Ich hasse umziehen. Ich hasse es mit jeder Faser meines Körpers. Nicht, dass ich keine Veränderungen mag. Neue Wohnung, neues Viertel, neuer Lebensabschnitt. Toll. Da kann ich gut mit. Doch bis man soweit ist, dass man die richtige Stelle für das Colt Seavers-Poster suchen, die Schallplatten fein säuberlich nach Erscheinungsjahr im Regal sortieren und sich nach getaner Arbeit im Ohrensessel vor dem Kamin bei einem Glas Cognac niederlassen kann – bis man soweit ist, vergeht ein erbarmungsloser Kampf.
Es geht schon mit der Suche nach dem neuen Domizil los. Nicht zu klein, nicht zu teuer, im richtigen Viertel und natürlich provisionsfrei soll es sein. Wendet man diese Kriterien an, verkleinert sich die Zahl der Wohnungen, die wöchentlich im Immobilienteil der Tageszeitung zu finden sind, auf eine Handvoll – wenn es gut läuft.
Der Besichtigungstermin. Meist eine Massenabfertigung. Zwanzig, dreißig, manchmal auch mehr Personen scharen schon mit den Hufen und warten auf den Vermieter. So bleibt Zeit, den Feind mit grimmigem Blick zu mustern. Doch selbst wenn unter den Konkurrenten ein sympathisches Gesicht dabei ist und man unter anderen Umständen vielleicht einen Kaffee zusammentrinken würde – jetzt bloß keine Gefühle zeigen! Man ist schließlich im Krieg! Dann die Wohnungen selbst. Die Annoncen versprechen meist mehr Schein als Sein. Aber man lernt auch dazu.
So weiß ich seit einigen Wochen endlich, was eine Durchgangswohnung ist. Eine ehemalige 5-Zimmer-Wohnung, deren hinterer Teil eine eigene Wohnungstür bekommen hat und hinter der jetzt „eine ganz liebe, ältere Frau“ wohnt. Lieb wird sie schon sein, bloß wenn sie in ihre Wohnung will, muss sie dennoch durch den vorderen Teil laufen. Das Verständnis von Privatsphäre mag sich durch Facebook und Co. gewandelt haben, ich will trotzdem nicht, dass die Frau durch meine Wohnung schlurft.
Ist die Residenz Fatal endlich gefunden (natürlich nicht über eine Anzeige, sondern über Tipps von Freunden), geht der Kampf weiter. In der linken Ringecke: Nostalgie. In der rechten Ecke: der Wunsch nach wenig Gepäck. „And now Ladies and Gentlemen: Get ready to rumble!“ Leider gewinnt bei mir meist die Nostalgie.
Der Tag des Umzugs. Banges Warten. Kommen wirklich alle Umzugshelfer? Verpennt auch keiner? Ich hasse es! Das Ächzen und Stöhnen, wenn man dann die sperrige Couch die fünf Stockwerke nach unten schleppt, sind da fast schon angenehm im Vergleich zu dem seelischen Stress, den ich mir die Wochen davor gebe. Doch jetzt bin ich endlich umgezogen, sitze in meinem Ohrensessel. Im Kamin prasselt das Feuer und ich genieße meinen Cognac. Alle Kisten sind ausgepackt. Bis auf eine. Die steht jetzt im Keller. Um die kümmere ich mich dann später – beim nächsten Umzug.
Illustration: Marc „King Low“ Hegemann