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Editorial Sommer-sensor: Zwei Stunden in der Woche Kinder ertragen zu müssen, ist wirklich eine Zumutung!

Lichtblick Walhalla? Aber nur mit adäquater personeller Ausstattung.

Zwei Nachmittagsstunden in der Woche Kinder ertragen zu müssen, ist wirklich eine Zumutung,

liebe sensor-Leser:innen, finden Sie nicht? Finde ich natürlich nicht und Sie wahrscheinlich, also hoffentlich, auch nicht. Finden aber Nachbarn einer neuen Flüchtlingsunterkunft in einem Wiesbadener Wohngebiet. Und die Verantwortlichen bei der Stadt finden, dass man um des lieben Friedens (?) willen den Kindern in dieser Flüchtlingsunterkunft die Chance nehmen muss, einmal (!) in der Woche an zwei Stunden (!) nachmittags (!) etwas Abwechslung zu erleben und sich kreativ auszuleben. Kunstkoffer – dieses geniale niederschwellige Angebot: Gestrichen!

Die Gesamt-Gemengelage rund die Unterkunft in der Lessingstraße, die unser Autor ausführlich in der Sommer-sensor-Titelstory beschreibt, will ich an dieser Stelle gar nicht be- und verurteilen. Manche Kritikpunkte mögen ihre Berechtigung haben, und es gibt ja auch wenigstens einzelne Ansätze in Richtung Dialog und Verständigung. Aber diese eine vermeintlich nebensächliche Entscheidung macht mich fassungslos, wütend und traurig. Dass ausgerechnet Kinder in sowieso schwierigen Situationen Konflikte ausbaden sollen: ein Armutszeugnis.

Andere Baustelle: Fassungslos bin (nicht nur) ich auch über eine Personalie, die in der letzten öffentlichen Kulturbeiratssitzung im Rathaus verkündet wurde: Der für ihre Stelle verantwortliche OB Gert-Uwe Mende habe Vanessa Remy eröffnet, so berichtete der Kulturbeiratsvorsitzende Ernst Szebedits, dass ihr Anfang 2025 auslaufender Vertrag der Walhalla-Projektleitung nicht verlängert werde, dass ihre Stelle eingespart werden müsse. Einen größeren Bärendienst, so scheint es mir, kann man diesem Projekt, das endlich – und auch maßgeblich dank wertvoller, kompetenter und weitblickender Arbeit von Vanessa Remy – auf insgesamt gutem und zielführendem Weg zu sein scheint, kaum erweisen.

Er erscheint abwegig, zu einem Zeitpunkt, wo es – nach der sorgsamen Erarbeitung eines Nutzungskonzepts als „living document“, das es nun mit Leben und konkreten Inhalten zu füllen gilt – ans Eingemachte und eigentlich erst richtig los geht, sich ausgerechnet von der Person wieder zu verabschieden, die elementare Vorarbeit geleistet hat, die Kontakte und Netzwerke aufgebaut hat, die als praxiserprobte Kulturmanagerin weiß, worauf es ankommt. Von einer Person, die einfach prädestiniert ist, den eingeschlagenen Weg weiter- und im besten Fall zu einem guten Abschluss zu führen.

So recht kann und mag man sich nicht vorstellen, wie diese für die Zukunft unserer Stadt und insbesondere auch der Innenstadt so elementar wichtige Arbeit fortan quasi nebenbei als eine Aufgabe von vielen aus dem Dezernatsbüro des Oberbürgermeisters heraus erledigt werden soll. Und Kulturbeiratsmitglied Dr. Helmut Müller äußerte schon in der besagten Sitzung die Befürchtung, dass die Einsparung dieser Stelle dem Projekt und damit der Stadt in der Konsequenz am Ende teu(r)er zu stehen kommen könne.

Und der einstige Stadtkämmerer hat recht: Die für die Stelle der Walhalla-Projektleitung anfallenden Kosten sind im Vergleich zum Gesamtvolumen des Walhalla-Projekts ein Minimalposten, die über die Stelle geleistete Arbeit hingegen ist im Prinzip „unbezahlbar“. Als Udo-Jürgens-Fan kommt mir bei dem Szenario dessen Liedzeile aus „Vielen Dank für die Blumen“ in den Sinn: „Wir wissen nicht, wie´s ohne Sie hier weitergehen soll, doch woll´n wir das ab nächsten Ersten mal probieren“. Und die Band Wir sind Helden liefert den Soundtrack zu der Hoffnung, dass vielleicht doch noch Wege gefunden werden, die Stelle zu erhalten: „Müssen nur wollen“.

Eine richtig gute Nachricht, um Sie nicht vollends mies gelaunt in diesen Sommer-sensor zu schicken: Wiesbaden hat ein neues Museum. Und was für ein Museum! Das Museum Reinhard Ernst (mre) hat auf der Wilhelmstraße 1 eröffnet – wir feiern es in der neuen Ausgabe auch mit einer 24-seitigen sensor-Sonderbeilage. Ein Mega-Geschenk für die Stadt ist dieses Museum und für die Kunstwelt ebenso. Und ganz besonders auch für die hier bei freiem Eintritt willkommenen Kinder übrigens, das ist der Herzenswunsch des Stifters.

Vielleicht lassen sich ja Besuche mit Kindern aus der Flüchtlingsunterkunft organisieren. Ihr Besuch in diesem großartigen Museum wäre gewiss keine Zumutung.

Haben Sie einen schönen Sommer, auch mit dieser sensor-Doppelausgabe. Der nächste gedruckte sensor kommt zum September, in der Zwischenzeit halten wir Sie online und über unsere Social Media-Kanäle – hier (Facebook), hier (Instagram), hier (X) und seit neuestem auch hier (TikTok) – auf dem Laufenden. Folgen Sie uns!?

Dirk Fellinghauer, sensor-Ruhestörer

PS: Die sensor-Praktikumsstelle wird frei ab 1. August für 3 Monate. Unser bisheriger Praktikant Musa empfiehlt Interessierten sehr, sich zu bewerben. Wenn jemanden kennen oder gar selbst interessiert sind: Nur zu! Und gerne weitersagen.

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