Von Dirk Fellinghauer. Fotos IHK, Arne Landwehr, Dirk Fellinghauer.
Der Wiesbadener SPD ist ihr Oberbürgermeister-Kandidat abhanden gekommen, der Landeshauptstadt Wiesbaden kommt – auch wenn inzwischen eine „Wir für Sven“-Facebook-Seite den Rückzug am liebsten rückgängig machen würde -, ihr Oberbürgermeister Sven Gerich abhanden. Wer könnte ihn ersetzen? Als Kandidat? Als OB? Die Wiesbadener SPD bringt heute eine Findungskommission an den Start. Sie wäre gut beraten, nichts zu überstürzen und die kurze Zeit, die bleibt, wirklich zu nutzen, um ganz in Ruhe zu überlegen, wer am besten passt. Ein guter Rat wäre, die Gunst der Stunde zu nutzen, um (anders als zum Beispiel die Wiesbadener Grünen, die wieder Christiane Hinninger ins Rennen schicken) wirklich mal ganz neu zu denken. Nur Mut, SPD! Wir hätten da ein paar Ideen – für die SPD, oder ansonsten – sollte die SPD selbst nicht „zuschlagen“ – auch als unabhängige OB-Kandidaten …
„Nur Mut, SPD“ mag man den Genossinnen und Genossen unserer Landeshauptstadt zurufen. Vielleicht schaffen sie es ja, aus der zunächst verfahrenen Situation eine/n abgefahrene/n Bewerber/in hervorzuzaubern – und, nachdem und obwohl sie Sven Gerich los sind, doch noch das große Los zu ziehen. Vielleicht, in dem sie einfach mal die übliche Arithmetik und scheinbare Automatismen über Bord werfen und von Grund auf neu und anders – und eben mutig – denken. Zwar schwirren sich aufdrängende Namen durch den Raum – Sozialdezernent und Gerich-Kumpel Christoph Manjura, Stadtkämmerer und Kulturdezernent Axel Imholz, der doppelte Bundestagskandidat und Ober-Fastnachter Simon Rottloff oder die letzten Landtagskandidaten Patricia Eck und Dennis Volk-Borowski (der auch SPD-Vorsitzender ist), außerdem von der Hessen-SPD Nancy Faeser oder Gert-Uwe Mende. Keine Frage: Sicher hätte die oder der eine oder andere aus dieser Riege auch durchaus das Zeug dazu, es zu machen.
Gerade ein Amt wie das des Oberbürgermeisters ist aber auch prädestiniert, es mal nicht in den üblichen Parteifarben zu „denken“. Und gerade die aktuelle „Jeder gegen jeden“-Situation im Wiesbadener Rathaus, die bei der Wählerschaft zu gefährlichem Verdruss und Verdrossenheit führen kann, kann die Chance sein, mal etwas anderes zu wagen – die Wählerschaft sozusagen positiv zu überraschen mit wirklich neuen Ideen und Köpfen und vielleicht gar jene an die Urne zu locken, die bisher eher nicht auf die Idee kamen, wählen zu gehen.
Mit „Wow“-Effekt: Beispiele aus anderen Städten
Auf der Suche nach Inspiration können sich Blicke aus der Stadt hinaus lohnen. Ganz aktuell der Blick nach Mainz zum Beispiel. Hier hat die CDU gerade mit dem Parteilosen Nino Haase als OB-Kandidaten für einen Wow-Effekt gesorgt. Interessant auch der Blick nach Freiburg: Hier holte die SPD den Parteilosen Martin Horn aus Sindelfingen – und gewann die Wahl. In Wiesbaden sorgte 2003 Schlachthof-Mann Gerhard Schulz für ein wenig Furore, der mit unkonventionellen Ideen und einem äußerst erfrischenden Wahlkampf beachtliche 11,2% der Stimmen bekam, in manchen Wahlbezirken auch locker im Bereich der 30%-Marke unterwegs war. Und in Trebur hat vor wenigen Tagen der 32-jährige Jochen Engel (Freie Wähler) die Bürgermeisterwahl gegen Kandidaten der CDU und der SPD gewonnen – im ersten Wahlgang, mit 52,6%. In Hofheim sorgt gerade der 23-jährige parteilose Kandidat Wilhelm Otto Klaus Schultze mit seiner originellen Kandidatur, inklusive witzigem Rapvideo, für Aufsehen. Herkunft muss also ebenso wenig das entscheidende Kriterium sein wie das Parteibuch.
