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„Es lohnt sich, für Träume zu kämpfen“ – Kathy Kelly im sensor-Interview zum Konzert am 19.10. in der Ringkirche

Interview Dirk Fellinghauer. Fotos Stefan Hoederath, Dirk Fellinghauer, Karo Jarecki.

Den Abschluss ihrer Tournee feiert Kathy Kelly, die „große Schwester“ der legendären Kelly Family, an diesem Samstag mit ihrem Konzert in der Wiesbadener Ringkirche. Vorher trafen wir die Sängerin, ganz um die Ecke des Auftrittsortes, in Tilly´s Café Walz am Bismarckring. Mit sensor-Chefredakteur Dirk Fellinghauer unterhielt sich die 56-jährige bestens gelaunt über die Kraft der Träume, den Zustand der Welt, über ihre engen Beziehungen zu Wiesbaden und ihre Zeit als „unbewusster“ Hippie. Die gebürtige Amerikanerin redete auch über unvermutete Kelly Family-Fans wie Iron Maiden oder Queen-Gitarrist Brian May. Und sie hat, passend zu ihrem Album, sehr viel und sehr herzhaft gelacht.

Worüber hast Du heute schon kräftig gelacht?

Über mich selbst. Ich darf das gar nicht sagen, ich habe fast ein Chaos mit meiner Bluse kreiert. Aber zum Glück ist es okay.  Jetzt brauche ich aber erst mal einen Kaffee. Dann können wir über das Lachen reden. (lacht)

Dein Album heißt „Wer lacht überlebt“. Kann man lernen, zu lachen?

Ich habe schon immer gerne gelacht, von Natur aus. Aber wenn man merkt, dass es mit Lachen besser geht, kann man es irgendwann auch einplanen (lacht).

Magst du auch gerne Witze?

In Sachen Witze bin ich ganz schlecht. Leider.

Sie zu erzählen oder sie zu verstehen?

Beides! Also so ganz kindische Witze kann ich gut verstehen, aber so komplizierte Witze: nein. Ich beneide Leute, die Witze erzählen können. Das finde ich sehr schön. Das können ein paar meiner Brüder ganz gut. Viele Musiker können das, Musiker sind gute Witzeerzähler.  In den letzten fünf, sechs Jahren habe ich ein wenig meine komödiantische Seite entdeckt – und das finde ich super.

Macht sich das auch bei deinen Konzerten bemerkbar?

Ja, schon. Ich traue mich, Sachen zu sagen, die ich früher nie gesagt hätte. Ganz spontan aus dem Bauch heraus, und plötzlich fängt das Publikum an zu lachen. Aber ich überlege mir das gar nicht vorher. Vielleicht packe ich es irgendwann einmal in ein Regiebuch.

Wobei vergeht dir das Lachen?

Wenn jemand stirbt oder krank ist. Wenn Leute sich gegenseitig weh tun oder so richtig böse miteinander sind. Wenn jemand bewusst böse ist, dann ist nicht mehr mit mir zu spaßen.

Auch der Zustand der Welt erscheint gerade kaum zum Lachen. Wie nimmst du das wahr?

Das stimmt, da gibt es wenig zu lachen. Aber umso schlimmer es mit der Gesellschaft und der Welt wird, umso mehr brauchen wir das Lachen, und umso mehr brauchen wir auch die Musik. Das sind die Sachen, aus denen die Menschen wieder positive Kraft schöpfen können. Das ist es, was uns Menschen ausmacht und wonach die Menschen sich sehnen. Es hilft, die Welt menschlicher zu machen.

Wenn alles gut läuft, ist man etwas … die Franzosen sagen „blasé“, gleichgültig. Wenn es dir aber nicht gut gehst, tust du etwas dafür, dass es dir wieder besser geht. Und dazu braucht es nicht unbedingt viel. Da kann es genügen, dass man Zeit miteinander verbringt. Mir scheint es, je mehr Reichtum wir haben, desto mehr Unsinn machen wir.

Was ist die Idee deines neuen Albums und der Tournee?

Die Tournee heißt „Meine Lieder, meine Träume“. Ich mache Musik, seitich 8 Jahre alt bin. Ich habe immer davon geträumt, viele Sachen zu machen, von denen auch viele eingetreten sind. Natürlich nicht alles. Aber ich glaube, wenn man sich traut zu träumen, erreicht man viel. Wenn du zehn Träume hast und zwei oder drei davon gehen in Erfüllung, kannst du dich sehr glücklich schätzen. Man muss auch für seine Träume kämpfen. Es lohnt sich. Träume gehen nicht immer gleich in Erfüllung. Vielleicht merkt man auch, dass für den einen oder anderen Traum die Zeit nicht die richtige ist, dann legt man ihn in die Schublade und probiert es später nochmal. Und wenn sie nicht in Erfüllung gehen, öffnen sich dafür andere Türen.

Welches waren und sind deine persönlichen Träume?

Vieles von dem, was ich jetzt mache, entspricht meinen Träumen, die ich schon vor zwanzig Jahren hatte. Beruflich, aber auch menschlich. Ich bin viel ruhiger geworden. Ich kann singen, was mir gefällt, und das gefällt dann auch meinem Publikum. Das ist eine Wahnsinns-Freiheit, die man als Künstlerin hat. Ich habe geträumt, mit Orchestern zu singen, was ich gerade auch sehr viel mache. Dafür habe ich aber auch viel gearbeitet und mich vorbereitet. Der Traum gibt einem die Kraft, das zu tun, um ihn wahr werden zu lassen.

Hast du über die Jahre gelernt, wie sich Träume besser verwirklichen lassen?

