Von Dirk Fellinghauer und Falk Sinß. Foto Dirk Fellinghauer.
Die AfD hat offenbar eingesehen, dass sie im betont bunten Wiesbadener Rheingauviertel mit ihren sogenannten „Themenabenden“ so gar nicht willkommen ist. Wie sensor erfuhr, wird die für diesen Donnerstag (1. März) angekündigte dritte AfD-Veranstaltung im Hilde-Müller-Haus am Wallufer Platz auch die letzte sein. AfD-Kopf Robert Lambrou beschrieb derweil das Geschehen der Veranstaltung vor einem Monat, die von friedlich-kreativem Protest begleitet wurde, mit einer glatten Lüge auf Kosten der Wiesbadener Polizei.
„Die AfD Wiesbaden hat der Bürgerhausverwaltung mitgeteilt, dass die Themenabende ab April 2018 nicht mehr im Hilde-Müller-Haus stattfinden werden,“ bestätigte die Stadt Wiesbaden auf sensor-Anfrage: „Die Nutzungsgenehmigungen für das Hilde-Müller-Haus wurden daraufhin zurückgezogen. Die AfD wird ihre zukünftigen Themenabende in den Bürgerhäusern in Dotzheim und Erbenheim abhalten.“ Eigentlich hatte die AfD das ganze Jahr hindurch Termine am Wallufer Platz gebucht. Derzeit werden auf der Homepage der Wiesbadener AfD noch „Themenabende“ im Hilde-Müller-Haus am 5. April, 24. Mai und 7. Juni angekündigt. Nach Angaben der Stadt hat die AfD nun alle verbleibenden Termine 2018 ab April im Bürgerhaus Dotzheim gebucht, mit Ausnahme des Oktober-Termins im Bürgerhaus Erbenheim. Das Bürgerhaus Dotzheim ist deutlich kleiner als das Hilde-Müller-Haus, die Kapazitäten werden auf der städtischen Homepage mit 2 Räumen (40 bis 50 Personen) sowie 1 Raum (20 Personen) und 3 kleinen Räumen angegeben. (Aktualisierung 05.03. Nach neuen Informationen hat die AfD in Dotzheim das Haus der Vereine angemietet, das insgesamt bis zu 280 Personen fassen soll.) Die Räume in Bürgerhäusern werden übrigens für Veranstaltungen seitens der Stadt kostenfrei vermietet.
Bei beiden bisherigen Abenden, im Januar und Februar, sah sich die AfD mit massiven Protesten konfrontiert. Die erste Veranstaltung im Januar wurde abgebrochen, als unerwartete Gäste das Geschehen mit dem kollektiven Verlesen von Flugblättern und dem Skandieren von Parolen störten. Bei der zweiten Veranstaltung Anfang Februar fand der Protest gegen die AfD, zu dem öffentlich mobilisiert worden war, bestimmt, aber friedlich vor der Tür auf dem Wallufer Platz statt. Seit dem Auftauchen der AfD vermitteln auch an manchen Häusern Plakate und Transparente klare Botschaften der Bewohner für ein offenes, tolerantes und buntes Stadtviertel.
Die AfD feierte nach ihrer Februar-Veranstaltung in einer Pressemitteilung den Abend als aus ihrer Sicht vollen Erfolg. „Zum einen wurde mit 203 Zuschauern im Rheingauviertel ein neuer Zuschauerrekord bei den monatlich stattfindenden Themenabenden aufgestellt“, meldete Robert Lambrou, führender Kopf der Wiesbadener AfD, seit Dezember 2017 auch Landessprecher der Hessen-AfD, außerdem frisch gekürter Landtags-Direktkandidat. Mit der Pressemitteilung verabschiedete er sich als Pressesprecher auf Kreisebene. „Um mich auf meine Aufgaben auf Landesebene konzentrieren zu können“, wie er schrieb.
„Polizei ordnete Einlassverbot an“ … – von wegen!
Und Lambrou verabschiedete sich mit einer glatten Lüge: „Die Polizei ordnete eine Stunde nach Beginn des Themenabends gegen 20:00 Uhr aufgrund des restlos gefüllten Saales in der dritten Etage des Hilde-Müller-Hauses sogar ein Einlassverbot an. Einige später eintreffende Interessenten mussten deshalb von den Ordnern abgewiesen werden“, teilte er mit. Falsch, wie sensor auf Nachfrage vom der Wiesbadener Polizei erfuhr: „Die Polizei hat kein Einlassverbot zu der Veranstaltung erlassen und auch keine Besucherinnen oder Besucher abgewiesen“, stellt deren Pressesprecher Markus Hoffmann klar. Beides sei allein seitens der AfD-Versammlungsleitung geschehen.
Auch in Sachen Teilnehmerzahl kam die Polizei zu anderen Ergebnissen als die AfD: „Die Teilnehmerzahl im Hilde-Müller-Haus wurde von polizeilicher Seite auf ca. 180, die der Gegenveranstaltung auf ca. 200 Personen geschätzt.“ Nun kommt es bei politischen Veranstaltungen durchaus vor, dass man sich in Sachen Teilnehmerzahl gerne mal verschätzt. Dass Robert Lambrou es mit der Wahrheit in Pressemitteilungen nicht so genau nimmt, ist allerdings schon mal aufgefallen, wie zum Beispiel in diesem hessen fernsehen-Interview mit ihm zum Thema Eintracht Frankfurt vs. AfD zu sehen ist.