Wichtiger ist das Anforderungsprofil …
Die oder der ideale OB-Kandidat/in für Wiesbaden:
hat mindestens eine Idee, bestenfalls eine Vision von der Stadt – davon wo sie steht und davon, wo sie hin könnte und sollte -, ist sich aber nicht zu schade dafür, sich neben dem Großen Ganzen auch um das notwendige Kleinklein zu kümmern,
ist seriös, unabhängig, verlässlich und unbestechlich, ist Macher statt Schwätzer, hat Führungsqualitäten und ist mit Autorität ausgestattet, ohne autoritär zu agieren, mindestens sympathisch, im besten Fall charismatisch, selbstbewusst, aber nicht selbstverliebt , ist „unverbraucht“, offen, vermittelnd, belastbar und durchsetzungsstark sowie zukunftsgewandt, dabei rhetorisch nicht völlig unbedarft , ehrgeizig und entschlossen, wiesbadenverliebt und weltoffen, integrierend, inspiriert und inspirierend, Brücken bauend, glaubwürdig, authentisch und berechenbar, bürgernah und kritikfähig,
und hat das Zeug dazu, in unserer und für unsere Stadt am Scheideweg die Kurve zu kriegen – in die richtige Richtung.
Und hier sind sie, unsere Kandidatinnen und Kandidaten für die OB-Kandidatur 2019 (natürlich ohne Rücksprache mit den „Auserkorenen“), denen wir zumindest einiges, wenn nicht gleich alles zutrauen würden – sei es als „Unabhängige“ auf SPD-Ticket oder als Unabhängige ganz unabhängig:
Die Dienstbach-Zwillinge (Jennifer und Natalie): Was Venezuala (zumindest vorübergehend) kann, kann Wiesbaden vielleicht schon lange: Zwei Personen in ein und demselben Spitzenamt. Zu teuren Essen müssten sie sich nicht einladen lassen, die kochen die herausragenden Gastro-Geschwister sich einfach selber. Als Charmebolzen mit Chuzpe und Verve wären sie die perfekten Aushängeschilder für unsere Stadt. Wie plakativ ansprechend sie sind, zeigen sie derzeit in der ganzen Stadt als Gesichter der Kampagne zur IHK-Vollversammlung-Wahl (wo sie nur für die Wahl werben, aber nicht selbst antreten). Wenn es in Sachen OB-Kandidatur doch nicht klappt mit der Doppelspitze und nur eine der Beiden ins Rennen gehen kann, haben sie einen unschlagbaren Vorteil: Wird es der Gewählten mal zu viel im aufreibenden OB-Amt, lässt sie sich einfach durch ihre Zwillingsschwester vertreten. Merkt so schnell eh keiner.
Thomas Götzfried: Erfolgsunternehmer, Visionär, Kunst- und Kulturfreund, Marathonmann, Dalai Lama-Kumpel. Dürfte (mindestens) Millionär sein – und damit absolut unabhängig und komplett immun gegen krumme Dinger (ähm, diesen Satz streichen wir direkt wieder – Herr Schüler soll schließlich ebenfalls Millionär sein … aber trotzdem: Herr Götzfried wäre nie für schmutzige Geschäfte zu haben, da sind wir uns einfach mal sicher).
Prof. Dr. Detlev Reymann. Hochschul-Präsident, cooler Typ, scheut sich nicht vor klaren Worten, hat schon einiges durchgesetzt in der Stadt. Hat den Satz geprägt, der die manchmal allzu stoische Rückwärtsgewandtheit vieler Wiesbadener auf den Punkt bringt: „Der Kaiser kommt nicht mehr zum Baden“. Das ist genau die Botschaft, die unsere Stadt nach vorne bringt. Und Hochschul-Spirit- und -Stärkung ist sowieso genau das, was Wiesbaden braucht. Ideen vor!
