Von Anja Baumgart-Pietsch. Fotos Kai Pelka.
„Ich mache das mit leuchtenden Augen“ – kann man seinem Beruf ein schöneres Kompliment machen? Das sagt Marcus Wenig, Inhaber des hippen Weinladens „Glyg“ im Rheingauviertel: Er hat hier buchstäblich sein „Glück“ gefunden, auch wenn er es anders buchstabiert. „Mir hat einfach die grafische Form der Buchstaben GLYG gefallen“, sagt der unkonventionelle Weinfachmann, der über mehrere Stationen zu einem solchen geworden ist. Wenig stammt aus Aschaffenburg, was man am fränkisch rollenden R noch gut hört, machte eine erste Ausbildung zum Schreiner, studierte dann in Wiesbaden Kommunikationsdesign und arbeitete als Werber und Mitinhaber einer bekannten Agentur.
Schon als Werber Kontakt zu Winzern
„Schon damals hatte ich viele Kontakte zu Winzern“, berichtet er. Irgendwann reifte der Entschluss, sich aus der Werbebranche abzuseilen und mit einem Laden für „deutsche flüssige Genussartikel“ selbstständig zu machen. „Weinläden, so wie ich sie mir vorstelle, gab es in Wiesbaden nicht“, sagt Wenig: mit einem Sortiment aus deutschen Weinen, jung, frisch und frech präsentiert, außerdem nicht als reinen Kaufort, sondern als Treffpunkt. Das hat er mit seinem „Glyg“, eröffnet im Frühjahr 2018, jetzt erreicht.
Als gleichberechtigter Mitmieter im Hofladen im Rheingauviertel ist an der Ecke Marcobrunnerstraße direkt hinter der Ringkirche eine tolle Synergie entstanden. Jetzt kann man nicht mehr nur Obst, Eier, Nudeln oder Marmelade im „Laden am Eck“ einkaufen, sondern eben auch Wein, Gin, andere ausgesuchte Spirituosen und alkoholfreie „flüssige Genussartikel“. Und ein Treffpunkt ist in dem Laden tatsächlich entstanden. Marcus Wenig konnte sowohl seine Schreiner- als auch seine Werberkompetenz nutzen: An einem langen, selbst entworfenen Holztisch finden regelmäßig Veranstaltungen statt, und mit einer locker-flockigen Werbekampagne mit „Glygs-Momenten“ und „Glygs-Gefühlen“ macht er sich nach und nach bekannt.
Nachbarschaftstreff mit persönlichen Verbindungen
„Im Rheingauviertel ist das schon ein richtiger Nachbarschaftstreff geworden“, freut er sich. Auch im Westend spricht sich herum, was man hier findet. „Im restlichen Wiesbaden bin ich noch nicht so bekannt.“ Aber das könnte sich ändern, wenn manch einer herausfindet, welch spannendes Sortiment hier zu haben ist. „Jedes meiner Weingüter kenne ich persönlich“ versichert Wenig. Schwerpunkte liegen im Rheingau, Rheinhessen und der Pfalz, aber es sind auch andere deutsche Weinbaugebiete vertreten. Und schon allein die kreativen Etiketten und Namen der Weine machen Lust, sich genauer umzusehen.
Da gibt es vom Weingut „Karl May“ einen Wein namens „Blutsbrüder“, im Regal stehen Flaschen der „Weinschwestern“ aus Baden-Württemberg namens „Wanderlust“ oder „Jungle Drum“. Ein Winzer „Hörner“ nutzt seinen Namen, um die Etiketten mit Hörnern von Steinböcken oder Stieren zu verzieren, einer namens „Metzger“ nennt seine Weine nach Teilen vom Schwein. Und erst die Gin-Spezialitäten: Da sind Namens- und Etikettengestaltung fast noch kreativer. Der Auftritt gehört dazu, das ist mittlerweile jedem klar.
Spaß statt Sommelier-Gedöns
Gerade bei Wein müssen Jüngere aktiv angesprochen werden, und Marcus Wenig kriegt das prima hin, denn er spart sich alles prätentiöse Sommelier-Gedöns und sagt einfach: „Es muss Spaß machen.“ Lockere Fachsimpeleien schließt das freilich nicht aus. Seine Weinproben finden regelmäßig im Laden statt, heißen „Wein Speed Dating“ oder „Betreutes Trinken“, die Gin-Proben „Gib deinem Leben einen Gin“ oder „Nach uns die Ginflut“. Für diese Termine muss man sich anmelden, einfach reinschauen kann man mittwochs ab 18 Uhr zur „Open bottle“, bei der sich längst wahre Menschentrauben um den Eckladen scharen, oder freitags zum „After Work Wine“ ab 15 Uhr. Die Öffnungszeiten sind so, „dass man auch abends einfach mal einen gekühlten Wein zum Grillen mitnehmen kann“.
Präsent über den Laden hinaus
Auch an anderen Veranstaltungen beteiligt sich Marcus Wenig mit seinen beiden Mitarbeitern – Studenten an der Hochschule Geisenheim – immer gerne. In diesem Sommer bespielte er zeitgleich das Wakker-Festival am Wallufer Platz und das Museum Wiesbaden-Sommerfest. Eine Wein“wanderung“ durch Wiesbaden, nach Rheingauer Vorbild, gab es unter seiner Regie auch schon. Die führte zum Beispiel auch zum von ihm belieferten „Riesling im Hindukusch“ am Sedanplatz. Eine hippe Wein-Szene ist also im Wiesbaden gerade in der Entwicklung, und vielleicht entdeckt dadurch auch die jüngere Generation die leckere Spezialität unserer Region: Marcus Wenigs „leuchtende Augen“ haben da jedenfalls einen echten Anteil dran.