Wenn Wiesbaden ein Buchverlag wäre,
liebe sensor-Leser*innen, dann wäre unsere Stadt vielleicht auf genau dem richtigen Weg. Sie hätte den Dreh raus, wie man das Beste zweier Welten gewinnbringend verbindet – der Vergangenheit und der Zukunft.
Den Buchverlagen nämlich, derer es in Wiesbaden nicht nur beachtlich viele, sondern auch beachtlich vielfältige und spannende gibt, gelingt der Spagat, so lese ich es aus unserer Titelstory heraus, offenbar gut – der Spagat, offen für die Zukunft zu sein, „Ja“ zum Neuen zu sagen, ohne dabei Wurzeln zu verleugnen oder Werte über Bord zu werfen.
Unserer Stadt, dem guten alten Wiesbaden, gelingt dieser Spagat in Ansätzen – nach und nach immer besser sogar. Zu den Themen Zukunft, Offenheit, Veränderung kann Wiesbaden aber noch einige Kapitel vertragen, hat diese sogar bitter nötig. Die „&“-Stadt Wiesbaden, die das Gestern mit dem Heute und Morgen souverän und überzeugend verbindet, ist eine Idee, aber noch keine Realität.
Die Verlage als Unternehmen sind wie eingangs erwähnt bestrebt, die Welten gewinnbringend zu verbinden. Nun misst sich der „Gewinn“ einer Stadt, die schließlich kein Unternehmen, kein Konzern ist, die dies zumindest nicht sein sollte, nicht in Umsätzen.
Der Gewinn einer Stadt kann sein, dass Menschen, die hier leben, dies gerne tun und deshalb auch keinen Drang haben, dies zu ändern, indem sie die Stadt verlassen. Und dass Menschen, die noch nicht hier leben, angezogen werden. Durch attraktive Arbeitgeber zum Beispiel, die aber auch nur so attraktiv sein können wie die Stadt, in der sie ihren Standort haben. Hier hat Wiesbaden nach wie vor ein Problem. Und der Gewinn einer Stadt kann natürlich sein, dass Menschen als Besucher, als Touristen in die Stadt kommen. Auf diesem Feld „gewinnt“ Wiesbaden. Die gerade vorgelegte Tourismusbilanz der Stadt Wiesbaden für das erste Halbjahr 2019 weist erneut eine Steigerung der Übernachtungszahlen von 1,2 Prozent auf. 616.172 Übernachtungen wurden registriert. Herzlich willkommen!
Ach ja, und dann gibt es natürlich die Menschen, die Wiesbaden als Einkaufsstadt anziehen soll. Hier soll auch ein/e Citymanager*in einiges richten. Das Auswahlverfahren ist im Gange, die Erwartungen hoch, die Hoffnungen: überschaubar. Die Schere zwischen Anspruch an Qualifikation und Aufgabenfelder und der Dotierung ist immens. Insider sagen, das Jahresgehalt müsste locker doppelt so hoch sein. Man darf gespannt sein, welche der aus 51 Bewerbungen neun eingeladenen Personen sich darauf einlässt und wie. Und ihr und der Stadt nur die Daumen drücken.
Als unser neuer OB Gert-Uwe Mende neulich im Presseclub zur „100-Tage-Bilanz“ Rede und Antwort stand, drehte sich bei den Publikumsfragen lange alles um Parkgebühren, Parkgebühren, Parkgebühren. Liebe Leute, klar ist das ein Thema für unsere Stadt, aber „das“ Thema? Mein Tipp gegen zu hohe Parkgebühren: Lassen Sie Ihr Auto, sofern Sie noch eines haben (ich hab´ meins vor über fünf Jahren abgeschafft und vermisse es nicht), einfach stehen. In und durch unsere Stadt kommen Sie ganz prima zu Fuß, mit dem Fahrrad, mit E-Scootern, mit dem Bus oder auch mal mit dem Taxi. Und bei den beiden letztgenannten Optionen können Sie auf Ihren Wegen sogar ein Buch lesen. Gedruckt oder digital. Vielleicht ja sogar made in Wiesbaden.
Dirk Fellinghauer, sensor-Bücherwurm