„Bis 1933 lebten in Wiesbaden über 3.000 Menschen jüdischen Glaubens bzw. jüdischer Herkunft“, ist auf der offiziellen Seite der Stadt Wiesbaden zu lesen, und: „Beim Einmarsch der Amerikaner im Frühjahr 1945 befanden sich nur noch zirka 20 Menschen jüdischer Herkunft in Wiesbaden.“ Genau an jenem Ort, von dem aus während der NS-Gewaltherrschaft Wiesbadener Jüdinnen und Juden deportiert worden sind, haben Künstler eine beeindruckende Form der Erinnerung an jenes Verbrechen geschaffen. „Am heutigen Tag wollen wir das Mahnmal an den Bahngleisen hinter unserer Halle ins Bewusstsein rufen“, schreibt das Kulturzentrum Schlachthof. Der 27. Januar, der Tag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz vor 75 Jahren, wird seit 1996 als nationaler und internationaler Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus begangen. Wiesbaden gedenkt aller Opfer des NS-Regimes mit zahlreichen Kulturveranstaltungen. Im Mittelpunkt der heutigen zentralen Gedenkveranstaltung steht die Erinnerung an die Shoah.
„Seit 2010 werden die Bilddokumente ergänzt durch eine vom Frankfurter Multimediakünstler Vollrad Kutscher konzipierte, direkt auf das Deportations-Graffito zulaufende Kastanienallee“, ist auf wiesbaden.de zu lesen: „Auf den vier Seiten der Pflanzschalen, welche auch als Sitzgelegenheiten dienen können, sind Textfragmente eingelassen, meist Abschiedsbriefen damals Deportierter entnommen. Für jedes Zitat wurden von einigen jüngeren Wiesbadener Sprayern zusammen mit Kutscher und Yorkar7 völlig neue, jeweils unterschiedliche Schriftzüge entwickelt.“ Nicole Friedrich gestaltete eine Informations-Stele mit knappen historischen Informationen zur von den NS-Rassisten systematisch betriebenen Verfolgung und Ermordung der Juden als auch zu den Wiesbadener Deportationen.
Vielfältiges Gedenken und Mahnen
Unübersehbar hängt am Schlachthof auch ein zu den Bahngleisen gerichtetes Transparent mit dem großflächigen Adorno-Zitat „Dass Auschwitz nicht noch einmal sei“. Im hessischen Landtag wird heute bei einer zentralen Gedenkveranstaltung der Opfer des Nationalsozialismus in Hessen gedacht.
Bei der zentralen Gedenkveranstaltung der Landeshauptstadt Wiesbaden heute um 18 Uhr im Stadtverordnetensitzungssaal des Rathauses spricht der renommierte Historiker und Journalist Prof. Dr. Götz Aly . Er wird darlegen, dass der Nationalsozialismus kein allein von Eliten getragenes System war, sondern breite Zustimmung in allen Bevölkerungsschichten fand. Dabei wird er auch auf die Situation in Wiesbaden eingehen. Außerdem wird Aly zeigen, wie sich Antisemitismus und Judenfeindschaft in ganz Europa verbreiteten und die daraus resultierende Diskriminierung und Pogrome den Deutschen den Weg für Deportationen und Völkermord ebneten. Oberbürgermeister Gert-Uwe Mende wird ein Grußwort sprechen. Im Anschluss zeigt die Caligari Filmbühne den Film „Drei Söhne – Jetzt kommt es auf die zweite Generation an“. Der Konzertpianist Samuel Cho eröffnet den Film mit einer Sonatine des in Auschwitz ermordeten Komponisten Szymon Laks.
Der 27. Januar wird als Gedenktag mit einer gemeinsam von Kulturamt und zahlreichen Akteuren in Wiesbaden getragenen historisch-politischen Veranstaltungsreihe begangen. Schon seit einigen Tagen und noch bis in den Februar hinein fanden und finden unterschiedliche Veranstaltungen statt, die hier aufgeführt sind.
In Wiesbaden gibt es verschiedene Orte des Gedenkens an die NS-Opfer. Sie sind hier aufgeführt und erläutert.