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Der große Test: Großer Spaß für kleines Geld / Neue Spiele – Schlangenbisse, Sackgassen, Brandstiftung

Von Hendrik Jung. Fotos Hersteller.

Es müssen nicht immer die großen Spieleboxen sein, an denen man schwer zu tragen hat. Auch günstigere Exemplare können nachhaltig für Vergnügen sorgen. Die genannten Ladenpreise stammen vom Wiesbadener Spielwarenhändler Merlins.

Undo – Gipfel ohne Wiederkehr – Pegasus Spiele, 2 bis 6 Personen, ab zehn Jahren, 6 Euro

Undo ist eine Reihe mit einem ungewöhnlichen Konzept. Gemeinsam versuchen die Spieler, Ereignisse aus der Vergangenheit ungeschehen zu machen. Bei der neuesten Veröffentlichung geht es dabei erstmals nicht um eine einzelne Person, sondern um eine ganze Gruppe, die bei der Besteigung eines Berggipfels im Himalaya ums Leben gekommen ist. Wer am Ende des Spiels möglichst vielen von ihnen das Leben retten möchte, muss versuchen, sich gut in die Geschehnisse hineinzudenken.

Bei jedem Zeitsprung gilt es, sich zwischen drei Optionen zu entscheiden, in welcher Form das Schicksal der einzelnen Gruppenmitglieder beeinflusst werden soll. Nur eine der drei sorgt dafür, dass ein Leben gerettet werden kann. Kurzweilig und vergnüglich. Ob allerdings die tragischen Folgen einer Abtreibung in einem Familienspiel thematisiert werden müssen, sei mal dahingestellt.

Figurata – 10 Traders – ab drei Personen, ab sechs Jahren, 25 Euro

Sie wissen genau, was sie tun. Unter dem Namen 10 Traders haben sich zehn Spielwarenhändler zusammengetan, darunter auch Merlins in Wiesbaden, um selbst Spiele zu veröffentlichen. Figurata ist erst ihre zweite Publikation und gleich ein gelungener Versuch. 70 beidseitig bedruckte Kärtchen zeigen 140 grafische Muster, die es gestisch so darzustellen gilt, dass die Mitspieler sie in einem Feld von jeweils 25 ausliegenden Kärtchen möglichst schnell identifizieren können. Das liegt nicht nur deshalb im eigenen Interesse, weil es mit Punkten belohnt wird, sondern weil manche Figuren auch anstrengend zu halten sind. Das klingt so simpel und lustig, wie es ist, denn am kompliziertesten ist hier noch das Wertungssystem. Party-, familien- und reisetauglich.

St. Patrick – Abacus Spiele, 3 bis 4 Personen, ab zehn Jahren, 14 Euro

Für Doppelkopf-Freunde oder Skat-Liebhaber stellt St. Patrick eine interessante Abwechslung dar. Schließlich erinnert die Basis der Spielregeln an das Schweizer Nationalspiel Jass. Genauer an den Schellen-Jass, denn hier gibt es ebenfalls keine Trumpffarbe sowie gleichfalls Karten, die man am Ende nicht in seinen Stichen haben möchte. Im Falle des in seiner Gestaltung keltisch angehauchten St. Patrick geht es um Schlangenbisse, die man vermeiden möchte. Dabei hilft eines der vom Jass abweichenden Elemente, denn bevor die Spieler versuchen, die besten Stiche zu machen, können sie sich mit Reliquien gegen die drohenden Bisse schützen. Werden dabei jedoch alle verbraucht, geht das für keinen gut aus.

Wem es wiederum gelingt, alle Schlangenbisse zu kassieren, verliert im Gegensatz zu seinen Mitspielern keine Lebenspunkte. Interessant aber vor allem, dass derjenige, der gerade die wenigsten Punkte auf seinem Konto hat, festlegen darf, wie viele unbequeme Karten jeder an die Person zu seiner Linken abgeben darf. Das führt zu Überraschungen sowohl bei der Kartenhand als auch im Spiel. Erfrischend und spannend.

Pan’s Island – Pegasus Spiele, 2 bis 5 Personen, ab acht Jahren, 44 Euro

Wie sag ich’s meinem Kinde? Oder der Schwester? Oder dem Papa? Das ist die Frage, die sich auf Pan’s Island stellt. Denn in diesem kooperativen Familienspiel weiß jeder, wo Captain Hook eines der verlorenen Kinder versteckt hat. Die Aufgabe besteht nun darin, diese Information dem Nebenmann oder der Nebenfrau mit Hilfe von Spielkarten zu vermitteln, damit ein Kind nach dem anderen befreit werden kann. Da man nicht immer einen eindeutigen Hinweis zur Hand hat, verrät man gleichzeitig, für wie wahrscheinlich man es hält, dass der Hinweis auch wirklich dazu führt, dass eines der Kinder befreit werden kann.

Außerdem vermittelt man noch eine Information, wie groß die Gefahr ist, bei der Suche Captain Hook in die Finger zu fallen. Wenn dies fünfmal geschieht, bevor alle Kinder befreit sind, ist die gemeinsame Mission gescheitert. Damit sie gelingt, hat jeder Charakter eine besondere Eigenschaft. Die geflügelte Tinker Bell etwa hat einen größeren Bewegungsradius als die anderen. Kindgerechte Einführung in die Welt der kooperativen Spiele, die nicht zuletzt aufgrund der Markierungen mit den abwaschbaren Stiften für großes Vergnügen sorgt.

