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Der große Test: Mobiles Arbeiten in Wiesbaden

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Text Magdalena Cardwell. Fotos Michael Zellmer. Model Onur Niksip.

Wer das Glück hat, nicht an ein karges Büro gebunden zu sein, kann an verschiedenen Orten der Stadt von unterwegs aus arbeiten. Viele Cafés haben sich mittlerweile mit kostenlosem Internetzugang und extra Steckdosen auf die neue Art der Arbeit eingestellt. Die von der Wiesbadener Rathaus-CDU  im letzten Sommer angeregten kostenlosen Hot Spots an öffentlichen Plätzen und die mit modernster Informationstechnik ausgestattete Mauritius Mediathek könnten Wiesbaden bald zu einem dicht vernetzen Ort für alle machen. Bis es soweit ist, verrät dieser Artikel (der nach Vor-Ort-Recherchen größtenteils auf dem heimischen Sofa entstanden ist), wo es sich jetzt schon am besten außerhalb der eigenen vier Wände arbeiten lässt.

Für Ruheliebende: Café Weiwe

Zentral in der Altstadt und doch angenehm fernab vom tagtäglichen Shoppingwahnsinn liegt das etwa vier Monate alte Café Weiwe in der Wagemannstraße. Und anders als in gewissen Kaffeehäusern muss hier niemand einen White Mocha Frappuccino nach dem anderen bestellen, um nicht unangenehm aufzufallen. Stattdessen schaffen 1,39 Euro pro Tasse Kaffee, kostenloses Internet und ein leckeres Frühstücksbüffet die perfekte Grundlage zum Arbeiten. Ein mit WLAN ausgestatteter Drucker rundet das Angebot ab. „Sehr viele Gäste arbeiten hier. Sie schätzen die Ruhe und Abgeschiedenheit“, bestätigt der 28-jährige Manager Ghazal Abdullah. Auch wenn es auf den ersten Blick nicht so aussieht: in dem recht kleinen Raum lassen sich auch problemlos Meetings abhalten (weshalb sich das Weiwe auch zum Lieblings-Austragungsort der monatlichen sensor-Redaktionstreffen gemausert hat). Im Hinterhof und Untergeschoss sollen bald weitere 30 Plätze entstehen. Die Nachfrage ist schon da.

Wagemannstraße 37, Öffnungszeiten: Mo bis So 8 – 22 Uhr, Ausstattung: kostenloses WLAN, Drucker, Stromversorgung, Gastronomie. Geräuschpegel: in der Regel ruhig.

Für Schöngeister: Literatur-Café in der Villa Clementine

Mit Stuck besetzte, hohe Decken. Gehobenes Interieur wie aus einer anderen Zeit. Durch die Villa Clementine strömt der Geist der Dichter und Denker. Kein Wunder, dass das Literaturcafe im ersten Stock ein beliebter Arbeitsplatz ist. Wen das klassische Ambiente zunächst verunsichert, sei beruhigt. Ob Student oder Geschäftsmann – hier ist jeder willkommen. Auf dem Balkon mit Ausblick auf die Wilhelmstraße wird nach getaner Arbeit der Kopf bei einer Tasse Cappuccino oder auch einem Gläschen Wein frei. Und bei fehlender Inspiration hilft eine Auszeit im Blauen Salon. In tiefen Ohrensesseln versunken, entfliehen Gestresste hier mit einem unbekannten Schmöker aus der Büchertauschstelle dem Alltag. Denn schon der österreichische Schriftsteller Franz Werfel wusste: „Müßiggang ist allen Geistes Anfang“.

Frankfurter Straße 1, Öffnungszeiten: Di bis So 10 – 18.30 Uhr, Sa 10 – 0.00 Uhr, Ausstattung: kostenloses WLAN, Stromversorgung, Geräuschkulisse: auf dem Balkon sorgt der Verkehr auf der Wilhelmstraße für ein weißes Rauschen, www.cafe-villa-clementine.de

Für Kreative: Heimathafen

Nicht nur in den dafür vorgesehenen Räumen des bereits aus Titelstory dieser Ausgabe bekannten heimathafens, nein, auch im gut besuchten Café sind arbeitende Menschen aller Couleur gern und oft gesehene Gäste. Das ist nicht zuletzt dem Charme geschuldet, den die bunt gemischten Einrichtungsstücke vergangene Dekaden gemixt mit den verspielten, maritimen Illustrationen versprühen. Entspannt räkeln sich die Digital Natives der Stadt auf bequemen Polstermöbeln, während vor ihnen silberne Notebooks auf dreibeinigen Vintage-Tischen vor sich hin summen. Knurrende Mägen stärken sich an den täglich wechselnden Suppen oder Paninis, und die Köstlichkeiten aus der Backstube “Dale’s Cake” sind jede Überstunde wert. Selbst Arbeiten mit Kind ist im heimathafen kein Problem. Mit Brettspielen und Bilderbüchern lassen sich die Kleinen zumindest eine Zeit lang beschäftigen.

