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Wiesbadener Hochschul-Professor gewinnt bei Bundespräsidentenwahl: Aufmerksamkeit für Obdachlose

Natürlich hat Gerhard Trabert heute nicht die Wahl zum Bundespräsidenten gewonnen. Aber der Wiesbadener Hochschul-Professor hat bei der Wahl zum Bundespräsidenten etwas gewonnen: Aufmerksamkeit für sein Herzensthema, die Obdachlosigkeit in unserem Land. Und zwar mehr Aufmerksamkeit, als der 65-Jährige sich erträumt hätte. Der erwartungsgemäß wiedergewählte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier widmete Trabert und seinem Thema gut eine Minute seiner Dankesrede.

Vor der Reise nach Berlin hatte Trabert, der in Wiesbaden als Professor für Sozialmedizin und Sozialpsychiatrie an der Hochschule RheinMain am Fachbereich Sozialwesen lehrt, in Mainz den Verein „Armut und Gesundheit“ mit unter anderem dem Arztmobil für Obdachlose leitet und sich auch im Ausland vielfach humanitär engagiert, nicht allzu viel Hoffnung, mit Steinmeier im Rahmen der Wahl ins Gespräch kommen zu können. Schließlich gab es pandemiebedingt auch keinen Empfang. Vielleicht könne man dies ja zu einem späteren Zeitpunkt nachholen, hatte der parteilose Kandidat der Linken in einem Beitrag der VRM-Tageszeitungen (hier – Plus-Artikel) gesagt. Dem Bundespräsidenten, der sich in seiner Dissertation mit dem Thema Obdachlosigkeit beschäftigt hatte, war das Schwerpunktthema seines chancenlosen Gegenkandidaten aber offenbar nicht entgangen.

Steinmeier zu Trabert: „Ich hoffe, dass Ihr Impuls erhalten bleibt“

„Ich will an dieser Stelle aber auch meinen Respekt ausdrücken für meine Mitbewerberin und Mitbewerber in dieser Wahl“, sagte Steinmeier heute erwartungsgemäß in seiner zwanzigminütigen Dankesrede. Einen sprach das alte und neue Staatsoberhaupt direkt an: „Gestatten Sie mir, sehr geehrter Professor Trabert, noch ein zusätzliches Wort. Sie haben mit Ihrer Kandidatur auf ein Thema aufmerksam gemacht, das mehr Aufmerksamkeit verdient: die Lage der Ärmsten und Verwundbarsten in unserem Land. Dafür gebührt Ihnen nicht nur Respekt, sondern ich hoffe, dass Ihr Impuls erhalten bleibt“, sagte Steinmeier. Er fuhrt fort: „Das Thema Obdachlosigkeit beschäftigt uns beide – Sie wissen es – seit langer Zeit. Warum schauen wir nicht, ob wir diesem drängenden Thema gemeinsam mehr Aufmerksamkeit verschaffen können?“. Und dann die eindeutige Einladung: „Ich würde mich freuen, wenn wir darüber ins Gespräch kämen.“

Botschaft auf der roten Krawatte

Im Paul-Löbe-Haus, wo die Bundesversammlung zur Wahl des Bundespräsidenten heute tagte, gab es für diese Passage kräftigen Applaus. Der angesprochene und von dieser Geste augenscheinlich überraschte Gerhard Trabert erhob sich leicht mit einer Geste des Dankes und der Zustimmung zu den Worten des Bundespräsidenten. Das Gesprächsangebot wird er gerne annehmen, vielleicht den alten und neuen Bundespräsidenten ja sogar tatsächlich zu einer Mitfahrt in seinem Mainzer „Arztmobil“ zur mobilen Versorgung Obdachloser bewegen können. Diese Idee hatte Trabert in dem VRM-Zeitungsbeitrag geäußert.

Ein klares Signal „schmuggelte“ Trabert heute übrigens auch mit seiner  roten Krawatte in das staats(oberhaupts)tragende Ereignis ein: „Leave No One Behind“, war auf dieser zu lesen – #LeaveNoOneBehind ist Hashtag und Kampagnenslogan zum humanen und solidarischen Umgang mit Flüchtlingen.

(Dirk Fellinghauer, Fotos Bundespräsidialamt, Jana Kay)

Weiterlese-Tipp: Gerhard Trabert im sensor-2×5-Interview von 2016.