Direkt zum Inhalt wechseln
|

Kolumne: Falk Fatal und die Lebensmittelverordnung

Die EU mal wieder. Da haben sich die Bürokraten in Brüssel etwas Feines ausgedacht. Seit Januar dürfen neben Mehlwürmern und Heuschrecken auch Hausgrillen und Getreideschimmelkäfer zu und in Lebensmitteln verarbeitet werden. Während ein kleiner Teil der Verbraucher dachte: „Was ist Hausgrillen? Ich kenne nur Webergrillen“, machte sich bei einem anderen Goldgräberstimmung breit. Das häusliche Ungeziefer scheint plötzlich Geld wert. So ein Silberfisch sieht doch fast aus wie ein Mehlwurm, oder?

Doch die Freude scheint verfrüht. Denn deutlich lauter auf der Richterskala des Allensbacher Demoskops ist die Fraktion Würgereiz. Die sieht sich schon am heimischen Esstisch vor einem Teller dampfender Buffalowürmer sitzen und Würgegeräusche absondern, wie Cosimo beim Anblick eines Rinder-Anus im Dschungelcamp. Oder noch höher auf der Ekelskala: Das daumendick mit Nutella bestrichene Brot wurde mit Heuschreckenmehl gebacken. Bei dem Gedanken vergeht einem wirklich der Appetit. Aber keine Angst, die heimischen Bäcker beruhigen: „In unser Brot kommt keine Grille.“ (FAZ) Dann ist ja gut.

Aber warum eigentlich? Der Getreideschimmelkäfer zum Beispiel ist ein gefährlicher Schädling, gefürchtet als Krankheitsüberträger beim Geflügel. Was ist schlimm daran, den zu essen? Der hat das wenigstens verdient! Im Gegensatz zu Schweinen zum Beispiel. Das sind intelligente, possierliche Tiere, die niedlich grunzen. Die essen wir. Kleine, hässliche und proteinreiche Käfer dagegen, die Donald Duck und seine Freunde krankmachen, die sind „Igitt“. Auf den Teller kommen nur Tiere drauf, die süß sind. Außer Hunde und Katzen natürlich. Die braucht man für Tiktok. Logisch ist das nicht. Aber so ist der Mensch. Das Bauchgefühl siegt.

Letztendlich ist der Lebensmitteleinkauf Vertrauenssache. Der Produzent kennt den Inhalt, der Verbraucher nicht. Er hat eine Vermutung und vertraut darauf, dass Acesulfam-K, Ascorbinsäure und Siliciumdioxid wirklich so bekömmlich und wohltuend sind, wie ihm die Werbung verspricht. Und keine Listeria monocytogenes im Schinken gefunden wird. Das wäre doof. Und gesundheitsgefährdend.

Klar, der mündige Verbraucher ist mit Apps ausgestattet und kann jederzeit das Smartphone zücken, um die Zutatenliste zu checken. Leider ist es mit dem mobilen Internet in manchen Supermärkten immer so eine Sache. Und wirklich unterhaltsam ist es auch nicht, wenn man vor dem Regal steht und jedes Produkt erst einmal auf künstliche Aromastoffe prüft.

Nee, da gibt es besseres zu tun. Sich beim Kellner über die Fliege in der Suppe beschweren, zum Beispiel. Die bleibt nämlich auch weiterhin eine ungeliebte Zutat – Lebensmittelverordnung hin, Lebensmittelverordnung her.

Mehr Falk Fatal: “Saure Äppler im Nizza des Nordens – 100 sensor-Kolumnen”, Edition subkultur, ISBN: 978-3-948949-24-2