Das Sommercamp – Die Jagd nach der gestohlenen Fahne – Magnificum, 1 – 6 Personen, ab zehn Jahren, 26,90 Euro

Das Abenteuerspiel eignet sich hervorragend als Einführung in das Genre, funktioniert allerdings nur unter Einsatz eines internetfähigen Endgeräts. Schlüssig wird der Mechanismus des Suchens nach Hinweisen und des Einsatzes von gefundenen Gegenständen erklärt, wobei die Suche nach den Zahlenwerten der dazugehörigen Karten teilweise wirklich gutes Licht, scharfe Augen und ein bisschen Geduld erfordert. Zielgruppengerecht auch die Handlung, die immer wieder durch kurze Hörspielabschnitte vorangetrieben wird.

Das Material ist so dosiert eingesetzt, dass man sich zur Not aus einer Sackgasse befreien kann, ohne dass eigens eine Hilfe ins Spiel eingebaut ist. Das Finale ist dann richtig gut gelungen, wenn es gilt, mit Hilfe einer atmosphärischen Tonaufnahme den beschriebenen Weg auf einer Landkarte nachzuvollziehen. Nicht kompliziert, aber unterhaltsam.

Deckscape – Tokio Blackout – Abacus Spiele, 1 – 6 Personen, ab zwölf Jahren, 12 Euro

Ein einziger Kartenstapel reicht für eine gute Stunde voll Spannung und bietet deutlich mehr Spielspaß als so mancher mittelmäßige Escape-Room, den man persönlich besuchen kann. Bei der Lösung des Kartenspiels können aber auch leicht mehrere Stunden Rätsel-Vergnügen daraus werden. Denn das neueste Spiel aus der Deckscape-Reihe ist durchaus anspruchsvoll und so lohnt es sich im Falle eines Falles, eine einmal gescheiterte Mission später wieder aufzunehmen, um aus den gemachten Fehlern zu lernen und im nächsten Anlauf weiter voranzukommen.

Nach und nach setzt sich diesmal ein Team zusammen, das mit seinen Eigenschaften die japanische Hauptstadt Tokio vor der Zerstörung retten soll. Eines davon ist ein Supercomputer und dient bei Bedarf als Hilfsdatei. Gefragt sind dennoch vor allem Konzentration, Austausch untereinander, ein gutes Gedächtnis und die Fähigkeit, um die Ecke zu denken. Nebenbei lernt die Gruppe etwas darüber, wie ein Atomkraftwerk funktioniert. Ein Kunstwerk der Spiele-Entwicklung!

Krimispiel – Der Brand – Magnificum, 1 – 6 Personen ab 14 Jahren, 23,90 Euro

Viele Wege führen zum Ziel beim Rätselraten um eine Brandstiftung in einem sonst beschaulichen Dorf in der Schweiz. Denn die Gruppe, die die Ermittlungen unterstützen soll, verfügt über ein breites Spektrum an Informationen, die es richtig zu interpretieren gilt. Sei es in analoger Form mit Karten, auf denen die Inhalte von Mülltonnen verdächtiger Personen zu sehen sind, mit der Funkzellenauswertung ihrer Mobiltelefone oder mit dem Tagebuch der Geschädigten. Sei es in digitaler Form unter Einsatz eines Endgeräts mit Videos einer Überwachungskamera, mit Tonaufnahmen von Aussagen der Dorfbewohner und mit eigens für das Spiel angelegten Internetseiten.

In beiden Welten gibt es jeweils für sich genügend Hinweise, um annähernd zur Lösung zu gelangen. Es lohnt es sich aber, auch die anderen Aspekte zu berücksichtigen, um sicher zu gehen. Viele Puzzleteile führen am Ende zu einem komplexen Gesamtbild. Es ist ratsam, gewonnene Erkenntnisse immer noch mal zu hinterfragen und hartnäckig zu bleiben, wenn ein korrekter Ansatz zunächst scheinbar nicht weiterführt. Schön umgesetzt und mit anspruchsvollen Ermittlungen.

Dorfromantik – Das Brettspiel – Pegasus Spiele, 1 – 6 Personen ab acht Jahren, 40 Euro (in der exklusiven Fachhändler-Ausgabe mit Mini-Erweiterung)

Zuerst als Computerspiel erschienen und nun in der Brettspiel-Variante zum Spiel des Jahres gekürt. Eine vertretbare Entscheidung, denn auch diejenigen, die im Spielen noch nicht so erfahren sind, finden einen einfachen Einstieg in das Familienspiel. Fast ein bisschen zu einfach könnte man zunächst meinen. Doch mit dem Erreichen vorgegebener Ziele steigen die Anforderungen, die an die Gruppe gestellt werden. Gleichzeitig erhält sie aber auch die Option auf kräftige Boni, die es im Erfolgsfall deutlich vereinfachen, die Vorgaben an zu erzielenden Punkten zu erfüllen.

Da es sich noch dazu einfach auf- und abbauen lässt, steigt der Suchtfaktor schnell und man möchte immer noch eine, diesmal aber bestimmt allerletzte Runde spielen. Für alle, die es lieber kompetitiv als kooperativ mögen, ist inzwischen auch schon eine Variation für zwei miteinander konkurrierende Parteien auf dem Markt. Dementsprechend trägt sie den Untertitel Das Duell. Gleichzeitig enthält sie aber auch Spielmaterial, das als Erweiterung des Aufgabenspektrums des Spiels des Jahres dient.