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„Propaganda 4.0“: Experte Hillje analysiert im vollbesetzten Museumssaal AfD-Kommunikationsstrategie

Von Falk Sinß.

Rechte Propaganda nimmt bei gewissen Themen Einfluss in den öffentlichen Diskurs und hilft rechtspopulistischen Parteien wie der AfD bei ihrem Kampf gegen die pluralistische Gesellschaft und die Demokratie. So das Fazit des Berliner Kommunikationsexperten und Autor des Buches „Propaganda 4.0 – Wie rechte Populisten Politik machen“, Johannes Hillje, das er an den Anfang seines Vortrags im vollbesetzten Veranstaltungsraum des Museum Wiesbadens stellte. Veranstaltet wurde der Vortrag als vorerst letzter Vortrags- und Diskussionsabend  einer beachtlichen Reihe der Wiesbadener Initiative Moment Mal.

Mit Framing zum „Rennen nach rechts“

Einflussnahme nehmen Rechtspopulisten durch das sogenannte Framing vor. Der Begriff stammt aus den Kommunikationswissenschaften und beschreibt die Einbettung von Ereignissen in ein bestimmtes Deutungsmuster. Framing kann die Realität aber auch verschleiern. Und darin war die AfD in den vergangenen Jahren sehr erfolgreich. Nicht nur, dass sie es schafft, dass das Thema Flucht und Migration immer noch viel Raum im öffentlichen Diskurs einnimmt, obwohl die Zahl der Menschen, die in Deutschland Schutz vor Krieg und politischer Verfolgung  suchen, seit 2015 beständig abnimmt. Sie schafft es auch, dass ihre Narrative in Teilen der Politik und von den Medien übernommen werden, worauf die AfD mit noch radikaleren Forderungen antwortet. Hillje nannte das “Rennen nach rechts”.

Als Beispiel nannte Hillje den bayerischen Ministerpräsident Markus Söder, der in einem
Fernsehinterview Flucht als Asyltourismus bezeichnete – wohlwissend, dass eine Flucht aus
einem Kriegsgebiet alles andere als eine touristische Aktivität ist. Doch nicht nur das: Durch die Übernahme bediente er das rechtsextreme Narrativ vom Ausländer, der nur hierher kommt, um Sozialleistungen zu kassieren und verschaffte diesem Legitimität. Bei vielen Rezipienten, vor allem, wenn sie sich nicht näher mit dem Thema beschäftigen, setzt sich fest, dass die Flüchtlinge eigentlich nicht auf der Flucht sind, sich sondern hierzulande bereichern wollen.

Hillje (auf dem Bild im Gespräch mit Georg Habs und Sascha Schmidt) definiert Populismus nach Albertazzi und McDonnell als demokratiefeindliche Ideologie, “die ein tugendhaftes und homogenes Volk einer Elite und den gefährlichen ‘Fremden’ gegenüberstellt, welche zusammen das souveräne Volk seiner Rechte, Werte, Identität und Stimme berauben wollen.” Dieser Populismus macht nach seinen Ausführungen die AfD anfällig für die völkische Ideologie, die innerhalb der AfD immer größere Verbreitung findet.

Vier Elemente der „Propaganda 4.0“

Hilllje hat vier zentrale Elemente dieser “Propaganda 4.0” ausgemacht:
1. Delegitimierung der klassischen Medien
2. Schaffung von Alternativmedien
3. Bildung eines digitalen Volks
4. Instrumentalisierung des Journalismus

Die Delegitimierung der klassischen Medien findet sich in jedem “Lügenpresse-” oder
“Systempresse-”Ausspruch. Alternative Medien hat die AfD mit eigenen Video- oder
Nachrichtenportalen geschaffen, dazu gehören aber auch Medien, die nicht in direkter
Verbindung zur AfD stehen, die aber politisch dieselben Ansichten vertreten. Das digitale
Volk zeigt sich in der großen Zahl an Accounts, die der AfD in den sozialen Medien folgen.
Doch trotz allem braucht die AfD auch weiterhin die klassischen Medien, was sich in Punkt 4 zeigt.

Obwohl ARD, ZDF oder die großen Tages- und Wochenzeitungen für die AfD
“Lügenpresse” sind, macht sie alles, um trotzdem darin vorzukommen. Das gelingt am
einfachsten, indem Skandale produziert werden. Als Beispiel nannte Hillje den Abgang von
der damaligen AfD-Spitzenkandidatin zur Bundestagswahl, Alice Weidel, aus einer Talkshow im ZDF, oder die Reden verschiedener AfD-Politiker über den “Schießbefehl”, “das Denkmal der Schande” oder den “Vogelschiss”. Immer geht es darum, mit einer kalkulierten Provokation in die Medien zu kommen. Deren kritischen Äußerungen helfen dann, um sich wieder als Opfer inszenieren zu können.

Mögliche Gegenstrategie

Dem stellte Hillje eine mögliche Gegenstrategie entgegen. Als Elemente dieser “Demokratie nannte er die Beherzigung journalistischer Ethik, klare Grenzen zum Populismus, wirkliche Probleme ansprechen und lösen sowie eine eigene emotionale Sprache entwickeln. Journalisten sollten nicht über jedes Stöckchen springen, das die AfD ihnen hinhält, selbst wenn Berichte über die AfD viele Clicks und damit Werbeerlöse bedeuten. Andererseits müsse die Gesellschaft sich aber auch fragen, wie unabhängiger Journalismus sich refinanzieren kann. Gleichzeitig sollte nicht jeder, der sich populistischer Stilmittel bedient, als Populismus bezeichnet werden. So sei Markus Söder für ihn kein Populist, da dieser zwar gerne zuspitze, aber dennoch die Pluralität der Gesellschaft anerkenne und auch nicht bekämpfen wolle. Bestehende und reale Probleme müssen von der Politik natürlich angegangen werden, denn “Populismus ist ein Symptom, aber nicht die Ursache”. Und zu guter Letzt sollten die demokratischen Kräfte selbst eine emotionale Sprache entwickeln, um der Propaganda 4.0 effektiv entgegentreten.

Johannes Hillje im Interview mit „Moment mal“: