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Der große Test: Barkultur in Wiesbaden

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Wenn der Tag zu Ende geht, genehmigt sich der genussorientierte Wiesbadener gerne einen guten Drink. Das war bis vor kurzem ein gar nicht mal so einfaches Unterfangen. Die Adressen für gepflegte Barkultur, jenseits von fragwürdigen Happy-Hour-Lockangeboten für Drinks zweifelhafter Qualität, waren in der Landeshauptstadt rar gesät. Doch es hat sich einiges getan, und glücklicherweise Gutes. sensor hat eine Nacht verbracht an den Orten, wo wahre Könner ihres Fachs wissen, was sie ihren Gästen einschenken – und wie.

Lenz Genuine Drinks, Wagemannstraße 17, 65183 Wiesbaden, Mo-Sa ab 19 Uhr:

Seit knapp einem Jahr erfreut der „Wiesbadener Bub“ Sascha Lenz mitten in der Altstadt Liebhaber der alten Trinkschule mit einer feinen Auswahl aus Cocktail-Klassikern und Eigenkreationen am Puls der Zeit. Höchste Qualität bei Spirituosen, frischgepressten Säften und Bitterstoffen verstehen sich von selbst. Gekonnt bedient der Chef die Shaker, Strainer und Jigger und serviert die Drinks jenseits von 08/15 in den jeweils passenden Behältnissen. Der Mann weiß definitiv, was er tut, immerhin wartet er mit gut 22 Jahren Berufserfahrung hinterm Tresen auf und ist nicht umsonst Vorsitzender der hessischen Barkeeperunion. Wir haben den beliebten „Lenzinger“ probiert. Eine erfrischende Melange aus Gin, frischgepresstem Gurken und Zitronensaft und Holunderblütensirup – auch alkoholfrei ein Hochgenuss. Das „Lenz“ ist  unter alten Gewölbedecken stylisch eingerichtet, das Publikum genießt – gerade am Wochenende dicht gedrängt – die Drinks direkt an der Bar, in der Tiefe des Raums auf Sesseln und Sofas oder auch „uff de Gass“.. Jeden zweiten Donnerstag im Monat lockt eine After-Work-Party und jeden Samstag werden zu den coolen Drinks auch noch feine elektronische Klänge serviert.

Fazit: Der Laden hat Stil und der Lenz Geschmack!

Manoamano Bar, Taunusstraße 31, 65183 Wiesbaden, Mo-Sa ab 18:30 Uhr:

2010 eröffnet und direkt den „Gründerpreis der Region“ abgeräumt. Das Auge erblickt viel Design, dunkle Loungeecken und eine Bar mit über 200 Spirituosen. Gut eingereiht hat sich seit diesem Sommer auch ein Eigengewächs. „Amato“ der Hausgin der Manoamano Bar, der erste „Wiesbaden Dry Gin“ – bedeutet „Der Geliebte“ und ist benannt nach Besitzer Gianfranco Amato, seines Zeichens Barkeeper mit zehn Jahren Erfahrung und besonderem Faible für Cocktail-Kreationen à la „liquid kitchen“. Neben dem, was man erwartet, finden Gäste auf der Karte auch Drinks, die dem aktuellen Trend der molekularen Küche entstammen. Da wird dann auch gerne mal eine hochwertige Spirituose mit der ISI-Whip in einen geschmackvollen Espuma (Schaum) verwandelt. Im Publikum finden sich Szenegänger aus allen Gesellschaftsschichten, schwerpunktmäßig zwischen 20 und 40 Jahren – auf alle Fälle aber über 18, denn das ist Einlassvoraussetzung. Wer nicht nur einen guten Drink, sondern auch noch eine fette Party sucht, der kommt am ersten Freitag im Monat voll auf seine Kosten. Dann beschallen DJs aus den Bereichen House, Minimal und Elektro die Bar. Generell genießt die Manoamano-Bar den Ruf, dass hier jeder Tag ein Feiertag werden kann.

Fazit: Die Partylocation unter den guten Bars der Landeshauptstadt.

Lili im Hotel Crowne Plaza, Bahnhofstraße 10, 65185 Wiesbaden, Täglich 13-1 Uhr:

Hinter einer nicht wirklich einladenden schmucklosen Fassade gelegen, betritt man einen futuristisch gestalteten Raum, in dem Barchef Jörg Brumm mit Kompetenz, Vielseitigkeit und hoher Qualität dafür sorgt, dass hier keine Kehle trocken bleibt. Zur täglichen Happy Hour  von 17 bis 19 Uhr lockt die ansonsten mittelpreisig angesiedelte Bar mit einer wechselnden Auswahl für 6 Euro pro Cocktail. Die Karte bietet größtenteils altbekannte Klassiker wie Mojito und Old Fashioned (sehr zu empfehlen), Eigenkreationen mit den Trendingredienzen Gin und Gurke oder auch anderen Zutaten sind ebenso im Programm. Das Publikum besteht größtenteils aus Gästen des Hauses, also vor allem Geschäftsleuten aus dem In- und Ausland. Vor allem am ersten Mittwoch im Monat finden aber auch auf ausdrücklichen Wunsch des Hoteldirektors Jan Hüpers immer mehr Wiesbadener den Weg in die Bar des ganz frisch mit dem „Green Globe“-Nachhaltigkeitszertifikat ausgezeichneten Crowne Plaza. Bei der monatlichen After-Work-Party genießen sie das Ambiente, die Drinks und das gratis Fingerfood-Buffet in lockerer Atmosphäre, bei entsprechender Witterung auch im loungigen Garten.