Wahr ist: An diesem Donnerstag nun bietet die AfD nun zur Abschiedsshow im Hilde-Müller-Haus mit Guido Reil erneut einen „Promi“ aus ihren Reihen auf. Ebenso wahr: Auch diesmal ist eine kreative Protestveranstaltung ab 18 Uhr auf dem Wallufer Platz angekündigt, Titel diesmal „Walk of shame“, verbunden mit der Botschaft: „Unsere Alternative heißt Miteinander. Wir mischen uns ein und nehmen die Ausbreitung eines rückwärtsgerichteten Weltbildes nicht unkommentiert hin!“ und der Aufforderung: „Kommt zahlreich, und bringt Freundinnen und Freunde mit!“ Eine Aufforderung, die auch die AfD regelmäßig zu den Wiesbadener „Themenabenden“ in ihren Kreisen verbreitet, um Kulisse zu schaffen – auch weit über Wiesbaden hinaus, wie bei den bisherigen Veranstaltungen zu beobachten war. Im Februar weilte zum Beispiel auch der den „Neuen Rechten“ zugeordnete Andreas Lichert aus der Wetterau unter den Zuhörern des Bestseller-Autors Thorsten Schulte. Dieser erklärte seinerseits an dem Abend im Hilde-Müller-Haus seinen Beitritt zu AfD. Stand zumindest so in der Pressemitteilung von Robert Lambrou. (Aktualisierung 05.03. Berichten zufolge hatte die „Abschiedsveranstaltung“ der AfD im Hilde-Müller-Haus ca. 50 Teilnehmer, die Protestveranstaltung vor dem Hilde-Müller-Haus, so lässt sich auf einem von der Jungen Alternative getwitterten Foto, das allerdings nicht den kompletten „Protestbereich“ zeigt, nachzählen, etwa 100 Teilnehmer.)
Ich war bei dieser Veranstaltung dabei. Es waren sämtliche Stühle belegt – diese standen extrem eng beieinander. Zudem saßen etwa 20 Leute hinter der letzten Reihe auf Tischen, weitere ca. 20 bis 30 Leute standen in den Ecken. In diesen Raum hätte man guten Gewissens niemanden mehr hineinlassen können – und vermutlich auch nicht dürfen. Was auch immer Herr Lambrou oder die Polizei sagen, von wem eine Anweisung gekommen sein soll: Es war voll und dahingehend korrekt unten Menschen abweisen zu müssen.
Hallo Christian. Dass es voll war, bestreitet niemand. Das ändert nichts daran, dass in der Pressemitteilung mit einer Lüge gearbeitet wurde.
Das Wort „Lüge“ empfinde ich in dem Zusammenhang als zu hart.
Darüber hinaus hatte der AfD Kreisverband Wiesbaden das Hausrecht. Zur Durchsetzung des Hausrechts kann und soll die Polizei zur Hilfe gebeten werden. Der Veranstaltungsleiter der AfD trägt also die Verantwortung und wird der Polizei dem entsprechend gesagt haben, dass bitte weitere Gäste abzuweisen sind. Insofern kann außerhalb des Hauses der Eindruck entstehen, dass „die Polizei“ die Menschen abweist. Man muss nicht einer Meinung mit der AfD sein. Aber Herr Lambrou ist ein sehr liberaler Mensch und bietet IMMER allen Gegnern ein offenes Ohr und sogar eine Bühne für Kritik und Diskussionen. So auch bei der besagten Veranstaltung. Warum sollte er also bewusst lügen? Welchen Vorteil hätte er davon? Es sollten Alle mal abrüsten… niemand hat Interesse an einer Eskalation.
Ich war bei der Veranstaltung. Der Saal war bis auf den letzten Stuhl besetzt. Der Saal fasst 200 Leute. Einige Leute haben gar keinen Platz gefunden. Vor dem Hilde-Müller-Haus sah man einige Demonstranten allerdings war der Platz nur spärlich gefüllt. Fakt ist der Saal im Hilde-Müller-Haus ist definitiv zu klein deshalb ist ein ausweichen in größere Bürgerhäuser unumgänglich
Hallo „Giesa“. Dass es voll war, bestreitet niemand. Das ändert nichts daran, dass in der Pressemitteilung mit einer Lüge gearbeitet wurde. Was die Zahl der Menschen angeht, die sich auf dem Hilde-Müller-Platz versammelt haben, erscheint nach unserer Beobachtung die Schätzung der Polizei (ca. 200) realistisch. Ausweichen in „größere Bürgerhäuser“? Erbenheim ist größer, aber Dotzheim hat lt. Angaben der Stadt weitaus weniger Kapazitäten („2 Räume à 40/50 Personen“).
Die Räume in Dotzheim fassen zusammen ca. 280 Personen nur mit Bestuhlung ohne Tische. Die Stadt rechnet hier offensichtlich mit Tischen.