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„Chance für ein weiteres `Folklore´ wird es nicht mehr geben“ – Veranstalter streichen die Segel – Insolvenz der Volkswirtschaft UG

Folklore2015

 

Bilder wie diese boten sich beim diesjährigen Folklore015-Festival. Besucher? Mangelware! Mit einem offenen Brief haben die Folklore-Macher heute das besiegelt, was sich schon bald nach dem Festival abzeichnete: das „Aus“ für Folklore nach 39 Jahren. Die Stadt hat nicht nur die üblichen Zuschüsse gestrichen, sondern wird auch nicht für die in diesem Jahr aufgelaufenen Verlust aufkommen. Und dabei war im Sommer 2014 noch in der sensor-Titelstory zum Thema Folklore-Zukunft zu lesen: „Das Stadtparlament beschloss einstimmig, dass „Folklore als wichtiges Kulturgut zu erhalten“ sei. Kein alltäglicher Vorgang, der die Bedeutung des Festivals für Wiesbaden unterstreicht“. Ironie der Geschichte – den Antrag hatten CDU und SPD eingebracht, die nun die Zuschüsse gestrichen haben. Während sich nun manche Wiesbadener Parteien und politische Nachwuchsorganisationen noch dafür stark machen, nach Alternativen für zumindest ein vergleichbares Festival zu suchen, streicht „die Folklorecrew“ endgültig und unmissverständlich die Segel. Wir veröffentlichen den heute versandten Offenen Brief im Wortlaut:

An alle Wiesbadener Bürgerinnen und Bürger,
alle Fans,
alle AnwohnerInnen,
alle KünstlerInnen und StändlerInnen
und alle Wiesbadener PolitikerInnen und EntscheiderInnen,

Offener Brief zum Folklore Festival

„Nachdem die große Koalition aus CDU/SPD ihren Haushaltsentwurf vorgelegt hat, steht fest: Das Festival„Folklore“ erhält ab 2016 keinen städtischen Zuschuss mehr.

Ohne einen Zuschuss ist das Festival – so wie wir es kennen – nicht finanzierbar.
Ebenfalls wird die Stadt Wiesbaden – anders als bisher kommuniziert – nicht dazu beitragen, den Verlust von „Folklore 015“ aufzufangen.

Der Weg der Veranstalterin „Volkswirtschaft UG“ in die Insolvenz ist damit unumgänglich geworden. Das ist sehr bitter. Für das Publikum, für alle Mitwirkenden, für unsere Partner, für die Landeshauptstadt Wiesbaden und nicht zuletzt für uns.

Bereits vor der Privatisierung im Jahr 2004, als „Folklore“ noch vom Sozialdezernat veranstaltet wurde, hat das Festival die Stadt mehr Geld gekostet als „nur“ den Zuschuss.

Nachdem wir Folklore übernommen hatten, bestand unsere erste Aufgabe darin, den von der Stadtverordnetenversammlung beschlossenen Auszug aus dem Freudenberger Schlosspark zu vollziehen. Hinein in eine jahrelange Baustelle am Schlachthof ohne Zeltmöglichkeiten. Sicher kein optimaler Start.

Wir haben dieses Festival geliebt. Und wir haben es immer wieder geschafft, auftretende Verluste zu kompensieren. Langfristig haben wir eine finanzielle „Null“ geschrieben, ohne das Festival in seinem Wesen zu zerstören. So konnte Folklore erhalten bleiben. Zehn Jahre lang.

Da aber nie langfristige Rücklagen erwirtschaftet werden konnten und die Produktionskosten im Lauf der Jahre stetig stiegen, mussten wir Folklore 2015 erneut reformieren.

Unser neues Konzept hat nicht funktioniert. Es kamen weitaus weniger BesucherInnen, als zur Deckung der Kosten nötig gewesen wären. An dieser bitteren Erkenntnis führt kein Weg vorbei.

Die Chance für ein weiteres „Folklore“ wird es nun nicht mehr geben. Mit der Streichung des Zuschusses wurde eindeutig postuliert: Das Festival – so wie wir es kannten – wird ein Jahr vor dem 40jährigen Jubiläum beerdigt.

Gerne hätten wir einen würdigeren Abschied genommen. Folklore hätte es verdient.
Auf Wiedersehen, Folklore, auf Wiedersehen!

Die Folklorecrew

Was sagt ihr dazu? Was bedeutet das Ende von Folklore für Wiesbaden? (Wie) könnt ihr euch nach dem `Aus´ dieses Folklore-Festivals die Etablierung eines Festivals vorstellen, das die entstehende Lücke in Wiesbaden schließt?

4 responses to “„Chance für ein weiteres `Folklore´ wird es nicht mehr geben“ – Veranstalter streichen die Segel – Insolvenz der Volkswirtschaft UG

  1. Ich fasse mal zusammen:

    Einst existierte in Wiesbaden Kultur. Ein Festival im Grünen, zusätzlich der Schlachthof als Schmelztiegel der Subkultur. Es gab Bars wie das Clöeb Frisch. Wiesbaden war ein besonderer Ort.

    Heute kein Festival mehr, der Schlachthof sieht aus wie ein Aldi im Neubaugebiet. Und das Clöeb Frisch wurde geschlossen. Wiesbaden ist tot.

  2. So bitter es ist, ich mag es nicht, die Flinte ins Korn zu schmeißen. Alles verändert sich, so ist es. Und so verändert sich auch ein Schlachthof oder die Stadtkultur. Klar, der alte Schlachthof war cool und das Folklore auch, aber der neue Schlachthof ist es auch, wenn wir ihn dazu machen! Und ein neues Festival, wenn denn eines entstehen sollte irgendwann, wird eben neu und anders, aber es wird etwas entstehen. Ich bin bereit für alles Neue und ich habe Bock, das, was kommt offen anzunehmen, anstatt alles für tot zu erklären. Ich mag Wiesbaden, so schwer sich die Stadt auch mit Subkultur tut. Aber den Spaß lasse ich mir davon nicht verderben, und ein dickes Lob geht sowieso an die Festivalbeteiligen und den Sensor, ihr leistet großartige Arbeit für unsere Stadt! Danke und auf ein Neues!

  3. Stimmt Svenja, Hoffnung gibt es immer.

    Aber man muss die Situation manchmal etwas düsterer zeichnen, um Menschen wie Sven Gerich, der gerade 6 Millionen verschenkt hat, aufzuwecken. Von diesen 6 Millionen wären die nächsten 40 Jahre Folklore gesichert gewesen.

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