wiesbaden wacht gerade auf. Vielleicht gelten hier bald ein paar ganz neue Spielregeln.

Vielleicht sogar im Rathaus. Erste Maßnahmen für eine neue Transparenz bei der Besetzung lukrativer Bosse-Posten in städtischen Gesellschaften wurden angekündigt. Überfällige Maßnahmen. Sie können nur ein Anfang sein, und man muss gerade hier natürlich aufmerksam bleiben, welche Wirklichkeit aus wohlklingenden Worten wird. Aber immerhin. Die Richtung stimmt.

„Wiesbaden könnte Modell werden, andere Städte könnten 2030 bewundernd auf uns schauen.“ Auch dieser Satz steht in dem eingangs zitierten Citymanager-Bewerbungsschreiben. Stellen Sie sich das mal vor!

Dirk Fellinghauer, sensor-Hallowach

PS: Kunst ist eigentlich immer hellwach. Auch die junge Kunst in Wiesbaden. Nur bekommt man davon (noch) nicht so viel mit, wie man könnte und sollte. „Geht das auch in jung? Kunst in Wiesbaden: Auf der Suche nach der nächsten Generation“ – das Thema für „Der visionäre Frühschoppen“ am Sonntag, 29. September, um 12 Uhr im Walhalla im Exil. Kommen Sie vorbei. Klappt sogar, wenn Sie mal richtig ausschlafen.

(Foto: Michael Eibes