Von Anja Baumgart-Pietsch. Fotos: Goldacker.
Der Name klingt, als habe ihn sich eine hochbezahlte Agentur ausgedacht. Aber das ist einfach der Gemarkungsname zwischen Bierstadt und Igstadt: „Goldacker“. So heißt das landwirtschaftliche Startup der beiden „Jungbauern“ Frederik Schleunes und Marcel Krzanowski. Die zwei Jungs haben bei unserem Besuch gerade die zweite Erntewoche hinter sich.
Im Schuppen eines benachbarten Pferdehofs – genauer wollen sie es für Außenstehende wohlweislich nicht beschreiben – stehen an zwei Tagen der Woche für die Abonnenten ihrer Gemüsekiste die grünen Behälter mit frischer Ernte bereit. Zum Zeitpunkt des sensor-Besuchs am Saisonbeginn sind hauptsächlich Salate und Radieschen drin: Aber nicht nur die üblichen grünen Salatköpfe, sondern auch Rucola oder die scharfen Asia-Salatblätter.
In die Kiste kommt, was gerade wächst
Die Idee dieser solidarischen Landwirtschaft ist, dass sich die Kund:innen einmal pro Woche ihre Gemüsekiste abholen. Für die Saison zahlt man einen Pauschalbetrag – normal, ermäßigt oder solidarisch, rund 17,50 Euro pro Woche. Je nachdem, was gerade wächst, wird die Kiste gefüllt. Bis zum Herbst, wenn die letzten Kohlköpfe reifen. Das Ganze also sehr regional und saisonal – und im Prinzip auch „bio“, auch wenn das Zertifikat fehlt.
„Wir arbeiten mit den Händen, mit möglichst wenig Maschineneinsatz, ohne Kunstdünger, ohne Pestizide“, fasst Marcel Krzanowski zusammen. Gegen Schnecken, die übelsten Feinde aller Blattgemüse, kommen demnächst fünf Laufente“. Hundert „glückliche“ braune Hühner sind schon da und rennen schnell zum Zaun, als sich ihre beiden Besitzer nähern.
Glückliche Hühner und nützliche Skills
Ein „Eier-Abo“ gibt es auch. Die Hühner haben einen Mobilstall, der über den 1,1 Hektar großen Acker wandern wird. Alles selbst gebaut: Die beiden Jungbauern haben einige Skills aus ihren vorherigen Berufen mitgebracht. Marcel arbeitete in einem Architekturbüro und kann deswegen Dinge bauen – wie zum Beispiel den Mobilstall, der aus Elementen eines ausgedienten Dachstuhls entstand. Frederik kommt aus der Finanzbranche und hat daher solide betriebswirtschaftliche und Marketing-Kenntnisse.
Beide haben sich auf die Selbstständigkeit in der Landwirtschaft, aber auch durch Tätigkeiten in entsprechenden Betrieben, vorbereitet. Und obwohl sie so wirken, als seien sie schon jahrzehntelange Freunde, haben sie sich tatsächlich erst bei „Goldacker“ richtig kennen gelernt: „Wir kannten uns von ganz früher, vom Handball. Aber wir fanden erst bei der Gelegenheit zusammen, als wir beide unabhängig voneinander die gleiche Geschäftsidee hatten.“
Klein angefangen, gleich eingeschlagen
Frederik und Marcel haben sichtlich Spaß daran, ihre Beete gemeinsam zu bestellen. In Reih und Glied reifen schon die nächsten Gemüsesorten auf dem gepachteten Acker. In einem großen Gewächshaus warteten Tomaten und Paprika die Eisheiligen ab. Die Anbaufläche auf dem gepachteten Land ist noch erweiterbar, die beiden wollten erstmal klein anfangen – und das habe gleich eingeschlagen, freuen sie sich: „Wir haben ganz konventionelle Werbung gemacht, Flyer in der Gegend verteilt und in Geschäften ausgelegt, die Presse angesprochen. Das hat prima Interesse geweckt.“
Mit findigen Lösungen können die beiden auch sehr effizient arbeiten, zum Beispiel wird konsequent gemulcht, was den Vorteil hat, dass die Feuchtigkeit gut im Boden bleibt. Noch wird von Hand aus dem eigenhändig gebohrten Brunnen bewässert, doch eine Tropfbewässerung ist geplant. Auch ein koreanisches Aussaatgerät, das über die Beete gerollt wird und das Saatgut im richtigen Abstand in die Erde bringt, haben die beiden.
Ackern im Alleingang
Viele kreative Lösungen, denen man ansieht, dass das Tüfteln daran Spaß gemacht hat, sind in diesem Garten vertreten. Ein Elektrozaun sorgt dafür, dass ungebetene Gäste ferngehalten werden. Eigentlich fehlt nur noch ein Bänkchen, um den Sonnenuntergang und die durcheinanderwuselnden Hühner zu genießen. „Dafür fehlt uns noch die Zeit“, sagt Frederik lachend. Denn die Beiden machen bis jetzt alles im Alleingang, was durchaus anstrengend ist. Aber die Zufriedenheit beim „Ackern“ macht es wett, und die Zufriedenheit der Kundschaft, mit denen man später auch Sommer-, Erntedank – und andere Feste feiern will, sowieso. Zurzeit muss man sich auf eine Warteliste setzen lassen, wenn man „Goldacker“-Teilhaber werden will. Aber die nächste Saison kommt bestimmt.