Interview Dirk Fellinghauer. Foto Simon Hegenberg.
BERUF
Welche Aufgaben haben Sie als Produzentin eines Kinofilms?
In diesem Metier gibt es keine wirklichen Regeln. Ich persönlich konzentriere mich lieber auf einen Film und bin dann überall involviert: im kreativen Prozess der Drehbuchentwicklung bis dahin, dass ich mich drum kümmere, dass die Titel stimmen. Ich kümmere mich auch um die Finanzierung. Ich sitze also sowohl stundenlang vor meiner Excel-Kalkulation als auch in Drehbuchbesprechung. Weniger bin ich am Set, da habe ich nichts zu tun. Da bin ich eher, wenn es ein Problem gibt.
Sie haben Ihre Laufbahn als Schauspielerin begonnen. Wie kam der Wechsel zur Produktion?
Der Schauspieler ist meistens jemand, der wartet, und abhängig ist von anderen Leuten und von dem, was auf dem Markt ist. Das war sehr frustrierend. Als Produzent bist Du der Initiator. Du selbst hast es in der Hand. Ich startete gleich mit einem Langspielfilm, ein schräger poetischer Thriller: „Les Déclassés“, auf Deutsch „Ausgemustert“. Alle sagten erst mal, was ist das denn? Dann gab es aber eine recht erfolgreiche Festivaltour. Eigentlich dachte ich nach diesem ersten Film „Nie wieder!“, aber dann ist es ein bisschen wie mit Drogen, man hat den Kick und will es immer wieder machen.
Wie sehr sind bei der Auswahl eines Filmstoffes Ihre Gedanken beim Budget?
Ich habe schon öfters mit Uwe Boll gearbeitet, auch bei dem Max Schmeling-Film. Da hatten wir ein Budget von ca. 5 Millionen in der Hand. Das macht natürlich Spaß, weil da alles sehr einfach ist. Du rufst nur einmal jemanden an. Aber natürlich ist die Motivation der Mitarbeiter dann auch eine finanzielle. Wenn Du ein kleines Budget hast, mußt Du öfters anrufen, kriegst aber mehr die Leute, die wegen dem Projekt dabei sind. Das sind dann ganz andere Energien, die da sind. Spaß macht alles.
In ihrem aktuellen Film „Am Himmel der Tag“ verbinden Sie das wilde Partyleben Berlins mit dem harten Thema der „stillen Geburt“. Hatten Sie keine Befürchtung, Besucher abzuschrecken?
Am Anfang stand ein Kurzfilm und die Regisseurin kam von der Filmhochschule. Da weiß man schon, in welchem Rahmen man sich bewegt. Man hat mehr Freiheiten, weil nicht das Finanzielle im Vordergrund steht. Man denkt dann nicht, man muss es so oder so schreiben, damit mehr Leute ins Kino kommen. Das Thema der stillen Geburt kam im Prozess des Schreibens. Es ist ein tolles Thema. Was mich aber vorallem interessiert hat, war das Generationsporträt. Ich mag Filme, die keine geradlinige Erzählstruktur haben.
Wie viel Wiesbaden steckt in dem Film?
Der Film spielt in Berlin. Wir hatten Geld von der Hessischen Filmförderung bekommen, deshalb mussten wir außer in Berlin auch hier drehen. Wir haben viele kleine Szenen in Geschäften gewählt, also innen. Das Gute in Wiesbaden ist, dass man diese an einem Tag drehen kann. Du gehst einfach über die Straße und bist beim nächsten Motiv. In Berlin hätten wir doppelt so viel Zeit dafür gebraucht. Und die Leute hier sind ganz anders drauf. Denen macht das Spaß, in Berlin ist das ´ne andere Nummer. Es waren auch einige Wiesbadener an der Produktion beteiligt, im Kamerateam, in der Aufnahmeleitung und Hennes Grossmann als Produktionsleiter in Wiesbaden. Der kennt jeden, der weiß alles, das ist auch das Schöne hier, man hilft sich gegenseitig.
MENSCH
Was hat Sie mehr geprägt: als Tochter eines internationalen Topmanagersaufzuwachsen, Ihr Vater Tom Sommerlatte war langjähriger Europachef von Arthur D. Little, oder als eine von zwölf Geschwistern?
Als eine von zwölf Geschwistern, auf jeden Fall. Von meinem Vater habe ich gar nicht so viel mitbekommen, als ich klein war. Das Aufwachsen in Engenhahn-Wildpark, wo nur ein paar Häuser stehen, und der Schulbesuch in Idstein, das vor zwanzig Jahren noch ganz was anderes war, waren auch definitiv prägend. Jetzt bin ich ein Großstadtmensch. Wiesbaden ist das Minimum an Stadt, was ich brauche. Wenn ich erst mal ein Auto nehmen muss, um einen Latte Macchiato zu besorgen, ist das nicht mein Ding.
Gab es Rebellion im Elternhaus?
Es war sehr stark katholisch. Ich habe eine Schwester, die ist Nonne, und zwar „Hardcore“-Nonne. Das war immer ein Konflikt, weil mir das unheimlich auf die Nerven ging. Aber heute finde ich es okay, dass jeder sein Ding macht. Das lernst Du, wenn Du elf Geschwister hast. Jeder hat einen Vogel irgendwo. Dann lernst Du, dass das normal ist, dass jeder irgendwas hat, was ein bisschen komisch ist.
Sie besitzen die deutsche und die französische Staatsbürgerschaft – in welchen Momenten des Lebens sind Sie eher deutsch und wann eher französisch?
Was ich mag, auch wenn ich es vielleicht nicht unbedingt selber habe, ist der französische Charme, das Flirten, was französische Männer auf jeden Fall besser können. In der Arbeit zeigt sich dann eher meine deutsche Seite.
Verläuft Ihr Leben nach Plan?
Ich habe es mir insofern leicht gemacht, dass ich mir keine Pläne gesetzt habe. Ich habe mir nicht gesagt, mit 25 das und mit 30 das. Es läuft!
Gehen Sie gerne feiern?
Ich gehe nicht gerne zu den großen anonymen Feiern. Das macht ab und zu mal Spaß. In Berlin besteht der Abend darin, irgendwohin zu gehen, und wenn Du da bist, besprichst Du gleich, wo Du noch alles hingehen musst. Das ist auf Dauer anstregend. Ich bin nach der Schule erstmal nach Paris und erst ab 1999 auch in Berlin gewesen, damals gab es schon witzige Abende, in irgendwelchen Kellern, wo es tropfte, mit diesen ganzen illegalen Clubs. In Paris triffst Du dich eher mit Freunden in Cafés oder zum Abendessen. Das ist heute auf jeden Fall mehr mein Ding.