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Unverhohlene Hetze trifft auf unangemeldeten Protest: Kleines „Hand in Hand“-Häuflein, große Lügen

Hand in Hand gegen Gewalt – vor allem aber gegen Flüchtlinge.

Von Falk Sinß (Text und Foto).

Nur wenige wollen die ausländer-, flüchtlings- und islamfeindlichen Lügen hören: Die Kundgebung der Erbenheimer Gruppe “Hand in Hand” auf dem Dernschen Gelände am letzten Sonntag, für die bundesweit mobilisiert worden war, wurde nur spärlich besucht.  Größer war der spontane Gegenprotest und damit das Signal: Wiesbaden lässt Hetze, Rassismus und Holocaust-Relativierungen nicht unwidersprochen, schon gar nicht auf öffentlichen Plätzen dieser Stadt.

Die nach dem Mord an Susanna F. in Erbenheim in Erscheinung getretene Gruppe “Hand in Hand – gegen die Gewalt auf unseren Straßen” versucht in der Öffentlichkeit den Eindruck zu erwecken, sie sei nicht ausländerfeindlich und rechtspopulistisch. Wem die Recherchen des Wiesbadener Kuriers, der die rechtspopulistischen Hintergründe und die falschen Behauptungen der Gruppe zusammengestellt hatte, nicht reichen, konnte sich am Sonntag persönlich einen Eindruck machen, wie weit entfernt die Gruppe von einem demokratischen Diskurs ist. Die Redebeiträge der Kundgebung gegen die Flüchtlings- und Asylpolitik der Bundesregierung, zu der auch die Gruppen “Beweg was Mainz” und das „Frauenbündnis Kandel“ aufgerufen hatten, waren eine Ansammlung von islamfeindlicher Hetze, Rassismus, Lügen und Relativierungen des Holocausts. (Wer es sich antun möchte, kann sich den Verlauf der kompletten Veranstaltung mit allen Beiträgen hier auf Youtube anschauen.)

Yvonne Csokova, Kopf der Gruppe „Hand in Hand“, gab in ihrer Rede den Ton vor. Sie behauptete erneut, der Zuzug von Flüchtlingen habe in Erbenheim zu einem Anstieg der Gewalt geführt – sowohl der Polizei Wiesbaden als auch dem Ortsbeirat Erbenheim ist nichts dergleichen bekannt – und setzte die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung mit der Vernichtungspolitik der Nazis gleich. “Das ist fast so wie damals ‘42 als mein Ur-Großvater ins KZ gesperrt wurde, weil er Sinti war”, sagte Csokova –  die in ihrer Funktion als Versammlungsleiterin bei der Begrüßung doch eigentlich verkündet hatte, dass „Dinge, die an die Zeit von 33 bis 45 anknüpfen“, bei der Kundgebung verboten (!) seien.

Fragwürdige historische Vergleiche

Der darauffolgende Redner, Klaus Lelek, hatte den Hinweis offenbar auch überhört und zog ebenfalls fragwürdige historische Vergleiche.  Er setzte die Politik der Bundesregierung mit der des NS-Regimes gleich. Lelek, früher beim hessischen Ableger der rechtspopulistischen Schill-Partei aktiv, schreibt heute für das rechtspopulistische und islamfeindliche Portal Journalistenwatch. Ein weiterer Redner war Ernst Cran. Der ehemalige Pfarrer zieht seit einiger Zeit durchs Land und spricht auf rechtspopulistischen bis rechtsextremen Veranstaltungen. Ein Redebeitrag bei einer Pegida-Demonstration in Dresden im November 2016 hatte ihm eine Anklage wegen Volksverhetzung eingebracht. Er soll darin alle Muslime als potenzielle Terroristen bezeichnet haben. Schon verurteilt ist er nach eigener  Aussage wegen Körperverletzung. In Wiesbaden fabulierte er über eine bevorstehende islamische Diktatur. Zum Abschluss seiner Rede trug er noch ein Lied vor, in dem er unter anderem Flüchtlinge pauschal als Vergewaltiger und dunkelhäutige Menschen als Neger beschimpfte.

Deutschlandflaggen und die Rechtsextremen beliebte „Wirmer-Flagge“

Die letzte Rede hielt Thomas Gauer von der Mainzer Gruppe „Beweg was“, die erfolglos versucht hatte, in Mainz “Merkel muss weg”-Demonstrationen zu etablieren. Auch Gauers Rede setzte sich aus den üblichen rechtspopulistischen und rechtsextremen Untergangsszenarien zusammen. Gauer fantasierte von einem drohenden Bürgerkrieg und sprach davon, dass die Bundesrepublik Deutschland eine Diktatur sei. Vielleicht waren auch deshalb nicht nur Deutschlandflaggen auf dem Dernschen Gelände zu sehen, sondern auch die sogenannte Wirmer-Flagge, die seit einigen Jahren in der rechtsextremen Szene sehr beliebt ist. Die Flagge wurde von Josef Wirmer entworfen, einem der Widerstandskämpfer des 20. Juli 1944. Nach Hitlers Tod sollte sie die neue Flagge Deutschlands werden. Der parlamentarische Rat entschied sich nach dem Zweiten Weltkrieg jedoch für die schwarz-rot-goldene Flagge. Die Wirmer-Flagge verschwand aus der öffentlichen Wahrnehmung, bis Neonazis um Horst Mahler Ende der 1990er Jahre die Flagge für sich entdeckten: Sie sollte die Flagge ihres angestrebten Vierten Reichs werden und ist seitdem in der rechtsextremen Szene weit verbreitet.

Immer wieder betonten die Redner der Kundgebung, dass sie im Gegensatz zur Bundesregierung die Meinung des Volkes vertreten würden und dass dieses Volk hinter ihnen stehen würde. Am Sonntag war das nicht der Fall. Die Zahl der Teilnehmer halbierte sich im Verlauf der Kundgebung von anfangs rund 60 auf später 30 Personen.

Lautstarker Gegenprotest

Die Zahl der nach Polizeischätzung rund 100 Protestierenden, die unangemeldet zum Dernschen Gelände gekommen waren und die Veranstaltung hinter Absperrungen, aber in Sichts- und Hörweite des angemeldeten Geschehens, streckenweise lautstark störten, blieb bis zum Ende konstant. Eine offizielle Gegendemo gab es nicht, wenige Tage zuvor hatte eine kleine symbolische Hand in Hand-Aktion mit Vertretern der Stadtgesellschaft stattgefunden, die ein positives Zeichen für Vielfalt und Miteinander setzen sollte.