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Korbjagd hinter Gittern – Basketballprojekt in der JVA

Von Falk Sinß. Fotos Heinrich Völkel und Andrea Diefenbach.

Ein Basketballprojekt bringt Abwechslung in den Alltag der JVA Wiesbaden – und soll den jungen Häftlingen in Sachen Fairness und Respekt auf die Sprünge helfen.

 „Pass rüber!“, ruft Mehmet. Einen Sekundenbruchteil später umgreifen seine massigen Hände den Basketball. Mit einer geschickten Körpertäuschung löst er sich von seinem Gegner und zieht Richtung Korb, springt ab und setzt zu einem Korbleger an. Doch der Ball springt zurück ins Feld. „Rebound, Rebound“, brüllt Charles, der für das andere Team spielt. Sein Mannschaftskamerad Aleks ergattert den Ball, wirft einen langen Pass über einen Gegenspieler hinweg auf Altan, der den Ball souverän versenkt. „Gut gemacht Jungs“, ruft Trainer Sven Labenz vom Spielfeldrand. Und schon quietschen  wieder die Sohlen auf dem PVC-Belag der Mehrzwecksporthalle.

Ganz normales Training – eigentlich

„Eigentlich ist das hier nicht anders als bei einem normalen Training“, sagt Labenz, der es wissen muss. Gewöhnlich betreut er die Damen-Oberliga-Mannschaft der TSG Heidesheim und ist Basketball-Chef bei der DJK Nieder-Olm. Doch das Training hier ist kein normales Training. Der Weg zu seinen Schützlingen führt ihn über eine bewachte Eingangsschleuse, an der er unter strengen Blicken Handy und Ausweis abgeben muss, durch diverse Türen und Tore, die erst nach Prüfung geöffnet werden, und – umgeben von Mauern mit Stacheldraht – vorbei an einem Wachturm und Gebäuden mit vergitterten Fenstern. Die Sporthalle, in der er heute seinen Spielern Kommandos zuruft, steht auf dem Gelände der JVA Wiesbaden in der Holzstraße. Anstelle von Publikum beobachten Justizbeamte in Uniform aufmerksam das sportliche Geschehen.

Seine  Spieler sind verurteilte Straftäter. Wer warum sitzt, weiß der 29 Jahre alte Trainer nicht. Um ihre Resozialisierung nicht zu gefährden, darf ein Außenstehender den Grund der Verurteilung nicht erfahren. Was Labenz weiß: die 18 bis 24 Jahre alten Gefangenen sitzen wegen Diebstahl, schwerer Körperverletzung, Drogenhandel oder Mord ein. Insgesamt rund 300 junge Männer sind in diesem einen von zwei hessischen Jugendgefängnissen inhaftiert, im Durchschnitt für 14 Monate.

Planmäßig auspowern

Labenz trainiert die Basketballgruppe seit Ende Januar. Ehrenamtlich. Er wurde von Simon Kaiser, dem Leiter der Abteilung Sport und Freizeit der JVA, angesprochen.  Der Wunsch nach einem ausgebildeten Basketballtrainer kam von den Spielern selbst. „Es ist gut, dass wir jetzt einen richtigen Trainer haben“, sagt Daniel. „Vorher haben wir immer nur ohne Plan gespielt, doch jetzt ist das Training viel effizienter. Danach ist man richtig ausgepowert.“ Und es ist eine willkommene Abwechslung zum Alltag in der JVA. Der besteht meist aus Arbeit, Hofgang und viel Zeit in der Zelle. Diese sind in der 1962 errichteten Anstalt in Wohngruppen aufgeteilt.

Das Basketballprojekt ist Teil eines neuen Sportkonzepts der Jugendstrafanstalt. „Wir setzen seit 2011 auf Fitnesssport und hier vor allem auf Mannschaftssportarten“, sagt Kaiser. Neben Basketball können die Insassen Fußball, Handball, Volleyball oder Faustball sowie Einzelsportarten wie Tennis, Badminton oder Tischtennis trainieren. Die Handballer spielen sogar im regulären Spielbetrieb beim TV Igstadt und sind besonders stolz darauf, mit Manfred Freisler von einem ehemaligen Nationalspieler und Weltmeister betreut zu werden. Alle Spiele freilich müssen innerhalb der JVA stattfinden.

Mannschaftsgedanke im Mittelpunkt

Welche Sportart die jungen Häftlinge auch wählen, die erzieherischen Absichten sind eindeutig:  „Im Mittelpunkt steht natürlich der Teamgedanke. Niemand gewinnt oder verliert alleine, sondern immer die Mannschaft. Neben Fairness und Respekt sollen die Spieler lernen, dass Sport verbinden kann, egal welcher Nationalität oder Religion jemand angehört“, erklärt der 30 Jahre alte Sportpädagoge und fügt lachend an: „Sport ist das Trojanische Pferd der Pädagogik.“ Er berichtet, dass die Häftlinge in der Regel gut mitarbeiten und sehr gewillt seien, dazuzulernen. Kraftausdrücke seien auf dem Spielfeld erlaubt, so lange alles im Rahmen bleibe. Wer es wiederholt übertreibe, werde vom Training ausgeschlossen, was aber selten vorkomme. Über die Erfolgsaussichten solcher Resozialisierungsmaßnahmen macht er sich indes keine Illusionen. 70 bis 80 Prozent der Gefangenen würden nach Haftentlassung wieder straffällig, sagt er. Dennoch wirkt er sehr idealistisch und dankbar auch für noch so kleine positive Resultate der Anstrengungen, die er selbst täglich und externe Engagierte wie Labenz temporär hinter den Gefängnismauern unternehmen.

Für die Basketballer sind vorerst sechs Trainingseinheiten sowie ein Freundschaftsspiel gegen die Herrenmannschaft der DJK Nieder-Olm  geplant, die in der 2. Regionalliga Südwest/Nord spielt. Die Partie wird ein schwerer Brocken, wie Charles weiß: „Die sind viel erfahrener als wir. Doch wir werden unser Bestes geben.“ Und er hofft, dass Labenz auch danach sein Trainer bleiben wird. „Es wäre schön, wenn es mit ihm weitergehen würde.“