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Wiesbaden ist Deutscher (Internet-)Fußballmeister 2012!

 

Von Sebastian Wenzel. Fotos Mary Goldfinger.

Wiesbaden ist deutscher Fußballmeister 2012 – zumindest im Internet. Auf hattrick.org kämpfen knapp 50.000 Freizeittrainer um die Meisterschale. In der aktuellen Saison hat sie ein Wiesbadener erobert. Dirk Hofmeyer liebt Statistiken und Tabellen. Sie helfen ihm dabei, den Überblick zu behalten. Das ist wichtig, denn Hofmeyer hat eine verantwortungsvolle Position. Er ist seit 2005 Manager des Fußballvereins SV Dirkito Wiesbaden. Nie gehört? Kann schon sein: den Verein gibt es nur im Internet.

Dort aber mit riesigem Erfolg: Der SV Wehen Wiesbaden stolpert durch die dritte Liga, der digitale Konkurrent flaniert durch die Bundesliga. Auf der Tribüne der Brita-Arena stehen, sitzen und langweilen sich maximal 12.250 Personen, in der virtuellen Drei Lilien Arena jubeln bei vollem Haus über 66.000 Fans dem aktuellen Deutschen Hattrick-Meister zu. 

Hattrick ist ein Fußball-Managerspiel im Internet. Nach Auskunft der Macher sogar „das“ Fußball-Managerspiel im Internet. Hattrick gibt es in 128 Ländern, über 634.000 Nutzer haben sich weltweit angemeldet. Und fast alle wollen mit ihrem Verein dahin, wo Hofmeyer bereits ist: ganz nach oben. Wer die Meisterschale in die Höhe recken will, benötigt jedoch viel Geduld. Jeder Spieler startet mit seiner Mannschaft in der untersten Liga. Von dort muss er sich an die Spitze kämpfen.

Etwa zehn Stunden pro Woche investiert Hofmeyer, der in seinem „echten“ Beruf bei Milupa dafür verantwortlich ist, dass immer ausreichend Babynahrung in den Supermarkt-Regalen steht, in den Erfolg. An seinem Laptop  verwaltet er Vereinsfinanzen, diktiert die Aufstellung fürs kommende Spiel und kauft neue Talente. „Hattrick entspannt mich. Es macht mir Spaß, herauszufinden, wie ich meine Mannschaft verbessern kann“, sagt Hofmeyer. Für die virtuelle Unterhaltung  zahlt der 34-Jährige reales Geld. Die Hattrick-Premium-Mitgliedschaft kostet pro Jahr knapp 35 Euro. Dafür erhält er exklusive Funktionen. Er kann unter anderem  Pressemitteilungen auf der Plattform veröffentlichen, in ausführlicheren Statistiken stöbern und eine eigene Vereinskleidung entwerfen. 

Virtuelle Lilien-Trikots 

Seine Spieler laufen in blauen Hemden mit goldenen Lilien aufs Feld – pünktlich jeden Samstag um 18:00 Uhr.  Ins Schwitzen kommen bei den virtuellen Partien jedoch weder die Sportler noch Hofmeyer. Nur der Computerprozessor, der die Partie analysiert, läuft heiß. Wer gewinnt, bestimmt der Rechner anhand komplexer Formeln. Wichtige Faktoren sind unter anderem die Aufstellung, der Heimvorteil, die Kondition  sowie das Selbstvertrauen der Spieler. „Vor jedem Spiel analysiere ich meinen Gegner. Ich überlege mir, wie er mich schlagen möchte, was ich dagegen unternehmen kann und mit welcher Taktik ich gewinne“, sagt Hofmeyer. Am liebsten spielt er mit drei Verteidigern, fünf Mittelfeldspielern und zwei Angreifern.

Anders als der Trainer des SV Wehen Wiesbaden kann Hofmeyer während der Spiele nicht eingreifen. Er muss sich vor dem Spiel festlegen, ob er bei einem Rückstand in der 60. Minute lieber den Flügelspieler Heikki Mömmö oder den Stürmer Marco Sesamo einwechseln will. Beim entscheidenden Spiel um die Meisterschaft verfolgte Hofmeyer trotzdem regelmäßig den Eil-Ticker.  Seine Mannschaft gewann mit 2:1 gegen die „Aquakicker 57“ aus Niedersachsen. 

Meisterfeier mit Minipokal von der Freundin 

 Im Internet gratulierten ihm andere Nutzer zur Meisterschaft, im echten Leben überreichte ihm seine Freundin einen Minipokal und eine Flasche Sekt. Auf hattrick.org sind jetzt – wie nach jeder Saison – zwei Wochen Pause. Dann startet die neue Saison. Hofmeyer nutzt die Zeit, um seinen Kader zu verjüngen. Schließlich startet er als Deutscher Meister auch im „Hattrick Masters“. Der Wettbewerb ist der virtuelle Klon der Champions League. Wer weiß, vielleicht ist Wiesbaden bald nicht nur deutscher Fußballmeister, sondern auch Fußballvereinsweltmeister – zumindest im Internet. 

Übrigens: Für alle, die Hattrick selbst ausprobieren möchten, hier noch drei Tipps vom Profi: „Erstens: Geld sparen, nicht alle Euros direkt am Anfang ausgeben. Zweitens: Geduld haben. Es ist noch kein Fußballmeister vom Himmel gefallen. Und drittens: Fragen fragen. Andere Nutzer helfen gerne, wenn man sie freundlich anschreibt.“