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So wohnt Wiesbaden: Die Aussicht macht´s! Peter Siersleben – Hochhausbewohner aus Überzeugung

Von Anja Baumgart-Pietsch. Fotos Arne Landwehr

„Ich würde mich wieder so entscheiden“, sagt Peter Siersleben. Der frisch gebackene Rentner, Weinfachmann und ehemaliger Leiter der Weinabteilung bei Karstadt ist Hochhausbewohner aus Überzeugung – nachdem er vor dreißig Jahren eher zufällig nach Klarenthal geriet. „Meine Vermieterin war gestorben, ich wohnte vorher in der Herderstraße und musste ausziehen“, erinnert er sich. „Damals war ich noch Student und ich bekam dann von der Stadt die Wohnung in Klarenthal angeboten. Ich hab mir zuerst schon gedacht: Im Hochhaus? Oje! Aber als ich dort aus dem Fenster geschaut habe, war eigentlich alles klar.“

Ganz andere Vögel als „unten“ erfreuen NABU-Vorsitzenden

Die Aussicht aus dem 4. Stock des Gebäudes ist für den Naturfreund einer der wichtigsten Vorteile. „Ich schaue von oben in die Bäume und sehe ganz andere Vögel als die, die man unten so sieht“, freut sich Siersleben, der auch Vorsitzender des örtlichen Kreisverbandes des Naturschutzverbandes „NABU“ ist. Regelmäßig bietet er Führungen an, bei denen er Kindern und Erwachsenen die Natur vor der Haustür nahebringt.

Vielfach engagiert in Klarenthal

In seinem Viertel hat er sich von Anfang an engagiert: In den Kirchengemeinden zum Beispiel, und er übernahm auch für das Volksbildungswerk die „Klarenthaler Weinrunde“, bei der sich Weinkenner treffen. Auch Weinreisen und -seminare hat er schon organisiert und wird das als Rentner sicher noch öfter tun.

Seine Wohnung mit zwei Zimmern, Küche, Bad und Balkon liebt der alleinstehende, immer gut gelaunte Naturfreund sehr und sagt, dass alle Vorbehalte, die man möglicherweise gegen das Wohnen im Hochhaus haben könnte, hier nicht zutreffen. „Natürlich kann man hier auch anonym leben. Klar gibt es auch mal Schmierereien oder Müll dort, wo er nicht hingehört, und auch die Polizei ist ab und zu hier. Aber das ist eigentlich alles die Ausnahme.“

Gar nicht so anonym: Gute Nachbarschaft mit über 50 Parteien    

Es komme halt auch auf einen selbst an, welches Verhältnis man zu seinen Nachbarn pflegen wolle. Die Nassauische Heimstätte sei ein prima Vermieter. Die Miete sei im Laufe der 30 Jahre nur moderat angestiegen und immer noch gut bezahlbar für ihn, obwohl die Sozialbindung der Wohnungen im Haus vor einigen Jahren weggefallen war. „Ich will hier nicht weg“, sagt er mit Überzeugung. Seine Nachbarin, eine ältere Dame, habe das Bad gerade barrierefrei umgebaut bekommen. „Ich weiß zwar nicht so genau, wie das finanziert wurde, aber es ist jedenfalls möglich.“ Es gibt zwei Aufzüge, daher ist auch Barrierefreiheit gegeben. Über 50 Parteien wohnen im Haus, in jedem Stockwerk fünf, berichtet Peter Siersleben. „Ich kenne die meisten, man grüßt sich auch. An Kontakt mangelt es mir nicht.“ Auf seinem Stockwerk kennt er die Nachbarn sogar ziemlich gut.

Orientalisches Essen als Dank für Hausaufgabenhilfe

Eine aramäische Familie, mit der er besonders guten Kontakt hatte, sei leider weggezogen. „Ich habe den Kindern früher bei den Hausaufgaben geholfen, dafür haben die mir die Treppe geputzt und ab und zu wurde ich zu einem leckeren orientalischen Essen eingeladen“, schwärmt er. Die Zusammensetzung der Mieter ist bunt, sowohl vom Alter als auch von den Nationalitäten her. „Als ich einzog, gab es nur wenige Familien mit Migrationshintergrund, heute überwiegen sie in der Mieterschaft“, berichtet Siersleben, der wahrscheinlich langjährigste Mieter im Haus.

„Mieter-TÜV“ mit kurzem Dienstweg

Es gibt für kleine Reparaturen im Haus einen „Mieter-TÜV“, der auf dem „kleinen Dienstweg“ Dinge ausbessert. Einen gemeinschaftlichen Grillplatz hat das Haus auch; hier muss man sich nur einen Termin reservieren und den Schlüssel holen – „und das Ganze eben sauber und ordentlich hinterlassen“, sagt Peter Siersleben, „im Sommer ist da immer was los.“ Wer keine Waschmaschine in seine Wohnung stellen möchte, kann einen Gemeinschaftswaschraum mit Münzgeräten nutzen, so macht es Siersleben. Alles ziemlich praktisch und sinnvoll, und Peter Siersleben zeigt sich absolut zufrieden. Das Allerschönste für ihn ist aber die grüne, naturnahe Umgebung seines Hauses: „Ich gehe einmal um die Ecke und bin im Wald.“ Das sei ein absolut entscheidender Vorteil in Klarenthal. Und im Frühjahr blicke er auf blühende Bäume und über die ganze Stadt – „sowas ist einfach absolut unbezahlbar.“ Ab und zu gibt es auch eine Veranstaltung der Nassauischen Heimstätte in der Nachbarschaft.  Kult ist seit einigen Jahren der „Hochhauslauf“. Teilgenommen hat Peter Siersleben noch nicht. „Aber das ist immer ein Riesenevent.“

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