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Wie weiter? Wiesbadener Geschäftsleute erzählen – Corona-Protokolle (06): Daniel Thiel, Concept Store

Von Annika Posth und Selma Unglaube. Fotos Till Christmann.

Wiesbadener Pandemie-Geschichten zwischen Sorge, Frustration und Verzweiflung, zwischen Hoffnung, Zuversicht und „Jetzt erst recht“. In unseren „Corona-Protokollen“ berichten Wiesbadener Geschäftsleute und Gastronomen von ihrer Situation, im Blick zurück und im Blick nach vorn. Wir veröffentlichen die gesammelten Protokolle aus der Titelstory unserer Mai-Ausgabe hier nach und nach einzeln.

Daniel Thiel, Inhaber Fashion Concept Store, Wilhelmstraße, neu seit April „Thiel´s“, Karl-Glässing-Straße

„Seit Pandemiebeginn habe ich natürlich Hochs und Tiefs, aber ich lerne mit der Zeit immer mehr dazu. Ich lerne, mich anzupassen. Ich lerne, mich nicht mit Dingen aufzuhalten, die mir nur Energie und Kraft rauben. Ich will positiv und hoffnungsvoll bleiben. Es ist zu einfach, nur in die Opferrolle zu schlüpfen und stundenlang zu jammern, statt den Tag sinnvoll zu nutzen. Die Situation ist schwierig, aber ich muss das Beste daraus machen. Ich habe und werde auch niemanden entlassen – das Team wird komplett bei mir bleiben. Im Zuge der Eröffnung meines neuen Geschäfts in der Karl-Glässing-Straße 5 habe ich sogar eine Mitarbeiterin dazugewinnen können.

Großes Thema Wareneinkauf

Staatshilfe habe ich im März 2020 erhalten, dazwischen gar nichts. Es sind viele Rück- und Privateinlagen draufgegangen, jetzt bekomme ich endlich Unterstützungshilfe III. Ich ärgere mich über die Politik – es ist ein bisher perspektivloser Kampf für uns alle. Ich bin bereit, mein Geschäft geschlossen zu halten, wenn es der Bekämpfung des Infektionsgeschehens hilft, aber dann müssen Bund und Länder entsprechend unterstützen. Stundungen und Kredite sind keine Unterstützung für mich. Ich verstehe die Bundesminister Altmaier und Scholz mit ihrem Ü-Hilfe-Paket auch nicht: Ich bekomme einen Teil der Fixkosten für Miete und Personal erstattet, das ist super und darüber freue ich mich. Aber diese Kosten sind nicht das große Thema des Einzelhandels. Unser Problem ist der Wareneinkauf, für den wir den größten Teil des Umsatzes zur Rücklagenbildung nutzen, um neue Ware überhaupt bezahlen bzw. vorfinanzieren zu können. Das sind auch Fixkosten und für alle der größte Teil, der erwirtschaftet werden muss.

Boutique auf Rädern und FaceTime-Beratung

Ich bin sehr engagiert, Umsätze trotz Lockdown einzuholen, mit Modenschauen auf Instagram oder meiner „Boutique auf Rädern“ mit Vor- und Nachberatung über FaceTime und Lieferung der Ware direkt zum Kunden. Den Online-Shop habe ich enorm ausgebaut und bekomme sehr gutes Kundenfeedback. Außerdem bin ich um gute Pressearbeit in verschiedenen Medien bemüht, in Zeitungen, im Fernsehen – nach der Ausstrahlung eines ZDF-Beitrags hatte ich viele Zugriffe auf den Online-Shop, 280 Newsletter-Anmeldungen, und ich habe deutschlandweit neue Kunden gewonnen. Das war eine prima Sache. Neulich kamen Kunden aus Speyer zur Warenabholung vorbei. Als ich sie fragte, woher wir uns kennen, sagten sie: „Wir haben Sie im Fernsehen gesehen und sofort gedacht: ,So ein tolles Geschäft – da müssen wir hin!‘“

Das Einkaufen ohne Test und ohne Termin ist in den beiden Geschäften von Daniel Thiel inzwischen wieder möglich.

In der nächsten Folge erzählen zum Abschluss der Serie Carola Ziffzer, Vermieterin und „Schiffchen“-Bewohnerin, und Ann-Kristin Lauber-Neu, Gründerin von „Anni´s Brautjacke“