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Stadtmuseum am Tag danach – Bürgerinitiative stellt Dinge klar, FDP stellt „Pro“-Bürgerbegehren in Aussicht

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Von Dirk Fellinghauer.

Am „Tag danach“ ist noch längst nicht (Weihnachts-)Ruhe eingekehrt in Sachen Stadtmuseum – im Gegenteil. Die Diskussion, ob – und wenn ja, wie – auch nach dem Scheitern des OFB-Investor-Konstruktes und des Jahn-Entwurfs ein Stadtmuseum in Wiesbaden realisiert werden sollte und könnte, nimmt nun erst richtig an Fahrt auf. Nach der gestrigen Pressekonferenz, in der die Fraktionschefs der Großen Koalition, die Kulturdezernentin und der Oberbürgermeister das „Aus“ des Projekts verkündeten und logischerweise ihre Sicht der Dinge ausbreiteten, melden sich nun auch viele andere Stimmen zu Wort. Es regt sich Widerspruch gegen die Darstellung der Großkoalitionäre, die Gegner des geplanten Stadtmuseums und Befürworter des Bürgerbegehrens seien grundsätzlich gegen jedes Stadtmuseum. Folglich wollen auch viele das rigoros-trotzige  „Jetzt geht gar nichts mehr“ der Großen Koalition nicht durchgehen lassen und fordern, zum Beispiel bei regen Diskussionen auf der Facebook-Gruppe „Lust auf Wiesbaden“, sehr wohl ein Neu- und Weiterdenken der grundsätzlichen Idee eines Stadtmuseums.

Während das ursprüngliche Bürgerbegehren „Nein zum Mietmodell für das Stadtmuseum – Ja zur Aufhebung des Stadtparlamentsbeschlusses“ der Bürgerinitiative „Gemeinwohl hat Vorfahrt“ vorsichtshalber noch weiter läuft, so lange die Stadtverordnetenversammlung (die am Donnerstag zum letzten Mal in diesem Jahr tagt) den Beschluss nicht offiziell zurückgenommen hat, kündigt die oppositionelle FDP bereits die Prüfung eines Bürgerbegehrens „Pro Stadtmuseum“ an.

Liberale wollen Verbündete suchen

„Wir glauben daran, dass sich eine Mehrheit der Wiesbadener für ein Stadtmuseum begeistern kann, sofern es zu keinen Einschnitten an anderen Stellen in der Wiesbadener Kulturlandschaft kommt und die Bürger in die Planung und Konzeption einbezogen werden“, schreibt heute der Fraktionsvorsitzende Christian Diers in einer Pressemitteilung: „Wir werden deshalb in der Wiesbadener Bürgerschaft Verbündete für den Bau eines Stadtmuseums suchen und mit ihnen zusammen die Einleitung eines Bürgerbegehrens ‚Pro Stadtmuseum‘ prüfen“. Ob sich nun Freunde einer grundsätzlichen Stadtmuseum-Idee ausgerechnet mit der FDP verbünden wollen, sei einmal dahingestellt – zumal die Liberalen den Töpfer/Bertuleit-Entwurf aus dem Jahr 2010 (damals Wettbewerbssieger, aber nicht realisiert) zum Ausgangspunkt neuer Überlegungen machen wollen, viele Stadtmuseum-Sympathisanten aber eher in Richtung bestehender Gebäude denken. Aber dass sich grundsätzlich viele Verbündete für die Idee eines Stadtmuseums finden lassen, davon ist auszugehen.

