Leere Regale, verwunderte Kunden, bedrückt wirkende Mitarbeiter – dieses Bild bietet sich dieser Tage im Rewe Markt in der Langgasse. Infotafeln kündigen die Schließung des Marktes an Heiligabend und die Wiedereröffnung am 3. Februar an. „Umbauarbeiten – Wir verschönern unseren Markt“ lautet die Erklärung auf Plakaten am Eingang. Dahinter steckt jedoch mehr.
„Der Markt wird privatisiert“, berichten Mitarbeiter des Marktes jedem, der sie drauf anspricht, was denn los sei. Und es sind viele, denen auffällt, dass hier etwas anders ist: Dieser Rewe ist trotz oder gerade wegen seiner Lage mitten in der Fußgängerzone ganz und gar kein anonymer Supermarkt, sondern ein Nahversorger mit großer Stammkundschaft. Kunden und Kassierer kennen sich, wechseln auch in der Hektik des Einkaufs persönliche Worte oder flapsige Sprüche. Man kennt und mag sich, es ist ein Rewe mit Atmosphäre, in dem übermütige Kids im Vorglüh-Fieber neben hilfsbedürftigen Senioren mit Rollator und Geschäftsleute neben Gastronomen aus der Nachbarschaft einkaufen. Irritiert bis schockiert reagieren nun viele der Stammkunden, wenn sie hören, was los ist. Und verunsichert erscheint auch die Belegschaft. „Hast du schon was Neues gehört?“, fragt der eine Mitarbeiter die andere beim Weg in den Aufenthaltsraum. Eine Kassiererin erzählt, dass alle Festangestellten gehen müssten und nur die Aushilfen blieben.
„Die Mitarbeiter des Marktes werden größtenteils in umliegenden REWE Filialen der REWE Markt GmbH wohnortnah weiterbeschäftigt“, gibt Anja Krauskopf, Pressesprecherin Region Mitte bei Rewe, als Antwort auf die sensor-Anfrage nach Konsequenzen der Privatisierung des Marktes für das Personal. Wie viele Festangestellte und Angestellte von welchen Maßnahmen in welcher Form betroffen ist, beantwortet sie nicht, bestätigt aber: „Es ist richtig, dass der REWE Markt in der Langgasse von einem selbstständigen REWE Kaufmann übernommen wird.“ Der neue Betreiber des Rewe-Marktes in der Langgasse wird Ramazan Zor, der nach Angaben der Rewe-Sprecherin „seit 2015 in der Wiesbadener Comeniusstraße bereits erfolgreich einen weiteren REWE Markt führt“.
„Privatisierung und Umbaumaßnahmen sichern Nahversorgung“
Aufgrund seiner Größe und Struktur eigne sich der Standort gut für eine private Betreibung. „Der Markt in der Langgasse wird aufwändig umgebaut und auf das neue REWE Verkaufskonzept umgestellt“, so die Pressesprecherin, die betont: „Mit der Privatisierung und den Umbaumaßnahmen bleibt die Nahversorgung an dem Standort langfristig gesichert.“
Von den insgesamt 3.600 REWE Märkten in Deutschland werden nach Angaben des Unternehmens 2.000 von selbstständigen REWE Kaufleuten geführt. REWE ist seit der Gründung im Jahr 1927 eine Genossenschaft, das selbstständige Betreibermodell habe von jeher eine große Bedeutung. „Das Geschäftsmodell ist sehr erfolgreich, denn die REWE Kaufleute engagieren sich meist gemeinsam mit ihren Familien als Selbstständige sehr stark für ihre Kunden und vor Ort in den Gemeinden“, sagt die Pressesprecherin.
Über mögliche Folgen von Rewe Markt-Privatisierungen und Tipps für betroffene Belegschaften informiert die Gewerkschaft verdi hier.
sensor-Mainz Reportage über „Die Supermarktchefin – Semai Akale leitet den größten Mainzer Rewe“ hier.
(Text und Fotos: Dirk Fellinghauer)