Fabian Fauth: Hat mit dem Gründerzentrum Startwerk bewiesen, dass er Ideen nicht nur entwickeln und äußern (zum Beispiel auf dem Podium beim Visionären Frühschoppen), sondern auch umsetzen kann. Gerade erst kürzlich hat der Mann, dem neben dem Startwerk noch eine PR-Agentur gehört, intensiv Politluft eingeatmet: In seinem Startwerk an der Äppelallee wurden die schwarz-grünen Koalitionsverhandlungen der neuen Landesregierung geführt und besiegelt.
Gordon Bonnet: Wurde bedauerlicherweise nicht zum Nachfolger des ausscheidenden IHK-Hauptgeschäftsführers Joachim Nolde auserkoren und ist zum Jahreswechsel ganz aus der IHK ausgeschieden. Er ist also völlig frei für eine neue Aufgabe – und er hätte das Format dazu und ist auch mit einer ordentlichen Ladung Ehrgeiz ausgestattet. Als langjähriger Geschäftsführer der IHK Wiesbaden schaffte er stets offen, neugierig und hervorragend in alle Richtungen vernetzt den Spagat zwischen einer doch recht steifen Institution und dem „coolen“ Wiesbaden.
Bledion Vladi: Kam mit der großen Flüchtlingswelle 2015 aus Albanien nach Deutschland und hat hier entschlossen und rasant „Karriere“ als „Musterbeispiel für Integration“ gemacht. Er studiert Digital Business Management an der accadis Hochschule, gibt Deutschkurse, arbeitet in Wiesbaden für MasterPeace, hat mit Kristine Tauch (Foto) ein Sozialunternehmen gegründet und das Buch „Warum wir hier sind“ mit herausgegeben. Und: Er hat bisher so ziemlich alle, die ihm begegnet sind, mit seiner ansteckenden Fröhlichkeit in den Bann gezogen.
Linda Zimmermann: Eine der Coolsten unserer Stadt. Sie weiß, was sie will. Sie weiß, wie man´s macht. Ihr „Heaven“ ist der Szene-Hotspot unserer Stadt, hier fließen nicht nur Drinks in Strömen, hier sprudeln auch die guten Ideen. Heiß auf heißen Scheiß? Auf zu Linda! Linda als Chefin der Stadt im OB-Büro? Mit „Speed Metal“-Sticker auf der Dienstlimousine und klarem Kopf für ehrgeizige Projekte? Himmlische Vorstellung!
Michael Volkmer: Verbindet big business mit big issues. Mit seiner Werbeagentur Scholz & Volkmer arbeitet er für große Kunden wie Coca-Cola, der Stadt Wiesbaden hilft er mit Kampagnen und Aktionen ordentlich in Sachen Nachhaltigkeit auf die Sprünge und schafft es spätestens mit der jährlichen see Conference, Wiesbaden auch bundes- bis europaweit als Kreativstandort zu auf die Landkarte zu hieven. Mit dem Verein „Bilder der Zukunft“ macht er ein besseres Morgen sichtbar – und denkbar.
Sebastian Schulz: Zeigt als Spross der Betreiber des altehrwürdigen und ein wenig angestaubten Café Maldaner mit seiner hippen Stadtrösterei „Maldaner Coffee Roasters“, wie abgefahren sich Tradition und Zukunft verbinden lassen, interessiert sich auch brennend für gesellschaftliche Themen und gibt diesen Raum. Und auch er ist ein Sympathiebolzen erster Güte.
Dominik Hofmann: Sicher einer der Ersten, der in den Sinn kommt. Ein echter Stadtbeweger und -Vorwärtsbringer. Mit dem heimathafen hat er einen Ort geschaffen, der so gut ankommt und zusammenbringt, dass er aus allen Nähten platzt. Und mit dem „Alten Gericht“ einen Ort in der Mache, der für Wiesbaden zum dringend benötigten Quantensprung in Richtung Zukunft werden könnte. Und er hat und verkörpert Werte, die heute leider nicht mehr selbstverständlich sind, die aber für die Führung einer Stadt Gold wert sind. In Sachen OB-Kandidatur hat er (nach einem entsprechenden Kommentar zum Gerich-Rückzug auf der sensor-Facebook-Seite) zwar schon abgewunken, mit den weisen Worten: „Danke, aber ich bin mir sicher, dass ich der Stadt in einer anderen Rolle besser dienen kann.“ Aber ein Dementi kann ja bekanntlich auch die Vorstufe zur Bestätigung sein.
