Das Ende der Sommerferien ist nie eine schöne Sache. Nicht wenige denken dann: „Wenn doch immer Wochenende wäre.“ Gewöhnlich hat solch ein Traum ähnlich hohe Erfolgsaussichten wie zum Beispiel Wünsche wie: „Dieses Mal gewinne ich aber wirklich im Lotto“ oder „Wenn ich mich nur doll genug anstrenge, kann ich mit meiner Gedankenkraft Dinge schweben lassen“. Doch dieses Jahr war es anders!
Verkündete die ESWE Verkehr doch, dass die Woche künftig nur noch aus sechs Samstagen und einem Sonntag bestehen würde – mit dem kleinen Nebeneffekt, dass die Busse dann nur in geringerer Taktung fahren müssen. Leider blieb das Wiesbadener Wochenende der ESWE Verkehr auf diese beschränkt, und die Woche beginnt überall sonst weiterhin am Montag und endet mit dem Sonntag am siebten Wochentag. Da jetzt aber weniger Busse fuhren, waren die verbliebenen deutlich voller. Busfahrten in Wiesbaden wurden noch ein bisschen mehr zum Abenteuer.
Aber mal Spaß beiseite. Es ist ein riesiges Trauerspiel, dass der Verkehrsbetrieb der hessischen Landeshauptstadt seinen Fahrplan zusammenstreichen muss, weil ihm die Fahrer:innen ausgegangen sind. Ich weiß nicht, wie sehr schlechte Arbeitsbedingungen, ein vergiftetes Betriebsklima und die Lohnhöhe eine Rolle für den Mangel an Fahrpersonal spielen. Aber da Verkehrsbetriebe in anderen Städten mit ähnlichen Schwierigkeiten zu kämpfen haben, scheint es nicht nur an Wiesbadener Verhältnissen zu liegen, sondern ein bundesweiter Trend zu sein. Und die Verkehrsbetriebe sind nicht allein.
Der Fachkräftemangel betrifft mittlerweile viele Branchen. Egal ob in der Pflege, in der Gastronomie, der Veranstaltungsbranche, Handwerk oder der Industrie: den Betrieben und Firmen fällt es immer schwerer, ihre offenen Stellen zu besetzen.
Mitte der 1990er-Jahre hörte ich im Gemeinschaftskundeunterricht zum ersten Mal vom demografischen Wandel in Deutschland. Schon damals war klar, dass ab den 2020er-Jahren die bevölkerungsreichen Jahrgänge, die „Babyboomer“, in Rente gehen werden. Und es war klar, dass dann ein großer Arbeitskräftemangel herrschen wird, wenn keine Gegenmaßnahmen ergriffen werden.
Auf solche hat die Politik weitgehend verzichtet. Es gab ein wenig Familienförderung, und das Kindergeld wurde erhöht, Einfluss auf die Geburtenrate hatte dies jedoch nicht. Andere zaghafte Initiativen, um ausländische Fachkräfte anzuwerben, wurden von konservativer Seite direkt mit populistischen Kampagnen bekämpft. Stichwort: „Kinder statt Inder.“
Jetzt haben wir den Salat. Der Personalmangel wird uns die nächsten Jahre begleiten, das Sieben-Tage-Wochenende wird wohl häufiger Anwendung finden.
Mehr Falk Fatal: “Saure Äppler im Nizza des Nordens – 100 sensor-Kolumnen”, frisch erschienen zum 10 Jahre – 100 Ausgaben sensor-Jubiläum bei Edition subkultur, ISBN: 978-3-948949-24-2