„Bedingungen für Stadtmuseum mit breiter Bürgerbeteiligung besser denn je“

Grundsätzlich vertreten die Liberalen mit ihrer Einschätzung, dass viele Wiesbadener ein Stadtmuseum wollen, jedenfalls die gleiche Auffassung wie die Initiatoren des Bürgerbegehrens, das dieses Stadtmuseum letztlich mit zu Fall gebracht hat. „Die vielen Gespräche bei der Unterschriftensammlung haben gezeigt, die WiesbadenerInnen wollen ein Museum“, schreiben sie in einer heute verbreiteten Pressemitteilung (kompletter Wortlaut siehe unten): „Die Bedingungen, ein Stadtmuseum mit breiter Bürgerbeteiligung zu errichten, sind daher besser denn je, und die BI würde es begrüßen, wenn die PolitikerInnen diese Stimmung aufgreifen würden, statt sich in den Schmollwinkel zu verziehen.“ Als Schmollen und Trotzreaktion wird vielfach vor allem das Auftreten des CDU-Fraktionschefs Bernhard Lorenz auf der gestrigen Pressekonferenz bewertet. Er habe gewirkt „wie ein trotziger Junge, dessen größter Weihnachtswunsch nicht erfüllt wurde“, schrieb etwa Heinz-Jürgen Hauzel heute in einem Kommentar mit der Überschrift „Chance verpasst“ im Wiesbadener Kurier.

2200 Unterschriften – plus x 

Wie manche Kommentatoren im Netz ereifern sich auch die Liberalen darüber dass „ganze 2200 Unterschriften“ den Ausstieg aus dem Projekt rechtfertigen sollen – wobei hierzu anzumerken ist, dass dies nur die offizielle Zahl der von den Initiatoren selbst gesammelten und gezählten Unterschriften zur gestrigen Halbzeit war. Man darf davon ausgehen, dass die tatsächliche Zahl der Unterschriften deutlich darüber liegt.  Allein die von sensor erstellte Liste der Locations mit Unterschriftenlisten – Geschäfte, Gastronomie, kulturelle Einrichtungen etc. – war schnell auf über zwanzig Orte angewachsen. Uns wurde von großer Nachfrage berichtet und davon, dass die Listen „ein Selbstläufer“ seien. Auch nach dem verkündeten „Aus“ bitten die Initiatoren des Bürgerbegehrens: „Bitte die gesammelten Unterschriften an den Sammelstellen abgeben bzw. per Post schicken – keinesfalls wegwerfen!“ Endgültig einstellen könnten sie die Unterschriftensammlung erst, wenn es einen Stadtverordnetenversammlung-Beschluss zur Aufhebung des Miet-Beschlusses vom 20.11. gebe.

Pressemitteilung der Bürgerinitiative

Heute hat die Bürgerinitiative eine umfangreiche Pressemitteilung verschickt, die wir nachfolgend im Wortlaut veröffentlichen:

„Mit Erleichterung nimmt die BI Gemeinwohl hat Vorfahrt den Entschluss der Großen Koalition zur Kenntnis, ein Stadtmuseum als 70-Millionen-PPP-Projekt nach dem Entwurf von Helmut Jahn an der Wilhelmstraße, nicht zu verwirklichen. Sie sieht dies als Absage an das PPP-Mietmodell, nicht jedoch an ein Stadtmuseum als solches. Im Gegenteil, durch das Bürgerbegehren haben sich viele WiesbadenerInnen erstmals inhaltlich mit der Frage eines Stadtmuseums auseinandergesetzt.

Den Behauptungen der Fraktionsvorsitzenden von CDU und SPD, Lorenz und Manjura, bei der Pressekonferenz am 16.12., die Bürgerinitiative habe „Nein“ zum Stadtmuseum gesagt und die BürgerInnen hätten mit ihrer Unterschrift überwiegend gegen ein solches votiert, muss entschieden widersprochen werden. Im Gegenteil, die vielen Gespräche bei der Unterschriftensammlung haben gezeigt, die WiesbadenerInnen wollen ein Museum. Die meisten, die sich geäußert haben, können sich ein Stadtmuseum am besten in einem historischen Gebäude vorstellen.

Die Bedingungen ein Stadtmuseum mit breiter Bürgerbeteiligung zu errichten, sind daher besser denn je und die BI würde es begrüßen, wenn die PolitikerInnen diese Stimmung aufgreifen würden, statt sich in den Schmollwinkel zu verziehen. Aufgabe einer verantwortungsbewussten Kulturpolitik ist es, zu fördern und zu ermutigen, statt zu gängeln und zu disziplinieren.