Ja, auf jeden Fall. Mein Vater war ein Riesenträumer und Visionär. Es hat mich schon immer fasziniert, wie er geträumt hat – aber mein Job war es teilweise, diese Träume in eine realistische und pragmatische Form zu bringen. Also so, dass die Träume sich nicht nur erfüllen, sondern auch geschäftlich etwas bringen, wenn man gleichzeitig die Familie ernähren muss. Ich habe gelernt: Es gibt erst mal die Vision, den Traum – und dann gibt es die Lösungen und Wege, wie man es sie nach vorne bringt. Dieser Prozess hat mich auch immer fasziniert. Man muss auch in der Lage sein, loszulassen, wenn ein Traum nicht funktioniert. Es muss nicht alles eintreten, was man sich erträumt. Man kann auch zu der Einsicht kommen, dass es der falsche Traum war oder dass er im Moment nicht passt. Als Künstler bist du dabei immer in einem kreativen Prozess und voller Neugier.

Das Konzert in Wiesbaden wird in der Ringkirche stattfinden. Ist ein solcher Ort ein besonderer für dich?

Kirchen habe ich 2001 als Auftrittsort entdeckt. Damals hat ein Mädchen Mozart-Noten über den Zaun unseres Schlosses Gymnich, geworfen und dazu geschrieben, sie wolle diese Stücke mit mir in einer Kirche singen. Wir trafen uns in der Kirche von Gymnich. Und da war ich so begeistert und fasziniert von der Akustik. Daraus ergab sich eine Einladung, im Chor mitzusingen. Ich finde einfach die Akustik und das Ambiente in Kirchen toll. Das geht es weniger um die Show, sondern viel mehr um die Musik. Mein allererster Auftritt war auch in einer Kirche, als ich ganz klein war, mit sechs Jahren.

Der „Spirit“ einer Kirche spielt für dich dabei also keine Rolle?

Ich bin ein sehr spiritueller Mensch, aber ich trage das nicht nach draußen. Ich vermittle das durch die Musik. Man sagt, singen ist zweimal Beten. Ansonsten behalte ich das aber für mich.

Verbindet dich mit Wiesbaden etwas Besonderes?

In Wiesbaden habe ich viele gute Leute und Freunde kennengelernt. Mit der Kelly Family haben wir zwei, drei Mal hier gespielt. Und unser Produktmanager, der uns in Frankfurt entdeckt hat, wohnte in Wiesbaden. Ich komme oft in euer Staatstheater, um zu proben – zur Korrepetition, mit einer russischen Pianistin, die ist sehr streng mit mir ist. Und eine amerikanische Freundin von mir singt hier in Wiesbaden am Staatstheater.

Du kommst als Solokünstlerin nach Wiesbaden, du bist aber seit dem großen Comeback auch wieder Mitglied der Kelly Family. Das sind ja wahrscheinlich sehr unterschiedliche Welten.

Die Maschinerie ist anders. Wenn wir mit der Familie auf Tour sind, da bist du mit achtzig Leuten unterwegs. Wenn ich alleine bin, sind es vielleicht sieben bis zehn Leute, das ist überschaubar.

Machst du eines von beiden lieber?

Ich habe Spaß an beidem. Wenn ich als Solistin unterwegs bin, muss ich viel mehr liefern, aber dafür ist es auch komplett mein Ambiente. Mit der Familie ist es ein eingespieltes Team, da rocken wir alle die Bühne, aber da singe ich nur drei oder vier Lieder. Solo singe ich an einem Abend vielleicht dreißig Lieder. Ich verlasse die Bühne selten unter drei Stunden. Die Arbeit als Solokünstlerin ist mir schon sehr wichtig, dabei kann ich zeigen, was in mir steckt, und das mögen die Leute.

Und in der Familie bist du nach wie vor „die große Schwester“?

Daran führt kein Weg vorbei. (lacht) Das habe ich nun auch akzeptiert. Eine Weile habe ich mich dagegen gewehrt und gesagt, nein, ich bin das nicht. Aber das Gute, wenn man es akzeptiert, ist: es wird einfacher.

Wie erklärst du dir die Unverwüstlichkeit der Kelly Family?

Wir sind einfach die eine Urkraft (lacht). Wir haben einfach alle viel Humor, das ist wirklich so. Glück gehört auch dazu, die Treue unserer Fans, mit allen Macken, die wir haben.

In diesem Sommer wurde 50 Jahre Woodstock gefeiert – was verbindest du damit?

Hippie-Sein!

Auch selbst?

Vor zwei Jahren war ich das erste Mal in San Francisco. Da gibt es diesen Bücherladen mit der ganzen Literatur über die Hippies. Ich hatte sowas nie angefasst. Ich war Hippie, ohne es zu wissen. Das hat mich wahnsinnig erschrocken, festzustellen: Du hast ein Hippieleben gelebt, ungefähr zwanzig Jahre später, Ende der Achtziger, Anfang der Neunziger. So, als hätte ich das weitergeführt, aber ohne die ganzen philosophischen Bücher.  Ich habe mal Iron Maiden getroffen oder Brian May, der Queen-Gitarrist, der mir sagte , dass er alles über uns wisse und uns bewundere. Ich glaube, sie waren einfach davon fasziniert, wie eine Familie dieses Hippie-Dasein in Europa weitergeführt hat. Das ist doch schön.

Kathy Kelly kommt zum Abschlusskonzert ihrer „Meine Lieder, meine Träume“-Tournee am Samstag, dem 19. Oktober, um 20 Uhr in die Ringkirche Wiesbaden. Es gibt noch Tickets an den bekannten Vorverkaufsstellen und an der Abendkasse. Wir verlosen 3 handsignierte Exemplare ihres ersten deutschsprachigen Albums „Wer lacht, überlebt“. Mail an losi@sensor-wiesbaden.de