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Herzensangelegenheit mit Transparenzgebot: SEG-Chef Stöcklin plant mit seiner Frau Kita-Neubau im Westend

Von Dirk Fellinghauer. Bilder BAI Planung, Dirk Fellinghauer

SEG-Chef Roland Stöcklin möchte mit seiner Frau im Westend eine Kita bauen.  Wohlwissend, dass das in kommunalpolitischen Zeiten wie diesen für manche nach „Geschmäckle“ riecht. Und deshalb mit größtmöglicher Transparenz.

Mehrere Hundert Kita-Plätze fehlen im Wiesbadener Westend. An die hundert Kita-Plätze könnten in einem Hinterhof in der Hellmundstraße entstehen – wenn die Vision von Sabina Hohenner und Roland Stöcklin Wirklichkeit wird. Das Ehepaar möchte ehemalige Lagerräume in eine Kindertagesstätte verwandeln. Eine Kindertagesstätte, die nicht nur helfen könnte, den massiven Bedarf an Plätzen abzufedern. „Der besondere Charme dieser Einrichtung mitten im Quartier wäre die fußläufige Erreichbarkeit für die vielen im unmittelbaren Umkreis wohnenden Eltern“, erklären die Beiden, als sie bei einem Ortstermin ihre Ideen sensor als erstem Medium vorstellen. Und: „Die Innenhofsituation ermöglicht es, einen grünen und gleichzeitig ruhigen Außenbereich für die Kinder zu schaffen.“ Sabina Hohenner müsste dabei eigentlich gar nicht betonen, dass ihr das Projekt eine „Herzensangelegenheit“ ist. Man merkt es ihr sofort an, wenn sie strahlend erzählt, was hier entstehen könnte.

Liegenschaften mit langer (Familien-)Geschichte

Aber wie kommt man überhaupt in die Situation, ein solches Projekt auch nur „denken“ zu können? Durch die passende Familie. Nach 111 Jahren hat kurz vor Weihnachten 2018 das Traditionsgeschäft Ebert in der Wiesbadener Bleichstraße geschlossen – 1907 gegründet, aber zuletzt schon seit langem eher kleiner, nostalgischer Zweig einer großen Firmengruppe. Neben dem eigentlichen Ladengeschäft wurden auch große Lagerräume in der Hellmundstraße 13-15 von der auf Holzzuschnitt und Beschläge spezialisierten Firma genutzt.

Firmeneigner Hans- Heinrich Hohenner verkaufte letztes Jahr diese Nebenliegenschaften an seine jüngste Tochter Sabina Hohenner und deren Mann Roland Stöcklin (Foto). Das Vorderhaus, ein sichtbar in die Jahre gekommenes Wohnhaus, wird bereits grundlegend saniert. Auf der Suche nach einer geeigneten Nachnutzung für die bisherige Lagerhalle entstand die Idee, die Lagerflächen und die Hinterhäuser für eine Kindertagesstätte umzunutzen. „Wir hätten auch einfach Loft-Wohnungen oder ein Miethaus planen können oder weitaus lukrativere Tiefparker“, erzählt Roland Stöcklin, dass sie viele ganz unterschiedliche Ideen durchgegangen seien.

„Gute Projekte nicht zu machen, das kann es ja wohl auch nicht sein“

Roland Stöcklin ist nicht irgendwer in Wiesbaden, sondern, in Doppelspitze mit Andreas Guntrum, hochdotierter Geschäftsführer der Stadtentwicklungsgesellschaft SEG, also  einer der wichtigsten und einflussreichsten Gesellschaften der Stadt. Auch über ihn stand neulich in einem Bericht im Wiesbadener Kurier, dass ihm Nebentätigkeiten vertraglich zugesichert seien. Da wird man in Zeiten von Affären, Skandalen und Ungereimtheiten, die das Stadtpolitikgeschehen bestimmen, automatisch hellhörig, bei manchen schrillen die Alarmglocken. Der SEG-Chef ist sich dessen bewusst. Er hat sich gemeinsam mit seiner Frau das Vorhaben, hier als Investor tätig zu werden, gut überlegt – und kam zu dem Schluss: „Gute Projekte nicht zu machen, das kann es ja wohl auch nicht sein.“ Und so verspicht das Ehepaar größtmögliche Transparenz und will peinlich genau darauf achten, im Zuge des Projekts, für das die Beiden mit Investitionen in Höhe von „mehreren Millionen Euro“ rechnen, keinerlei SEG-verbandelte Firmen zu beauftragen.

„Hier herrscht der größte Druck in Sachen Kita-Plätze“

Für erste Skizzen wurde das Wiesbadener  Architekturbüro BAI beauftragt. Der Entwurf ist eine Mischung aus Abriss und Neubau und Bauen im Bestand, so soll das alte Kutscherhaus am Rand des Grundstücks erhalten bleiben. „Die Skizzen  zeigen, dass die Umsetzung möglich ist“, geben sich die Eigentümer optimistisch. Es könnten demnach bis zu drei  Kita-Gruppen und zwei  Krippengruppen entstehen, für  80 bis 100 Kinder. Ein möglicher Betreiber wäre Fröbel, Deutschlands größter freigemeinnütziger Kita-Träger mit besonderer Kompetenz für die besonderen sozialen Strukturen, die auch das Westend prägen. „Das zuständige Sozialdezernat der Landeshauptstadt Wiesbaden prüft derzeit die Eignung und bestätigt, dass im Bereich des inneren Westends ein extrem hoher Bedarf an zusätzlichen Krippen- und Elementargruppen besteht“, berichtet Stöcklin: „Das Westend ist der Ort in Wiesbaden mit dem meisten Druck.“

Die Eigentümerin würde sich über eine soziale Nachnutzung der Flächen freuen. Sie ist über das Familienunternehmen ihr ganzes Leben mit dem Viertel verbunden und weiß: „Was im Westend fehlt: sind grüne Innenhöfe und Platz zum Spielen. Das Westend leidet unter fehlender sozialer Infrastruktur. Hier soll die Kita eine erste Abhilfe schaffen“. Sabina Hohenner sieht in dem Projekt eine Chance für das innere Westend. „Transparent und verfahrensoffen“ bietet sie diese Möglichkeit der Landeshauptstadt Wiesbaden an: „ Die Stadtverordneten können im vollen Wissen um die Umstände entscheiden.“  Mit der Nachbarschaft im dichtbesiedelten Quartier sei man schon in regen Gesprächen und stoße auf positive Resonanz.

Frühestmögliche Eröffnung 2021

Sollte es klappen mit dem Projekt, hat Sabina Hohenner auch schon eine Idee für den Namen: „Kita Mutzel“. Im Herbst letzten Jahres ist ihre Mutter Christel nach kurzer, schwerer Krankheit verstorben. Die Mutter dreier Töchter war in der Familie immer die „Mutzel“. Mit politischen Entscheidungsprozessen, Genehmigungsverfahren und einer Baustelle, auf der möglicherweise „Überraschungen“ lauern, ist das Ganze  ein Projekt mit vielen Unbekannten. Wenn alles optimal liefe, könnte mit einer angenommenen reinen Bauzeit von eineinhalb Jahren im Sommer 2021 Eröffnung gefeiert werden.