Für einen zielgerichteten, breit zu führenden Dialog steht die BI Gemeinwohl als Gesprächspartner gerne zur Verfügung.

Die Bürgerinitiative fühlt sich durch die Vorstellung des Entwurfs durch Helmut Jahn in der Casino-Gesellschaft in ihren Einschätzungen über das Missverhältnis von Mietkosten und Angebot bestätigt. So äußerte Helmut Jahn selbst, dass er der Stadt Wiesbaden einen Entwurf präsentiert habe, der nur einen „Bruchteil des vorherigen Entwurfs­ kosten würde“. Doch nicht die Stadt Wiesbaden, sondern allein die OFB hätte von den vergleichsweise geringen Baukosten profitiert.

Auch die rechtliche Zulässigkeit des PPP-Mietmodells, die Umgehung einer EU-weiten Ausschreibung und der Versuch, sich mit dem Mietmodell an den Aufsichts- und Genehmigungsbehörden des Landes Hessen vorbeizumogeln, bleibt fragwürdig.
Eine lückenlose Aufdeckung, wer in dem gescheiterten Verfahren an wen wieviel gezahlt hat, wäre zur Wiedererlangung des angeschlagenen Vertrauens der Bürgerschaft in die politischen Repräsentanten dringend geboten.

Der in einer Pressekonferenz mitgeteilte Beschluss der beiden regierenden Fraktionen ist kein rechtsgültiger Bescheid. Ohne eine rechtlich bindende bindende Aufhebung des Beschlusses der Stadtverordnetenversammlung vom 20.11.2014 werden die Initiatoren die Unterschriftensammlung für das Bürgerbegehren fortsetzen. Nur wenn die Stadtverordnetenversammlung in der nächsten Sitzung ihren Beschluss vom 20.11.2014 aufhebt, wäre das Bürgerbegehren “freiwillig“ erfüllt und könnte beendet werden.

Wir fordern

– die Erfüllung des nach wie vor gültigen, einvernehmlichen Beschlusses der Stadtverordnetenversammlung vom 12.5.2012, der die Einrichtung eines Stadtmuseums befürwortet und den Magistrat beauftragt, seine Planung in einem Kostenrahmen 19,5 Mio Euro voranzutreiben sowie „Konzepte für eine stärkere Einbeziehung der Bürgerschaft zu entwickeln“,

– eine konstruktive Diskussion darüber, wie ein Stadtmuseum zu verwirklichen ist,

– die Rücknahme der Kürzungspläne der Großen Koalition im Kulturbereich wie die Streichung der Zuschüsse für das Pariser Hoftheater, den Austritt aus dem Kulturfonds Rhein-Main und die Streichung des Kunstsommers,

– die Erarbeitung eines Kulturentwicklungsplans gemeinsam mit den Kulturschaffenden Wiesbadens.

Wir freuen uns, dass wir mit unserer Initiative viele WiesbadenerInnen mobilisiert und ermutigt haben, sich für ihre Interessen einzusetzen und für das Bürgerbegehren zu unterschreiben. Wir danken der Stadtgesellschaft, den Kulturschaffenden, dem DGB, verdi und allen anderen für die Unterstützung des Bürgerbegehrens.

Die Bürgerinitiative hat rund 3000 € Kosten zu tragen und ruft daher zu Spenden, auf das Konto der Initiative auf: Brigitte Forßbohm, Naspa Wiesbaden
IBAN DE 31 5105 0015 0100 4133 35
BIC NASSDE55XXX
Stichwort „Gemeinwohl“

Sprecherin und Sprecher der BI Gemeinwohl hat Vorfahrt: Brigitte Forßbohm, Hans-Georg Heinscher, Bernd Meffert
Vertrauensleute des Bürgerbegehrens: Herbert Bohr, Meinrad von Engelberg, Hans-Georg Heinscher“

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