Karlstraße 22, Öffnungszeiten: Mo bis Do 09 – 22 Uhr, Fr/Sa 09-24 Uhr („mindestens“), Ausstattung: kostenloses WLAN, Stromversorgung, Gastronomie, Geräuschkulisse: perfekt für Freunde von Indie- und Folkrock, www.heimathafen-wiesbaden.de

Für Konzentrationskünstler: Internetcafé UniversNet

Schulter an Schulter sitzen die Gäste des Internetcafés UniversNet an den 11 Arbeitsplätzen zusammen, den Blick konzentriert auf den eigenen Bildschirm gerichtet. Für einen Euro pro Stunde stehen dem Gast an jedem Rechner die gängigen Kommunikationswege Skype und diverse Messanger zur Verfügung. Mit Word und Open Office arbeitet es sich schnell und problemlos wie am heimischen PC. Lediglich die bunten Videospiel-Icons auf dem Desktop rufen verlockend „Klick mich“. Disziplin ist hier eine Kardinaltugend. „Die Menschen nutzen die PCs für alles mögliche”, sagt Besitzer Ahmed Ahmedi. Trotz Smartphones & Co. sind Internetcafés nicht vom Aussterben bedroht. „Im Gegenteil“, versichert Ahmedi, „wir erleben gerade einen Boom.” Vor allem Bürger mit Migrationshintergrund nutzen demnach den günstigen Telefondienst für Gespräche mit fernen Verwandten.

Schwalbacher Str. 45, Geöffnet: Mo-So 10-22 Uhr, Ausstattung: Computer, Telefonie, Drucker, Scanner, Fax, Geräuschkulisse: Mit Hilfe der Kopfhörern lässt sich die lebhafte Außenwelt ausblenden

Für Do-it-yourself-Freunde: Näh-Café

Auch wenn es der Name nahelegt, ein Café sucht man hier vergeblich. Kaffee gibt es trotzdem. Oder Tee, je nach Geschmack. Statt Computer stehen Nähmaschinen auf den sechs Arbeitsplätzen. Zwei Frauen unterhalten sich angeregt, während sie den Stoff durch die Maschine führen. Das „Atelier Culture“ entstand 2009 als ein soziales Projekt für Frauen mit Migrationshintergrund. Und als das Fördergeld weg, aber die Nachfrage noch da war, machte Gründerin Anke Trischler einfach privatwirtschaftlich weiter. Donnerstags und Freitags steht der Näh-Salon jedem offen. Profis schätzen  hier die hochwertige Ausstattung, Anfänger freuen sich über die Hilfestellung, die auch in verschiedenen Kursen angeboten wird. Abgerechnet wird pro Stunde und Ausstattung. Männerhände  sieht Trischler kaum an der Nadel, „Vielleicht wären unter den männlichen Mainzer Studenten Interessierte dabei, aber hier sind es zu 99% Frauen“, schmunzelt die Unternehmensberaterin.

Rathausstraße 60 (Biebrich), Öffnungszeiten: Do und Fr 14 – 18 Uhr und nach Vereinbarung, Ausstattung: Nähmaschinen und Zubehör, Geräuschpegel: nette Gespräche in Zimmerlautstärke www.naehcafe-wiesbaden.de

Für Aufschieber: Landesbibliothek

Auf dem Sofatisch lockt die neuste Staffel der Lieblingsserie und überhaupt, wie sieht denn die Küche aus? Die Warnsignale akuter Prokrastination kennen nicht nur Studenten. Die Hessische Landesbibliothek ist da der perfekte Zufluchtsort. Ein Bibliotheksausweis genügt, und dem Gelehrigen steht ein umfassender Katalog an Wissen zur Verfügung. Wer nichts ausleihen möchte, kann die Räumlichkeiten auch ohne Ausweis zum Arbeiten nutzen. Neben kostenlosem WLAN stehen sieben Computer mit Internetzugang zur Verfügung. Dort ist die Internetnutzung allerdings auf insgesamt eine Stunde begrenzt. Facebook & Co. haben so also keine Chance. Ab April soll die Mauritius Mediathek im futuristischen Design und neuster Technik zur mulitmedialen Begegnungsstättewerden.

Rheinstraße 55/57, Öffnungszeiten: Mo – Fr 9 – 18 Uhr, Sa 9 – 16 Uhr, Ausstattung: WLAN und Computer mit Internetanschluss, Drucker, Kopierer, Scanner, Geräuschpegel: dank Automat mit Ohrstöpseln hört man nur die eigenen Gedanken, www.hs-rm.de/hlb

Für Puristen: Park

Wer sich zum Arbeiten ins Grüne begibt, muss gut vorbereitet sein. Kein Schreibtisch, kein Strom und vor allem kein Internet. Dafür 24 Stunden lang geöffnet. Das sind die Parks und Grünanlagen in Wiesbaden. Immerhin: hier gibt’s statt Vitamin B jede Menge Vitamin D. Und ins Quellenstudium vertieft, spürt man auch nicht die Ameisen, die langsam an einem hochkrabbeln.

Öffnungszeiten: 24/7, Ausstattung: Parkbänke, Mülleimer, Geräuschkulisse: Mutter Naturs Töne stören höchstens zur Entenbrunftzeit

Für Abenteurer: Bus

Mobiles Arbeiten im buchstäblichen Sinne. Aus Ermangelung an Tischen eignet sich das platzsparende Design von Tablets perfekt für Wiesbadens öffentlichen Nahverkehr – sofern er funktioniert. Dabei sollten Stoßzeiten und vor allem Schulschluss unbedingt gemieden werden.

Öffnungszeiten: von früh morgens bis spät in die Nacht, Ausstattung: muss mitgebracht werden, Geräuschpegel: wildes Kindergeschrei nach Schulschluss zerstört jegliche Konzentration