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BI „Haus der Stadtkultur“ resigniert: Privatisierung über „Tarnbegriffe“ statt öffentliche Nutzung im Alten Gericht

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Enttäuscht und ernüchtert zieht die Bürgerinitiative „Haus der Stadtkultur im Alten Gericht“ heute mit Blick auf den Kalender Bilanz: „Die Stadt beweist ein feines Gespür für Timing: Vor einem Jahr, am 14.12.15, gab es eine turbulente Bürgerversammlung zur Zukunft des Alten Gerichts. 366 Tage später soll die Änderung des Bebauungsplans, die aus dem öffentlichen ein Privatgebäude macht, ganz hinten auf der Tagesordnung möglichst lautlos durch die Stadtverordnetenversammlung gebracht werden. Wir bezweifeln, ob sich Wiesbaden über dieses Weihnachtsgeschenk zu Recht freuen kann“, heißt es zum Einstieg in eine Pressemitteilung zum Jahrestag der Bürgerversammlung.

Dr. Meinrad v. Engelberg, Sprecher der B.I. „Haus der Stadtkultur im Alten Gericht“, fasst die „wenig ermutigende Bilanz eines mehrjährigen Engagements“ zusammen. „Vor der Kommunalwahl im März 2016 haben  nahezu alle Fraktionen feierlich zugesagt, die Vorschläge für ein Haus der Stadtkultur und Stadtgeschichte im Alten Gericht  „ergebnisoffen zu prüfen“. Die Kostenrechnung von Dr. Gerhard Obermayr für Umbau und Betrieb des Gebäudes sei bis heute unwidersprochen. Man habe den Wunsch der 6.600 Unterzeichner und die eigenen Versprechungen einfach vom Tisch gewischt. „Diese Form der Bürgerbeteiligung, die nicht von oben gesteuert ist, war und ist nicht erwünscht. also wurde sie einfach ignoriert – ebenso wie unsere schriftlichen Einwendungen zur Bebauungsplanänderung, auf die wir bis heute keine Antwort erhalten haben. Das nennt man ‚vollendete Tatsachen schaffen‘!“ ergänzt Franz Kluge.

Das Publikumsinteresse nach der Eröffnung des SAM im September zeigt aus Sicht der Bürgerintiative zweierlei: Das Thema Stadtgeschichte sei keineswegs „durch“, die Neugier darauf bestehe weiterhin, vielleicht zunehmend. Und: „Der lichtlose Info-Keller unter dem Markt wird dieser Nachfrage bei allem guten Willen der Akteure auf Dauer nicht gerecht werden können.“  Außerdem fehlen nach Ansicht der „Haus der Stadtkultur“-Aktivisten „die vielen anderen Aspekte, die Stadtkultur und Urbanität eben auch ausmachen“: die Orte für Künstler, Austausch, Ausstellungen, Dialog, Lehren und Lernen, freie Gruppen, Kinder, Alte, Migranten usw.

Im Alten Gericht hätte es genug Raum dafür gegeben. „Aber der wird jetzt eben kommerzialisiert und privatisiert – unter dem schönen Tarnbegriff „teilöffentlich“ werden sich nun schicke Start-Ups der „Kreativbranche“ in den historischen Gerichtssälen breit machen. Was ist mit den Menschen, die nicht deren potentielle Kunden sind und sich keine teuer sanierten Wohnungen der Nassauischen Heimstätte leisten können?“, vermitteln die Verfasser der Pressemitteilung den Eindruck von Tatsachen, die allerdings noch nicht geschaffen wurden. Zwar gibt es die Absicht, Wohnungen zu errichten und Teile des Gebäudes der Kreativwirtschaft zu überlassen. Was genau am Ende realisiert wird, in welcher Form, Ausrichtung und in welchem Umfang genau sowie mit welchen möglichen Ergänzungen, ist bisher keineswegs ausgemachte Sache.

„7.800 qm prächtiger Bausubstanz waren in öffentlicher Hand und hätten einer kulturellen Nutzung weit offen gestanden“, beklagen sie: „Die Stadtregierung hatte nicht den Mut, diese Chance gemeinsam mit der Landesregierung zu ergreifen.“ Wie an der Wilhelmstraße 1 würden Filetstücke lieber privatisiert. „Wir haben ernsthaft erwogen, ob wir als Bürger nicht selbst eine Stiftung gründen könnten, um das Gebäude zu erwerben und der Allgemeinheit zu erhalten – aber wie soll eine kleine B. I. seriös eine solche Aufgabe im öffentlichen Interesse stemmen, die sich der Magistrat selbst nicht zumuten will? Bürgerengagement hat anscheinend nur noch dann eine reale Chance,, wenn man zugleich als millionenschwerer Investor und „Mäzen“ daherkommt“, heißt es in Anspielung auf die Entwicklungen um das Grundstück Wilhelmstraße 1.

Christa Bisenius-Kluge ergänzt: „Eine einzige Partei war wirklich konsequent und verlässlich: Die CDU! Deren Vertreter haben  niemals den Anschein erweckt,  als wollten sie  ernsthaft auf unsere Anliegen eingehen. Das kann man immerhin als Geradlinigkeit bezeichnen. Wir danken jedenfalls den vielen tausend MitbürgerInnen, die uns durch ihr Votum unterstützt haben. Das Alte Gericht wäre das ideale „Haus der Stadtkultur“ gewesen. Aber es ist nun mal nicht möglich, eine solche Idee „von unten“ erfolgreich zu entwickeln, wenn die „oben“ einfach nicht wollen und entschlossen „mauern“. Das sagt nichts über die Qualität des Vorschlags – aber vieles über die heutige Verfasstheit unserer Stadt!“ (dif)