Petra Langenstein: Vielfach engagierte und verbindende gute Seele, herzensgut und supercool. Baut ohne Berührungsängste total charmant Brücken zwischen Halbhöhenlage und sozialen Brennpunkten.
Giang Vu: Agiert politisch so visionär und idealistisch wie pragmatisch und ist mit einigen politischen Wassern gewaschen, sei es als Ortsbeiratsmitglied im Westend oder als Fraktionsreferent im Rathaus. Hat den Verein „WisaWi – Wiesbadener sagen Willkommen“ mitbegründet und geleitet und hat einst beim Visionären Frühschoppen im Walhalla-Spiegelsaal eine beeindruckende und viel beachtete „Das Grundgesetz sind wir alle“-Rede gehalten.
Andrea Wink: Kloppenheimerin, Wiesbadenerin, Weltbürgerin. Verantwortet mit dem „Exground“ eines der Wiesbadener Filmfestivals, kennt Gott und die Welt und weiß auch, wie Gremien „gehen“. Könnte garantiert auch eine Hauptrolle im Wiesbaden-„Film“ souverän ausfüllen.
Karoline Deissner: Die Engagement-Maschine unserer Stadt. Organisiert mit Herzblut, Charme und bemerkenswerter Energie die Reihe „Wiesbaden engagiert“, ist ansteckend begeisternd, vernetzt in die Welt der Vereine und Initiativen und der Unternehmen und kennt dabei auch die Stadtverwaltung von innen.
Irgendjemand vom Schlachthof: Das Kulturzentrum von Wiesbaden, das beharrlich und souverän den Weg vom „Schmuddelkind“ zum Aushängeschild der Stadt geschafft hat, sollte natürlich immer das Zeug dazu haben, jemanden aus ihren Reihen ins Rennen zu schicken – sowie 2003 Gerhard Schulz, der damals 12,1 Prozent holte, in manchen Wahlbezirken im 30-Prozent-Bereich unterwegs war und in immerhin einem Wahlbezirk gar die Nase vorn hatte.
Als Joker:
Helge Gerich: Warum sollten die Gerichs nicht das machen, was die Clintons (wenn auch nicht ganz zielführend) probiert haben: ein Ehepartner aus dem Amt, kandidiert halt der andere. Helge hat über die Jahre sicher von Sven einiges zum Thema Oberbürgermeister gelernt, Führungsverantwortung hat er als 1. Vorsitzender eines Wiesbadener Kleingartenvereins übernommen, städtische Gesellschaften kennt er zumindest als Angestellter – und Strahlen und Repräsentieren kann er mindestens genauso wie sein Gatte und Noch-Amtsinhaber (unser Beweisfoto zeigt ihn beim Besuch von Bundespräsident Steinmeier auf der Rathaustreppe).
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Im Ernst: Die Oberbürgermeister-Wahl findet am 26. Mai 2019, zeitgleich mit der Europawahl, statt. Bisher offiziell nominierte Kandidaten sind Eberhard Seidensticker (CDU), Christiane Hinninger (Grüne), Ingo von Seemen (Linke/Piraten), Sebastian Rutten (FDP). Wahlvorschläge – ob durch Parteien oder unabhängige Einzelkandidatinnen und -kandidaten – können bis Montag, 18. März, 18 Uhr, eingereicht werden.
WAS DENKT IHR? JEMAND PASSENDES DABEI? ODER HABT IHR NOCH ANDERE IDEEN, WER ALS OB-KANDIDAT*IN ANTRETEN KÖNNTE? VORSCHLÄGE EINFACH HIER ALS KOMMENTAR, PER MAIL AN hallo@sensor-wiesbaden.de, BETREFF „WISUSUOB“ ODER IN DEN SOZIALEN NETZWERKEN MIT DEM HASHTAG #wisusuob
Mir fehlt eine Person, die radikal im Denken, satirisch im Sprachgebrauch und analytisch-pragmatisch in der Umsetzung ist. Am liebsten noch mit Scheuklappen für das Thema „Radverkehr“.
So ein Pi-Rad fehlte mir einfach.