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Yeah, ein Kritzelmuseum! Die Tagebucheinträge des „Stararchitekten“ Helmut Jahn

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Trotz massiver Kritik und offener Fragen: Das Parlament hat den Weg frei gemacht für ein Stadtmuseum.  Der Helmut-Jahn-Entwurf für den Neubau erntete viel Hohn und Spott. Nun hat der „Stararchitekt“ nachgebessert. Mit einer schludrigen Kritzelei. Das passt zum Umgang der Stadt mit dem Thema. sensor wurde sein Tagebucheintrag zugespielt.

 

„Chicago, 14. November 2014: Hey, Tagebuch! Mal wieder Stadtmuseum Wiesbaden. Eigentlich eine Lachnummer, aber ich hab  mich drauf eingelassen, drum mach ich nun gute Miene zum seltsamen Spiel. Als ich damals den Entwurf der Presse präsentiert habe, gab es viel Aufsehen. Erst waren alle aus dem Häuschen über den „Coup“, dass ich – der große! Helmut!! Jahn!!! – engagiert wurde. Dann haben ein paar peoples genauer hingeschaut, und schnell war es vorbei mit der Begeisterung. Meine Kollegen zerreißen sich da das Maul über mich. Sind halt neidisch, dass man sie nicht gefragt hat.

Nicht nur mein Entwurf für das Autohaus, – sorry, bringe dauernd meine aktuellen Aufträge durcheinander – I mean, für die  Ausstellungshalle, die als Museum genutzt werden kann, gefällt vielen nicht. Die ganzen conditions bringen viele auf die Palme, von wegen horrende Kosten für das Mietmodell (1,89 Mio. Euro im Jahr für 29,5 Jahre) und so – Peanuts, wenn du mich fragst. Kleine Theaterbühnen und so ein Zeug? Well, nice to have vielleicht in einer Landeshauptstadt, doch wer braucht das schon wirklich? Aber that´s none of my business, ich bin für die Architektur verantwortlich. Anyway, die Stadt muss nun so tun, als würden sie hart mit mir verhandeln, damit ich „Nachbesserungen“ vornehme. Können sie haben. Hab neulich, als bei einem Businesstermin mein Gesprächspartner ein paar Minuten Verspätung hatte, schnell was hingekritzelt. Mein Tagebucheintrag damals:

New York, 16. Oktober 2014: Oh yeah – transparent – da stehen die drauf in Wiesbaden, das schreib ich gleich mal dick drauf auf das, was ich denen als Skizze unterjubeln werde. Vielleicht merken sie dann nicht, dass ich in Wirklichkeit keinen Strich an „meinem“ – höhöhö, they really believe it was me who drew this crap – Entwurf verändert habe. Ab damit nach Wiesbaden, und ich kann mich wieder in Ruhe um die projects kümmern, die mich wirklich interessieren.

Guess what: It worked out. Die kaufen mir ja alles ab. Bin ja schließlich Star-Architekt. In Wiesbaden ist die Kulturdezernentin großer Zampano in Sachen Stadtmuseum. Die Frau gefällt mir. Zieht das Ding durch und schert sich null um Einwände, Kritik und so was. Lässt sich von niemandem was sagen, und sagt auch niemandem was. Dem Parlament in der entscheidenden Sitzung Details erklären? Wozu denn? Reden (wenn SIE es will) ist Silber, Schweigen (wenn andere wollen, dass sie redet) ist Gold. Coole attitude. Neulich hat sie mir bei einem phone call erzählt, da gäbe es so einen lästigen Journalisten, der in seinem Magazin immer mit kritischen Stimmen zum Museum nervt und sogar die Bevölkerung – also diejenigen, die das Museum mal nutzen sollen –  zu Wort kommen lässt. Sie würde ihn jetzt zur Strafe nur noch mit „Sie Schluri“ begrüßen. Hab mal nachgeschaut, was das heißt, so gut ist mein Deutsch ja nicht mehr. „Schlitzohr, schlampiger, leichtfertiger Mensch“, aha. Well, wenn wir ehrlich sind, müssten sich ja alle Beteiligten dieses Projekts so nennen. Aber pst, bleibt unter uns, alright!?

Ich verstehe by the way gar nicht, warum sich alle beschweren, dass die Räume im Entwurf zu hoch wären. Die Überlegung meines Praktikanten von mir war halt, dass da irgendwann die Windräder rein passen, die die Wiesbadener jetzt mitten in ihre Stadt bauen wollen. Ich glaube nämlich ehrlich gesagt, bis dieses Museum steht, sind Windräder längst museumsreif. Geniale Überlegung, isn´t it?“

Whistleblower: Dirk Fellinghauer, Bild OFB/Jahn

Keine Satire:

Eine Diskussionsverstaltung „Die Architektur des Stadtmuseums“ mit Helmut Jahn findet am 15. Dezember um 19 Uhr in der Casino-Gesellschaft statt. Außerdem auf dem Podium: Kulturdezernentin Rose-Lore Scholz sowie Jochen Baumgartner, Vorsitzender Förderverein Stadtmuseum, Dr. Rolf Faber, Vorstand Verein für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung, Georg Schmidt-von rhein, Vorsitzender Casino-Gesellschaft. www.casino-gesellschaft.de

Die Initiative „Gemeinwohl hat Vorfahrt“ hat ein Bürgerbegehren „Nein zum Mietmodell für das Stadtmuseum – Ja zur Aufhebung des Stadtparlamentsbeschlusses“ gestartet und hofft bis zum 10. Januar auf mindestens 6300 Unterschriften: www.gemeinwohlhatvorfahrt.de 

Heute – Donnerstag, 27. November – findet um 19.30 Uhr im Treffpunkt aktiv, Adlerstraße 19, eine Podiumsdiskussion zum Bürgerbegehren gegen den Mietmodell-Beschluss der Stadtverordnetenversammlung zum Stadtmuseum statt. Auf dem Podium: Mario Bohrmann, Lilienjournal, Moderation; Meinrad von Engelbert, BI „Gemeinwohl hat Vorfahrt“, Vertrauensmann des Bürgerbegehrens; Margarethe Goldmann, ehemalige Kulturdezernentin der Stadt Wiesbaden; Hartmut Bohrer, Stadtverordneter, DIE LINKE; Dorothea Angor, Stadtverordnete, DIE GRÜNEN; Michael Göttenauer, Stadtverordneter, PIRATEN; K.H. Maierl, Fraktionsgeschäftsführer der Bürgerliste Wiesbaden BLW.

  

 

 

 

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