„Die Zeit der Veränderung ist die Gegenwart, nicht die Zukunft.“ (Prof. Harald Welzer in „Der Spiegel“ Nr.1/2022)
„Wir als Land, wir als Gesellschaft, müssen sofort loslegen. (…) in einer Phase großer Veränderung (…), einer Veränderung, die man überall im Alltag spürt.“ (Robert Habeck, erste Regierungserklärung als Bundeswirtschaftsminister, Deutscher Bundestag, 13.01.2022)
„Wenn wir nicht üben, neue Dinge zu erfinden und zu probieren, werden wir auf allen Gebieten langweilig.“ (Nils Minkmar, „Der siebte Tag“-Newsletter, 16.01.2022)
Wiesbaden braucht eine Agenda 2022,
liebe sensor-Leser:innen. Spüren Sie es auch? Dieses kürzlich begonnene Jahr riecht nach Veränderung, nach neu, nach anders. Wohin man auch schaut, hört, liest: Die Zeichen stehen auf Zukunft. Einer Zukunft, die jetzt beginnt. Auch für Wiesbaden!?
Wiesbaden und Veränderung, das ist kein wirklich gängiges und selten ein treffendes Wortpaar. Und genau das muss sich ändern. Und es könnte sich ändern: Die Stadtspitze hat für 2022 den Turbo eingeschaltet. Bäm, bäm, bäm – eine Pressekonferenz (respektive digitale Kulturbeirats-Sitzung), auf der Zukunftsweisendes für die Stadt verkündet wurde, jagte in den ersten Januar-Wochen die nächste. Walhalla? Hier ist sie, „die“ neue Idee! City-Passage? Da haben wir „den“ Investor! Zukunft der Innenstadt? Bitte schön, die Studie (der Uni Mainz!) ist fertig mit „den“ rettenden Ideen. Ein neuer Nachtbürgermeister? Hier habt ihr gleich zwei! Bäm, bäm, bäm.
Mir war plötzlich ganz schwindlig ob der auf mich einprasselnden Ideen, Bilder, Perspektiven, Potenziale. Nein, ich war nicht mit der nun wieder vom Hauptbahnhof aus fahrenden S-Bahn versehentlich in das Rathaus auf der anderen Rheinseite gelangt. Ich saß jedes Mal wirklich im Wiesbadener Rathaus (respektive war via Zoom dort hingeschaltet).
Macht nur so weiter, möchte man den Verantwortlichen zurufen und sie anfeuern, die neue Schlagzahl unbedingt beizubehalten. Es muss ein BÄM! durch Wiesbaden gehen! Bevor ich mich jedoch ganz dem Freudentaumel angesichts der ungeahnten Dynamik hingebe, trete ich nochmal sanft auf die Euphoriebremse. Machen, machen, machen – ja, bitte, unbedingt, Wiesbaden! Aber bitte bitte richtig. Und wirklich.
Wir Wiesbadener:innen sind leider geübt darin, uns auf wort- und bildreich angekündigte Projekte zu freuen. Und dann doch wieder enttäuscht zu werden wegen: Außer Reden – und meistens auch ordentlich Spesen – nichts gewesen. Und andererseits gibt es immer noch genügend Beispiele, wo nach wie vor nichts oder nichts richtig passiert. Wo grandiose Ideen weiterhin mir nichts, dir nichts abgewimmelt werden oder in vorgeblichen Prüfvorgängen mehr oder weniger rasant im Sand verlaufen.
Deshalb, und weil die Zukunft auch unserer Stadt jetzt beginnt, brauchen wir keine Agenda 2030, 2040, Zweitausendsanktnimmerleins, sondern wir brauchen eine Wiesbaden-Agenda 2022!
Ein neues Mindset: Weg vom in Wiesbaden grassierenden „Geht? Gibt´s nicht!“ hin zu einem entschlossenen „Geht nicht gibt´s nicht!“. Weg von immer noch praktizierter Mauschelei und Heimlichtuerei und Günstlingsgehabe, hin zu echter Offenheit und Transparenz. Was behauptet wird, muss auch belegt werden. Und zwar selbstverständlich. UNS gehört die Stadt, uns allen – und nicht ein paar wenigen.
Weg von Ignoranz, hin zu aufmerksamer Wahrnehmung und echter Wertschätzung. Die Stadt strotzt vor Menschen, die sich einbringen wollen. Nehmt sie wahr! Nehmt sie ernst! Weg von Silo-Mentalität, hin zu zusammen Denken und Zusammendenken. Weg von Behäbigkeit und alles Zerreden-Reflexen hin zu Machen, Tempo, Wagen. „Vom `Man müsste mal´ zum Machen“ gab der OB als Credo seines Walhalla-Vorstoßes aus. Diese Devise darf gerne ab sofort als Bildschirmschoner über jeden Rathaus-Monitor laufen.
Vom Blick in den Rückspiegel zum Vorwärtsgang, von mentaler Kaisertreue zu Pionierfaible, von heißer Luft zu frischem Wind. Jetzt!
Was gehört für Sie auf die Wiesbaden-Agenda 2022? Schreiben Sie es uns: hallo@sensor-wiesbaden.de.
Kommen Sie gut durch dieses Wiesbaden-Jahr. Auf dass es ein Besonderes werde!
Dirk Fellinghauer, sensor-Gaspedal