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Rheingauviertel sagt Nein zur AfD: Kreativer Protest gegen „Themenabende“

(Aktualisierte/ergänzte Fassung 31.01.2018)

„Themenabende“ nennt die Wiesbadener AfD ein ungefähr monatlich organisiertes Veranstaltungsformat, über das sie ihre Botschaften unters Volk bringen will. In den letzten Monaten und Jahren tingelte die Partei damit durch diverse Vorort-Bürgerhäuser, Erbenheim, Dotzheim, Schierstein waren zum Beispiel Stationen. Nun hat die AfD dafür das als sehr bunt, weltoffen und tolerant geltende Rheingauviertel auserkoren. Im Hilde-Müller-Haus am Wallufer Platz will die Partei offenbar an jedem 1. Donnerstag im Monat Anhänger und solche, die es werden sollen, zu Themenabenden locken. Angelockt werden von den Veranstaltungen auch jene, die so gar keinen Bock auf die AfD haben, nicht in unserer Stadt und schon gar nicht in ihrem Viertel. Am 1. Februar ist der nächste Termin.

„Viele Menschen unserer Stadt sind empört und besorgt darüber, dass die AfD begonnen hat, im Rheingauviertel ihre menschenverachtende Propaganda zu verbreiten“, heißt es im Aufruf zu einer ab 18 Uhr startenden Protestveranstaltung unter dem Motto „Keine AfD im Rheingauviertel“. Man will Flagge zeigen gegen „angeblich informative Veranstaltungen, bei denen ein rechtsaußen stehendes Weltbild verbreitet wird.“ Die Initiatoren schreiben: „Solches Gedankengut hat keinen Platz in unserer Gesellschaft, selbst wenn es als demokratisch gewählte Partei getarnt auftritt.“

Am 1. Februar um 19 Uhr lädt die AfD Wiesbaden zum zweiten Mal in diesem Jahr zu einer Veranstaltung im Hilde-Müller-Haus, einem städtischen Bürgerhaus, ein. Als Referent ist Bestsellerautor Thorsten Schulte angekündigt, den ARD-Literaturmann Denis Scheck als „“durchgeknallten Verschwörungstheoretiker“ bezeichnete. „Er wird in seinem Vortrag zunächst über einige Themen aus seinem erfolgreichen Buch sprechen. Danach haben Sie in der anschließenden moderierten Diskussion die Möglichkeit, Fragen zu stellen und mit Thorsten Schulte sowie den weiteren Zuschauern des Themenabends ausführlich zu diskutieren“, heißt es in der AfD-Einladung. Gemeint ist Schultes Buch „Kontrollverlust“, erschienen im auch für als rechtspopulistisch bis hin zu rechtsextrem eingeschätzte Buchveröffentlichungen bekannten Kopp-Verlag. Schultes 288-Seiten-Werk wird dort beworben als „Weckruf“ mit Antworten auf die Frage „Wie unsere Eliten unsere persönliche und finanzielle Freiheit zerstören und was wir dagegen tun können“.

„Es ist keine Anmeldung erforderlich. Der Eintritt ist frei.“ Dies ließen sich bei der AfD-„Premiere“ im Hilde-Müller-Haus Anfang Januar Gegner der Partei nicht zweimal sagen. Sie besuchten den Themenabend und störten die Veranstaltung unter anderem mit dem kollektiven Verlesen von Flugblätttern, bis sie schließlich von der Polizei vorzeitig abgebrochen wurde. Die vorgesehene Referentin des Abends, die AfD-Bundestagsabgeordnete Mariana Harder-Kühnel, kam nicht zu Wort. „Die Wiesbadener Kriminalpolizei ist derzeit mit den Ermittlungen in dem Verfahren wegen eines möglichen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz befasst. Insbesondere die Handlungen einzelner Versammlungsteilnehmer werden derzeit strafrechtlich geprüft“, lässt der Pressesprecher der Wiesbadener Polizei, Markus Hoffmann, auf sensor-Anfrage wissen: „Aufgrund der andauernden Ermittlungen kann ich Ihnen keine weiteren Angaben zum Stand des Verfahrens mehr machen.“

Diesmal wollen sich die AfD-Gegner draußen bemerkbar machen. „Ab 18 Uhr findet eine `Kunstaktion´ auf dem Wallufer Platz statt“, kündigen die Organisatoren vom „Wiesbadener Bündnis gegen Rechts“ an: „Wir werden Bilder enthüllen, die zur Reflexion anregen und sich auf den Themenabend der AfD („Kontrollverlust – wer uns bedroht und wie wir uns schützen“) beziehen.“ Mit der Parole „Unsere Alternative heißt Miteinander“ rufen sie zur regen Teilnahme auf: „Wir brauchen keine Menschenfeinde, die durch hetzerische Propaganda eine Drohkulisse vom untergehenden Abendland aufbauen und Notwehr heraufbeschwören.“Nimmt man die Reaktionen in den sozialen Medien auf die Ankündigung der kreativen „Wir mischen uns ein und nehmen die Ausbreitung eines rückwärtsgerichteten Weltbildes nicht unkommentiert hin“-Veranstaltung als Indikator, ist mit einer großen Beteiligung zu rechnen – nicht nur aus dem Rheingauviertel.

Bezüglich der Veranstaltungen ist laut Pressesprecher Markus Hoffmann ein Polizeieinsatz geplant, der unter der Leitung der Polizeidirektion Wiesbaden steht: „Zur Bewältigung der Lage werden ausreichend Kräfte der Wiesbadener Polizei mit Unterstützung der Hessischen Bereitschaftspolizei vor Ort sein.“ Die Versammlung der AfD sei bei der Versammlungsbehörde in Wiesbaden angezeigt worden, die Gegendemonstration durch die „Partei die Linke/Rheingau-Taunus-Kreis“ beim Ordnungsamt der Landeshauptstadt Wiesbaden: „Mit Verantwortlichen beider Veranstaltungen wurden im Vorfeld von Seiten der Versammlungsbehörde gemeinsam mit der Polizei Kooperationsgespräche durchgeführt.“

Hintergründe zu den Plänen der AfD einer monatlichen Veranstaltung im Rheingauviertel und zum sich formierenden Widerstand auch unter Anwohnern und Geschäftsleuten in diesem Wiesbadener Kurier-Beitrag.

(Dirk Fellinghauer/ Bild Wiesbadener Bündnis gegen Rechts)