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Dickes Fell im Traumberuf – Ein Wiesbadener Busfahrer erzählt

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Protokoll Sebastian Wenzel. Fotos Kai Pelka.

Jürgen Gebhardt kutschiert als Busfahrer die Wiesbadener kreuz und quer durch die Stadt. Mit sensor sprach der 45-Jährige über pöbelnde Fahrgäste, Stresslinien, seinen Arbeitgeber WiBus und …

… seinen Kindheitswunsch

„Als ich klein war, wollten meine Freunde Feuerwehrmann oder Lokomotivführer werden. Ich habe schon früher davon geträumt, als Busfahrer zu arbeiten. 2007 erfüllte sich mein Traum. Ein Busführerschein kostet zwischen 10.000 und 12.000 Euro, doch ich hatte Glück. Die kommunale Arbeitsvermittlung bezahlte meine Ausbildung. Mich faszinieren an Bussen die Motoren, die Technik und die Größe. Busse in Wiesbaden sind bis zu 18 Meter lang.“

… unfreundliche Wiesbadener

„Viele Wiesbadener schätzen die Arbeit von Busfahrern nicht. Manchmal parken Autos drei Tage auf der Busspur. Die Stadtpolizei klemmt zwar Knöllchen unter die Scheibenwischer, schleppt die Fahrzeuge aber nicht ab. Viele Autofahrer schneiden Busse und verhindern, dass wir uns in den fließenden Verkehr einfädeln, selbst wenn wir schon Ewigkeiten blinkend an der Haltestelle stehen. Manche Fahrgäste meinen, nur weil sie 2,60 Euro für die Fahrkarte bezahlen, gehöre ihnen das komplette Unternehmen inklusive dem Fahrer. Sie pöbeln und beschimpfen uns. Nachts sind viele Fahrgäste leicht alkoholisiert. Ein Wiesbadener Busfahrer braucht ein dickes Fell. Wenn ich mit einer Gemeinschaftslinie nach Mainz fahre, ist das anders. Dort sind die Menschen freundlicher. Natürlich gibt es aber auch in Wiesbaden nette Fahrgäste, die unschöne Erlebnisse ausgleichen und bei denen ich mich wirklich freue, sie wiederzusehen.“

… seinen Arbeitsalltag

„Ich muss – wie alle meine Kollegen – sämtliche 41 Wiesbadener Strecken auswendig können. Ich fahre nicht auf einer festen Linie, sondern werde jeden Tag neu eingeteilt. Manche Kollegen arbeiten von Montag bis Freitag und haben am Wochenende frei. Andere arbeiten sechs Tage am Stück und bekommen als Ausgleich drei freie Tage. Bei den meisten Busfahrern rotieren die Dienste. Mal fahren wir morgens, mal mittags, mal nachts. Bei der WiBus, das ist das Unternehmen, bei dem ich angestellt bin, dauert eine normale Schicht bis zu zehn Stunden. Dabei muss man unterscheiden zwischen Lenk- und Arbeitszeiten. Pro Schicht bekommen wir pauschal 45 Minuten Pause abgezogen – egal, ob wir wirklich Pause machen können oder nicht. Wenn wir wegen eines Staus Verspätung haben, verkürzt sich dadurch auch automatisch unsere Pause. Apropos: Für mich heißt Pause, dass ich den Bus verlassen und mir die Beine vertreten kann. Das ist aber nicht immer möglich. Wenn ich auf der Linie 4 fahre, befindet sich die Endhaltestelle am Biebricher Rheinufer. Laut Fahrplan sind dort zwölf Minuten Pause eingeplant. An der Endhaltestelle ist Platz für zwei wartende Busse. Nach zwei Minuten fährt der erste wartende Bus weg. Ich muss dann meinen Bus nachsetzen, damit hinter mir Platz für den nächsten Bus ist. Das ist für mich keine Pause.“

… kranke Kollegen und Stresslinien

„Seit dem 28. April haben wir einen neuen Dienstplan. Das ist gut, denn die Situation auf Stresslinien hat sich entspannt. Stresslinien sind innerstädtische Linien wie etwa die 1, 8 oder 17. Auf diesen Strecken gibt es durch Staus oder Unfälle häufig Verspätungen. Jetzt fährt auf den Stresslinien ein zusätzlicher Bus. Dadurch kommen wir eher zu unseren Pausen. Der neue Dienstplan hat aber einen großen Nachteil: Wenn ich zusätzliche Busse einsetze, brauche ich dafür Personal. Das ist aber nicht vorhanden. Die Personaldecke ist sehr dünn. Hinzu kommt ein schlechtes Betriebsklima. Wir werden über wichtige Geschäftsentscheidungen nicht informiert, sondern erfahren sie aus der Presse. Außerdem bezahlt uns die WiBus nach einem schlechten Tarifvertrag. Wir verdienen weniger als unsere ESWE-Kollegen. Bei der WiBus verdient ein Fahrer je nach Zuschlägen und Überstunden zwischen 1.500 und 1.800 Euro netto im Monat. Viele Krankheiten der vergangenen Monate sind meines Erachtens durch Überlastung und Stress entstanden. Trotzdem kann mir keiner erzählen, dass auf einen Schlag über 150 Kollegen mit einer Grippe im Bett liegen. Das finde ich komisch und sollte den Verantwortlichen zu denken geben. Trotz all der Unzulänglichkeiten fahre ich aber sehr gerne Bus in Wiesbaden. “

…. Streiken als letztes Mittel 

„Ein Streik ist immer das allerletzte Mittel, um seinen Forderungen Nachdruck zu verleihen. So war das jetzt auch in unserem Fall. Wir hatten ja in den Osterferien bereits einen Halbtags- Warnstreik gemacht, bei dem dann seitens des Arbeitgebers die Aussage kam, es würde wieder Gespräche geben. Jedoch kam nichts zustande. Daher nun dieser unangekündigte Streik über zwei Tage, der den Erfolg hatte, das die Gespräche wohl Anfang Juni wieder aufgenommen werden. Es tut mir als Busfahrer, als Betriebsrat und als Gewerkschaftler sehr leid, dass unser letztes Druckmittel immer die Menschen, die auf den ÖPNV angewiesen sind, trifft, aber was haben wir denn sonst für eine Möglichkeit? Ich entschuldige mich auch dafür, bitte aber die Fahrgäste auch gleichzeitig um Verständnis, denn es ist ja nicht unsere Schuld, das wir in Wiesbaden eine Zweiklassengesellschaft bei den städtischen Busfahrern haben. Also Beschwerden bitte direkt an die Verantwortlichen im Wiesbadener Rathaus und in den Dezernaten, damit die dort endlich mal wach werden.“