Fazit: Die Bar für den zweiten Blick. Nicht ganz leicht zu entdecken, aber eine Entdeckung wert.

Nassauer Hof Bar, Kaiser-Friedrich-Platz 3-4, 65183 Wiesbaden, Täglich 17-2 Uhr:

Ambiente, Atmosphäre, Anmutung – vom ersten Schritt bis zum letzten Schluck ist hier alles genau so, wie man sich eine Bar der alten, oder besser gesagt, der zeitlosen Schule vorstellt. Beim Eintreten werden wir,  von den sanften Jazzklängen des Livepianisten (wöchentlich wechselnd) hereingetragen. Das Interieur ist edel und hochwertig, eher dunkel und entsprechend diskret, und hinterm Tresen steht Eddy Hahner: Barchef, Barlegende, 35 Jahre geballte Kompetenz. Besonderes Augenmerk liegt hier auf Malt Whiskys. Die Barkarte bietet die Klassiker der Cocktail-Welt in Perfektion, modischen Firlefanz macht der Mann am Shaker nicht mit. Der exzellent gemixte Dry Martini besteht aus hochwertigen Spirituosen und würde selbst James Bond überzeugen von Wodka auf Gin umzusteigen. Nebenbei bemerkt, wäre es auch kein Wunder, wenn Daniel Craig persönlich am Nebentisch sitzen würde, denn prominente Gäste gehören hier zum Inventar. Da sitzt dann schon mal Udo Jürgens  spontan am Piano, oder Angela Merkel wartet an der Bar auf Wladimir Putin. Arafat war auch mal da, begnügte sich aber mit einer Cola. In dieser Bar steigen auch Wiesbadener gerne auf ein paar Drinks ab, und nach Auskunft von Eddy Hahner auch ein zunehmend junges Publikum, das sich hier gerne stilvoll aufs Clubbing einstimmt. Rauchen ist auch erlaubt, Zigarrenschwaden sind keine Seltenheit, und wen der Hunger packt, der wird hier bis 1 Uhr nachts versorgt. Es wird auf jeden Fall kein leichtes Erbe, das der neue Barchef Patrick Wokan 2015 antreten darf, wenn Eddy Hahner sich in den wohlverdienten Ruhestand verabschiedet.

Fazit: Ganz klassisch. Barfeeling pur oder auf Eis.

Tante Simone, Seerobenstraße 1, 65195 Wiesbaden, Di-Sa 18-1 Uhr:

Ganz frisch eröffnet und schon in aller Munde. Der zweite Streich der halbfranzösischen Dienstbach-Zwillinge Nathalie und Jennifer (nach ihrem Restaurant „Les deux Dienstbach“) lockt mit französischem Charme und einer Auswahl handgemachter Drinks mit guten Zutaten. Der durch und durch herrliche Laden, eingerichtet mit Möbeln und Utensilien der 93-jährigen Namensgeberin aus der Normandie, besticht durch viel Liebe zum Detail, und schafft – vom Barbereich über die Hinterzimmer bis zu den Toiletten – gekonnt den Spagat zwischen Vintage-Shabby-Chic und Vive-La-France-Excellence, auch in gleich zwei heimeligen Gartenbereichen vor und hinter dem Haus am Sedanplatz. Das Publikum ist szenig, altersmäßig bunt gemischt und genauso eigensinnig wie die Einrichtung. Der Standort im Westend passt da bestens. Hinter der Bar stehen Paul und David bereit, stilecht eingekleidet mit Fliege und Hosenträgern, um den zahlreichen Gästen Getränkewünsche von „einfach und gut“ bis „wirklich was besonderes“ zuvorkommend zu erfüllen. Vom Hauswein über den „Monsieur Henry“ mit Gin, Tonic und Chartreuse Verte bis hin zu eisgekühltem Champagner ist alles im Programm. Wenn der kleine Hunger, kommt bietet die Küche allerhand Snacks und Käse und wenn der Hunger größer wird, darf man sich auch gerne im gegenüberliegenden Lokal etwas bestellen.

Fazit: Super Laden für Francophile, Genießer und alle, die gerne in netter Gesellschaft sind.

Und wo trinkt ihr am liebsten?

 

2 responses to “Der große Test: Barkultur in Wiesbaden

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