Interview Dirk Fellinghauer. Foto Arne Landwehr.
BERUF
Ganz ehrlich: wie viele der Themen eines Tages kapieren Sie wirklich?
In dem Moment, wo ich moderiere, bin ich ziemlich im Bilde. Nach einer Woche frage ich mich dann aber manchmal: Wie war das noch mal? Die Kunst ist es, mich so in ein Thema rein zu arbeiten, dass ich es aus dem Stand jedem in drei Minuten in der Kneipe erklären könnte. Ich muss dem Zuschauer bei jedem Thema klar machen, warum ist es für mich und für Deutschland wichtig? Und das als Ergebnis eines langen Tages des Filterns und Aussiebens von allem, was auf der ganzen Welt passiert.
Einer ihrer legendären Vorgänger, Hanns Joachim Friedrichs, gab die die Maxime aus, Journalisten sollten sich „nicht gemein machen mit einer Sache, auch nicht mit einer guten.“ Stimmen Sie zu?
Es ist einer der meist falsch zitierten Sätze. Ich erinnere mich sehr gut daran, er war auch für mich ein großes Vorbild. Es geht eigentlich um die Frage, wie viel Emotion Journalisten zeigen dürfen. Es heißt aber nicht, dass man ein neutrales Etwas sein sollte. Wenn ich finde, etwas ist Käse, lasse ich es schon durchblicken. Ich möchte aber auf keinen Fall dem Zuschauer vorgeben, was er zu denken hat.
Sie sind der wohl erste Tagesthemen-Moderator mit „Shitstorm“-Erfahrung. Spüren Sie Ausläufer des Sturms der Entrüstung über ihren Kommentar „Möge der bessere gewinnen“ in der Halbzeitpause des EM-Halbfinales Deutschland-Italien bis heute?
Ich glaube, das wird auf meinem Grabstein stehen: „Möge der Bessere gewinnen. Gott 1, Zamperoni 0“. Das war schon eine spannende Erfahrung. Im Nachhinein hätte ich es besser nicht planen können. Wer bis dahin nicht wusste, dass ich der Neue bei den Tagesthemen bin, wusste es ab dann. Nach der ersten Aufregung kippte die Stimmung aber schnell, und ich bekam zehnmal mehr Waschkörbe mit zustimmender Post. Plötzlich drehte sich die Debatte um Toleranz und Integration. Es kam viel Zustimmung von Halbitalienern, – griechen, -türken mit dem Tenor: Genau so verstehen wir uns, nicht zwischen zwei Stühlen, sondern auf zwei Stühlen. Schließlich bekam ich sogar den Integrationspreis der Bayerischen Staatsregierung. Ich dachte erst, die wollen mich verarschen.
„Der Bessere möge gewinnen“ – dachten Sie als Halbitaliener das auch bei der Papstwahl?
Och, die Papstwahl. Ich habe mich nie als „Wir sind Papst“ verstanden, obwohl ich als Halbitaliener natürlich katholisch bin. Ich hätte eher gesagt: Möge der gewinnen, der die Kirche am Scheideweg ins 21. Jahrhundert bringen kann.
Eine Ihrer Hauptaufgaben ist die Übermittlung von Grausamkeiten – verfolgt Sie Ihre Arbeit auch in den Traum?
Ja, das kommt vor. Manche Geschichten gehen näher als andere. Da verfolgt einen schon manches, aber man muss auch journalistische Distanz wahren. Ich will den Zuschauern nicht meine Betroffenheit zumuten, was sich aber wiederum auch nicht zu Gleichgültigkeit abnutzen darf. Das Rohmaterial, das wir zu sehen bekommen, ist oft noch viel härter. Wir haben eine Verantwortung, nicht einfach alles rauszuhauen. Seit ich Kinder habe, kann ich allerdings in einer Sendewoche schon allein deshalb gut schlafen, weil ich dann immer eine gewisse Grundmüdigkeit habe.
MENSCH
Sind Sie ein Nachtmensch?
Absolut. Meine Kollegen im Morgenmagazin tun mir leid. Das könnte ich nicht. Ich habe auch während des Studiums meine Hausarbeiten immer nachts geschrieben. Mein „verschobener“ Arbeitstag kommt mir daher entgegen. Zumindest, bis die Kinder kamen, ging das gut. Inzwischen habe ich graue Haare bekommen.
Ihre Zwillinge sind 4 ½, Ihre Tochter 1 ½. Welche Fernsehpolitik herrscht im Hause Zamperoni?
Wir versuchen, sehr restriktiv zu sein, wobei das natürlich relativ ist. Wenn wir unsere Verwandten in den USA besuchen, sind wir überrascht, wie viel die Kinder dort fernsehen. Ich selbst habe Italienisch gelernt, weil ich bei meinen Großeltern „Cartoni animati“ schauen durfte. Also alles in Maßen, aber Fernsehverbot gibt es bei uns nicht. Das wäre ja auch etwas scheinheilig bei meinem Beruf. Das „Sandmännchen“ ist der Fixpunkt. Außerdem bin ich sehr froh über die Erfindung von Kika. Da denke ich immer, wenn sie diesen Sender schaue, wird schon nichts laufen, was sie nicht sehen sollten.
Gibt es in ihrer Heimatstadt Wiesbaden einen Ort, auf den Sie noch neugierig sind, zu dem Sie es aber noch nie geschafft haben?
Ich war noch nie auf der Spitze der Marktkirche. Darf man da hoch? Da hat man bestimmt einen super Ausblick. Ansonsten ist das Nerotal mein Lieblingsort. Da habe ich auch viel Zeit in meiner Jugend verbracht, ich habe ja beim WTHC Hockey gespielt, oder im Opelbad mit dem tollen Blick über die Stadt.
Verraten Sie uns Ihren Lieblings-Italiener in Wiesbaden?
Das ist meine deutsche Mutter. Sie hat von meiner italienischen Großmutter die italienische Küche gelernt und perfektioniert. Wenn wir mal essen gegangen sind, dann eher gutbürgerlich deutsch. So habe ich in Wiesbaden leider keinen Lieblings-Italiener.
Und was muss auf Ihre Pizza?
Auf jeden Fall Pilze und Pepperoni, oder Jalapenos, und scharfe Salami. Ein bisschen was Scharfes auf jeden Fall, oder ruhig auch ein bisschen mehr.