Von Gesine Bonnet. Foto Samira Schulz.
Drei nicht mehr ganz junge Damen ziehen regelmäßig durch Wiesbadener Clubs. Ihre Mission: Locations für Klassikkonzerte aufspüren. Die Resonanz beflügelt das Trio.
Vier Jahre ist es jetzt her, da machten sich drei Damen von gediegener Eleganz auf zum Schlachthof, zu einem Termin mit dem Programmverantwortlichen Carsten Schack. Ihm trugen sie ihr Anliegen ohne viel Umschweife vor: Sie wollten ein Klassikkonzert in dem alternativen Kulturzentrum veranstalten. Das hatte es dort bis dahin nicht gegeben. Dank der Überzeugungskraft der drei Besucherinnen änderte sich das schnell. Noch im selben Jahr fand das erste Konzert von „Klassik im Klub“ im Schlachthof statt, vier Cellisten von den Cellharmonics traten mit drei Tänzerinnen von der Mainzer Delattre Dance Company auf. Ein großer Erfolg, die Veranstaltung war schnell ausverkauft, der Jubel am Veranstaltungsabend groß.
„Das hat uns sehr beflügelt“, sagt Micaela Gorka. Sie hat mit Doris Adler-Koch und Iris Eberle die Reihe „Klassik im Klub“ nach Wiesbaden gebracht, das Konzert im Schlachthof machte 2014 den Anfang. Aus der Taufe gehoben haben sie die Reihe allerdings 2011 in Mainz, im Club Roxy. Offizieller Ausrichter ist der Verein „Freunde junger Musiker – Musikkreis Mainz-Wiesbaden“, in dem alle drei Mitglied sind. Doris Adler-Koch trug hier einst die grundlegende Idee vor: „Ich hatte festgestellt, dass wir uns als Verein zwar auf die Fahnen geschrieben hatten, junge Musiker zu fördern, aber unser Publikum wurde immer grauer.“ Das wollte sie ändern. Also zog sie mit ihren zwei Freundinnen los, um Orte zu finden, an denen sich das szenige Jungvolk trifft. Genau hier sollten die Musiker auftreten – nicht irgendwelche, sondern ausgezeichnete klassische Interpreten unter dreißig Jahren. Die Altersbegrenzung entspricht nicht nur den Förderstatuten des Vereins, sondern hat auch handfeste Marketinggründe: „Jung zieht jung“, bringt es Micaela Gorka auf den Punkt und Iris Eberle ergänzt lachend: „Dafür haben wir jugendliches Temperament.“
Am Anfang Erstaunen, inzwischen per Du
In Wiesbaden kennen sich die drei, die zwischen 60 und 70 Jahre alt sind, inzwischen bestens in der Clubszene aus. Kein Laden, der ihnen nicht ein Begriff ist, in den sie nicht schon reingeschnuppert hätten, um zu erkunden, inwieweit die Räumlichkeiten für die Konzerte geeignet sind. Schauen die jungen Leute da nicht komisch, wenn sich die Damen an die Bar setzen? „Am Anfang gibt es schon Erstaunen“, bekennt Iris Eberle freimütig, „aber dann werden wir akzeptiert“. Inzwischen sind sie mit einigen Clubbetreibern per Du und haben Konzerte nicht nur im Schlachthofhalle und im Kesselhaus, sondern auch im neuen Studio ZR6 (Premiere im April) oder im heimathafen organisiert. Hier starteten die intimer angelegten Lounge-Konzerte, bei der Publikum und Musiker noch näher zusammenrücken und der etwas steife Charakter, der klassischen Konzerten meist eigen ist, entspannter Beiläufigkeit weicht. Niedrigschwelligkeit, das ist ohnehin der Anspruch bei „Klassik im Klub“, und zwar in jeder Hinsicht: was den Ort angeht, an dem „man sich nicht aufbrezeln muss“, wie Iris Eberle sagt, und wo man während des Konzerts sein Bier trinken kann; in Bezug auf den Preis – mit 12 Euro im Vorverkauf und 15 Euro an der Abendkasse vergleichsweise niedrig – und was den direkten Draht zwischen Vortragenden und Publikum angeht. Wichtig sei ihnen daher, dass die Musiker ihre Stücke selbst anmoderieren und etwas zum Entstehungskontext oder zu ihrem persönlichen Zugang zu dem Werk erzählen. „Nicht jeder kann das gleich gut“, wissen die erfahrenen Konzertorganisatorinnen inzwischen, daher achten sie darauf, dass jeder Musiker darauf vorbereitet ist und weiß, wie man ein Mikrofon bedient.
Das Beste ist gut genug
Keine Kompromisse machen die drei bei der musikalischen Qualität: Die besten unter den Jungmusikern wollen sie gewinnen und reisen dazu auch zu Festivals durchs Land, um sich mit eigenen Ohren und Augen vom technischen Können und der Bühnenpräsenz zu überzeugen. Durch den bundesweit tätigen Verein der Freunde junger Musiker sind sie gut vernetzt, aber auch durch den Erfolg ihrer unkonventionellen, von sensor als Medienpartner präsentierten Reihe: „Inzwischen rufen Musiker selbst bei uns an, weil sie auftreten wollen.“ Die Werke, die aufgeführt werden, sollen zugänglich auch für Klassik-ungeübte Ohren sein, aber sich bewusst auch im klassischen Kanon bewegen. Crossover sei eher nicht ihr Ding, merkt Doris Adler-Koch an, stattdessen würden sie die Musiker ermutigen, „experimentell die Grenzen der eigenen Sparte auszutesten“.
Zum guten Ruf von „Klassik im Klub“ in der professionellen Musikszene trägt sicher auch die persönliche Künstlerbetreuung bei: Für Snacks und Obstkorb vor dem Konzert sorgen die drei Damen ebenso wie für die private Unterbringung bei einer von ihnen. Das alles machen sie im Übrigen ehrenamtlich. Die Eintrittsgelder reichen nicht, um Künstlerhonorare und Raumkosten vollständig zu finanzieren, daher gehört das Einwerben von Sponsoren und Spendern ebenfalls zu ihrem Programm. Auf hohe Professionalität legen sie hier wie überall wert. Was sie aber antreibt, sei die Leidenschaft für die Musik. Ideal ist es, wenn die Betreiber der Clubs, in denen die Musiker auftreten, ebenso ticken. „Am Ende muss es über das Kommerzielle hinausgehen, da muss dieser besondere Funke dabei sein“, ist sich Doris Adler-Koch mit ihren Mitstreiterinnen sicher.
Die nächsten Konzerte der von sensor als Medienpartner präsentierten Reihe „Klassik im Klub“:
12. April, 20 Uhr, Studio ZR6 (Zietenring 6): The Twiolins (Violinduo)
12. November, Schlachthof, Halle, Trio Unique (Klavier, Fagott, Geige)