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In dubio pro Poesie – Max Hein pendelt zwischen Elite-Uni und Poetryslam-Bühne

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Von Hannah Weiner. Fotos Katharina Dubno.

Jura-Student an der Wiesbadener Elite-Uni EBS, Poetry Slammer und frisch gekürter Gewinner des hr2-Literaturpreises – Max Hein führt ein Leben zwischen Welten. Wie schafft er es, sich dabei nicht selbst zu verlieren?

Max steht allein auf der Bühne. Alles ist dunkel. Die Anspannung ist groß. Es gibt nur ihn, das Mikrofon und den Text in seiner Hosentasche. Spotlight. „Die ersten Sekunden sind am schlimmsten“, schildert der 21-Jährige seine Auftritte als Poetry Slammer, „wenn ich einige Sätze mit sicherer Stimme hinter mich gebracht habe, macht es nur noch Spaß.“ Seit zwei Jahren nimmt Max an Dichterwettbewerben teil – mit seinen eigenen, gesellschaftskritischen Texten. Es geht um Leistungsstreben, Erfolgsdruck und Vorurteile. „Will ich davon wirklich ein Teil sein? Muss die Karriereleiter wirklich so steil sein?“, fragt er das Publikum und sich selbst. Max, dessen markante schwarz gerahmte Brille seine weichen Gesichtszügen kontrastiert, weiß wovon er spricht. Er studiert Jura an einer Hochschule, die als anspruchsvolle Eliteschmiede gilt. Die EBS Universität für Wirtschaft und Recht in Wiesbaden ist für hohe Aufnahmehürden und ein großes Arbeitspensum bekannt. Poesie hier, Paragraphen dort – nicht nur diese Welten treffen in Max’ Leben aufeinander. Gegensätze machen ihn aus. Als risikofreudig und abenteuerlustig bezeichnet sich der Jurist in spe. „Gefährlich ist egal“, rutscht ihm heraus. Andererseits ist er froh, ein „anständiges Studium“ zu haben, das ihm finanzielle Sicherheit für die Zukunft bietet.

Schreiben gegen gedankliche Verkrampfung

„Ich schreibe gegen gedankliche Verkrampfung“, sagt er. Besonders nach einem anstrengenden Tag an der Uni mit vielen trockenen Texten sei das ein wichtiger Ausgleich. Wann er mit dem Dichten anfing? Max weiß es nicht. Sehr wohl aber wieso: „Das Schreiben ist Entspannung. Es ist meine Kunst.“ Seine Kurzgeschichten oder Gedichte bringt er oft dort zu Papier, wo er mit seinen Eltern und seiner Schwester wohnt: am Rhein. Wasser spielt in seinem Leben eine große Rolle: „Da finde ich am meisten Ruhe.“ Noch zweieinhalb Jahre Studium hat Max vor sich. „Ich bin da ein bisschen reingerutscht“, gibt er zu. Schon ein Jahr vor dem Abitur hatte er den Platz plus Stipendium in der Tasche. Gerne hätte er sich eine Auszeit genommen, wie die meisten seiner Freunde. Aber das wäre „super unvernünftig“ gewesen. Jetzt wisse er die „Dynamik“ der EBS zu schätzen. Seine Kommilitonen haben ihn bei der Online-Abstimmung für den hr2-Literaturpreis 2013 unterstützt. Mit dem Text „Ein Abschiedsbrief“ hatte er sich erst gegen 634  Bewerber beim Jungen Literaturforum Hessen-Thüringen durchgesetzt. Aus zehn Erstplatzierten wurde Max vom Radiopublikum des Hessischen Rundfunks anschließend zum Gewinner des Nachwuchspreises für junge Autoren gewählt. „Das war cool“, freut er sich: „Ich bin einer, der immer gewinnen will.“ Wenn er etwas mache, dann auch richtig, stellt er selbstbewusst klar – 1,5er-Schnitt im Abiturzeugnis, Jugendtrainer im Sportverein, Fortbildung zum Schiedsrichter. Max’ Interessen sind vielseitig. Auch Kochen, Handball und Angeln, am liebsten mit dem Vater in Norwegen, gehören dazu.

Sensibel inspiriert

Die Inspiration für seine Texte findet der Student im Alltag. „Ich versuche den Gegebenheiten eine andere Facette abzugewinnen und zu sensibilisieren für Dinge, die nicht offensichtlich sind.“ Meistens folge er beim Schreiben einfach einer spontanen Emotion, einem Klang. Max scheint ihn für sich gefunden zu haben, den Mittelweg zwischen Karriere und Kunst, Bibliothek und Bühne, Paragraphen und Poesie. Gerade aus diesen Kontrasten gewinnt er Stoff für seine Texte. Trotzdem verweist der Nachwuchs-Dichter und künftige Jurist auf das Stichwort Selbstreflexion. „Ich bin eigentlich nie zufrieden“, stellt er nachdenklich fest. Wer komplett zufrieden sei, sei nicht ehrlich zu sich selbst. Wenn Max seine Texte vorträgt, schaut er seine Zuhörer aufmerksam und ein bisschen herausfordernd an. Er spricht klar und mit fester Stimme, gestikuliert ausladend: „Man wird geformt, weil man formbar ist, genormt bis die Norm da ist.“ Gemeine Norm ist Max nicht. Er sei eher ein Lebemensch und identifiziere sich nicht in erster Linie mit der Person des Jurastudenten: „Ich will nicht sagen, es sind zwei Leben, aber sehr unterschiedliche Facetten. Das miteinander in Einklang zu bringen, ist eine Herausforderung.“