„Das Heimatland verlassen und tödliche Routen zu bestreiten mit der Hoffnung auf ein besseres Leben, ist eine Ohnmachtssituation, die wir uns nicht vorstellen können. Mächtig sind diejenigen, die anderen in dieser Not zur Hilfe kommen.“ (Leonie Gillot, Korbinian Strohhuber, Kim-Lara van der List)
Was macht Ihnen denn Angst,
liebe sensor-Leser:innen? Und jetzt sagen Sie bitte nicht „nichts“. Na klar haben wir alle vor irgendetwas Angst. Vielleicht sollte meine Frage auch besser lauten: Wie gehen Sie mit der Angst um? „Angst kann zweierlei machen: sich zurückziehen oder sagen, ich halte dagegen“, sagt die Initiatorin der Wiesbadener „Omas gegen Rechts“ im 2×5-Interview dieser Ausgabe. Sie müssen nicht raten, für welche Option sie sich entscheidet.
Aus Angst vor den Zuständen und Aussichten in ihrer jeweiligen Heimat jene Ängste überwinden, die eine lebensgefährliche und für viel zu viele tödlich endende Flucht auslöst, das vollbringen Menschen, die sich für einen Fluchtweg über das Mittelmeer entscheiden. Ihnen widmen wir die Titelstory dieser sensor-Ausgabe. Recherchiert und geschrieben haben sie die drei obenstehend zitierten Nachwuchs-JournalistInnen, die keine Angst hatten, diesem Thema im Rahmen ihrer Master Class auf den Grund zu gehen.
So erschüttert ich von den Zuständen im Mittelmeer bin, so beeindruckt und begeistert bin ich von dem, was die Wiesbadenerin Marie Becker dort und dagegen tut. Mit dem Seenotrettungsschiff Mare*Go. Gemeinsam mit ihrem Partner, und mit ansteckend positiver Energie, hält sie dagegen gegen unhaltbare Zustände und Verzweiflung. Sie tut – zusammen mit Gleichgesinnten – was sie kann, um Leben zu retten.
Sie wirbt auch vielfach hier zuhause in Wiesbaden für ihr Anliegen, und hofft, dass die Stadt Wiesbaden sich zu der angedachten Patenschaft für das Seenotrettungsschiff entschließt. Dann wäre die Mare*Go nicht nur ein Seenotrettungsschiff mit Draht nach Wiesbaden, dann wäre die Mare*Go ein Seenotrettungsschiff aus Wiesbaden. Für uns als Wiesbadener Stadtmagazin war die Sache schnell klar: sensor unterstützt fortan die Mare*Go und ihre Mission als offizieller Medienpartner. Keine Angst vor dem klaren Kurs Menschlichkeit.
Die AfD macht Angst, sie schürt und nutzt Ängste. Wobei dies keine elementaren, lebensbedrohenden Ängste sind, sondern eher diffuse. Verständnisvolle reden dann gerne von „berechtigten Ängsten“ der (potenziellen) AfD-Wähler:innen.
Selbst wenn die eine oder andere dieser Ängste tatsächlich „berechtigt“ ist: Jedes Verständnis, warum man deswegen sein Kreuz bei dieser Partei machen sollte, ist durch und durch unberechtigt. Hierüber – überparteilich und sachlich – aufzuklären, ist ein zentrales Anliegen und großes Verdienst der „Omas gegen Rechts“. Sie rütteln uns auf, keine Angst zu haben, in die Offensive zu gehen.
Raus aus der Trägheit. JETZT ist die Zeit, sich zu wehren, zu widersprechen. Haben Sie keine Angst, sich zur Demokratie zu bekennen. Auf dem Wahlzettel. In Gesprächen. In den sozialen Medien. Haben Sie vielmehr Angst davor, was passieren könnte, wenn Sie es unterlassen.
Was die Stadt Wiesbaden akut unterlassen sollte: den Sozialetat in dem Maße zu kürzen, wie es aktuell im Raum steht. Käme es so, müssten nicht nur viele im sozialen Bereich engagiert Arbeitende um ihre Jobs Angst haben, sondern auch viele von den Kürzungen Betroffenen um die für sie so wichtigen Angebote – und unsere gesamte Stadtgesellschaft um ihren Zusammenhalt.
Dirk Fellinghauer, sensor-Hilferufer
PS: „Ja, wen ich soll ich den nur wählen?“, höre ich immer wieder von Menschen, die sich ganz sicher sind, wen sie definitiv nicht wählen werden – eben die AfD -, die aber verunsichert sind, wen aus dem demokratischen Spektrum sie denn wählen sollen. Nicht nur für sie gibt es seit heute als Orientierungshilfe den Hessen-Wahl-o-mat – hier. Nicht wählen zu gehen, das sollte allen, die an der Demokratie und ihren Werten und Vorzügen hängen, bewusst sein, ist jedenfalls ebenfalls keine Alternative.