Wer sich den Durchblick in Sachen aktueller Indie-Musik verschaffen will, pilgert seit sieben Jahren im Juli nach Rüsselsheim. Früher in der Festung, in den letzten Jahren in der faszinierend-abgefahrenen Kulisse des Opel-Altwerks, bringen die engagierten Macher – Carsten Roth, Florian Haupt, Matthias Metz und eine Armada ehrenamtlicher Helfer, die alle einen Sonderapplaus verdienen (und auch bekamen) – beim Phono Pop Festival Sommer für Sommer einiges vom Feinsten auf die Bühne, was Musikfans sich wünschen können. Wie dehnbar der Begriff „Indie“ ist, erlebten auch die Besucher der 7. Auflage des von sensor mit größter Freude präsentierten Festivals. Ruhige Singer-Songwriter, verspielte Elektro-Frickler, wuchtige Gitarrenlärmer, seligmachende Pop-Akteure, vergötterte Alternative-Rocker – alles war drin, alles war möglich, und alles machte glücklich im wie stets exquisiten Line-Up.
Auf den Bühnen standen an die zwanzig Bands, in diesem Jahr internationaler zusammengesetzt denn je – Bands wie die frenetisch gefeierten Helden von einst und immer noch großartig-Headliner Nada Surf aus New York, deren Sänger Matthew Caws (Foto) sich um Mitternacht zu einem whisky-geschwängerten spontanen Glückwünschsong für ein Geburtstagskind im Publikum hinreißen ließ, sowie etwa Warpaint, We Were Promised Jetpacks, Dry The River aus London, deren Drummer Jon Warren zu seinem 30. überraschend Whisky von seinen Bandkollegen und spontane Happy Birthday-Gesänge des Publikums serviert bekam, oder die jungen ungestümen „next big thing“-Schweden Urban Cone auf der großen Bühne oder auch Denis Jones, Steaming Satellites, Me And My Drummer, PTTRNS oder We Invented Paris (großes Foto) auf der nicht minder hochkarätig besetzten und von den ständig pendelnden Besucherströmen frequentierten kleinen Bühne.
Der Ton macht die Musik, aber nicht nur die Musik macht die Qualität eines Festivals aus. Beim Phono Pop stimmt einfach alles – die Musik sowieso, aber auch die Kulisse, die ganze Atmosphäre, die „Rahmenbedingungen“, die Stimmung und das Publikum – bei diesem Festival übrigens in einer Altersspanne von grob 15 bis 50 unterwegs-, das hier nicht nur immer ganz besonders nett erscheint, sondern auch ganz besonders glücklich. Kein Wunder. Über die wehmütigen „Schade, schon rum“-Gedanken in der Rückfahrt vom Festival mit S-Bahn-Anschluss im überfüllten Zug nach Wiesbaden nach einfach sowas von herrlichen, nur einfach viel zu kurzen Phono Pop-Abenden und -Nächten tröstete einzig die letzte Botschaft vom Gelände hinweg, die die Macher auf Festival-facebook-Seite verkündet haben: „Das 8. Phono Pop wird voraussichtlich am 12. & 13. Juli 2013 stattfinden.“ Wir zählen schon jetzt die Tage!
Und vertreiben uns bis dahin die Zeit mit dem Schwelgen in Erinnerungen: Hier geht es zur sensor-Phono Pop-Fotogalerie.
(Text und Fotos: Dirk Fellinghauer)