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Ein Besuch im Makerspace – Ein Raum für Macher und Ideen

Von Anna Engberg. Fotos Erie Ehrenberg.

Ob Messen wie die „Maker Faire“ in Wien, Zürich und Berlin oder die „Make Rhein-Main“, ob Lasercutting, Upcycling oder 3-D-Druck – die Lust am kreativen Machen greift um sich. Im Makerspace Wiesbaden e.V. haben die kreativen Tüftler der Stadt ein Zuhause gefunden, in dem sie Ideen realisieren – und sogar Prototypen für Start-Ups entwickeln. Jeder darf mitmachen. Ein Besuch.

„Ich bin über die Idee zu meinem Schokoladen-Projekt in den Makerspace gekommen“, erzählt Mehmet Sahin. Der 32-jährige Wiesbadener wollte eine orientalische Alternative zu den marktüblichen Weihnachtsmännern entwickeln und fand im Makerspace all das, was ihm für die Realisierung seiner Start-Up-Idee fehlte: Geräte wie den 3D-Drucker, Fachwissen und aufgeschlossene Köpfe, mit denen er seine Idee weiterentwickeln und deren technische Lösung perfektionieren konnte.

Von der Idee bis zum Prototypen, einer mit 3D-Drucktechnik produzierten PETG-Gussform, brauchte er vierzehn Monate, doch die Kosten für die Entwicklung beliefen sich auf wenige Euro. „Unterstützt haben mich auf meinem Weg die Mitglieder aus dem Makerspace mit ihrem Fachwissen und Können: das fing bei der Planung der Modellierung mittels Software an und ging über die präzise Maschinensteuerung bis hin zur Illustration“, berichtet Sahin und freut sich, dass er in Kürze mit seinem Start-Up „Milay Chocolate“ in Frankfurt in Produktion geht.

Wissen wird aktiv geteilt

Mehmet Sahin zufolge ist der Synergie-Effekt genau das, was den Makerspace ausmacht: „Alle hier realisierten Projekte entstehen aus einem solchen Wissens- und Erfahrungsaustausch“, zieht er Bilanz. Vor über zwei Jahren wurde er Mitglied, kurz nachdem der Unternehmer Michael Ziep im September 2015 im „heimathafen“ zur Gründung einer offenen Werkstatt aufrief: „Innerhalb kürzester Zeit fanden sich genügend Interessierte“, erinnert sich Sahin, inzwischen Vorstandsvorsitzender des Vereins. Seitdem steht der Makerspace rund um die Uhr allen Kreativen, Künstlern sowie IT- und technikaffinen Bastlern offen – und wächst konstant. Am neuen Standort in Erbenheim können sich die Mitglieder jetzt auf 466 Quadratmetern in insgesamt vier Werkstatträumen und fünf Büro- und Veranstaltungsräumen nebst Küche verwirklichen.

Mit dem Umzug in die Wandersmannstraße wird nun möglich, wovon man im Makerspace schon länger geträumt hat: ein Raum für Seminare, Events und Wissensaustausch. Unbehelligt vom Werkstattlärm können auf der oberen Etage Projekte geplant und Schulungen durchgeführt werden. „Einige Mitglieder werden Räume für Start-Ups untermieten. So können sie oben in Ruhe arbeiten und unten an ihren Prototypen werkeln“, verrät Sahin. Organisiert wird die Nutzung der Maschinen über ein Reservierungssystem, welches die genaue Nutzung der Geräte durch die Mitglieder anzeigt.

Innovative Technik für ungewöhnliche Ideen

Herzstück der Werkstatt bilden die CNC-Fräse und der Lasercutter mit 1,5x 1,5 Meter großer Laserfläche: Rund 7000 Euro wurden in den letzteren investiert: „Wir können damit sogar Metall schneiden“, berichtet Mehmet Sahin stolz. Ein kleiner Lasercutter, ebenfalls Marke Selbstbau auf Basis eines China-Imports, steht im Seminarraum: „Damit gestalten einige Mitglieder u.a. Flyer-Boxen, Holztruhen, Fliegen aus Holz oder die Gutscheine für unser 3-Monats-Kennenlern-Abo“, schildert er und ergänzt: „„Mit einer Software am Computer konfigurieren wir, welche Schnitte der Cutter vornehmen soll“. Auch ein Schweißgerät, Schleifmaschinen sowie ein 3D-Drucker gehören zum Sortiment. Der Bau einer noch größeren CNC-Fräse ist derzeit in Planung.

Die Prototyp-Entwicklung für die berufliche Nutzung sei jedoch nur eine von vielen Motivationen, mit denen Interessierte zum Makerspace stoßen, betont er und verweist auf die unterschiedlichen Projekte der aktuell 70 Mitglieder. Einige gingen nur ihrem Hobby nach und fertigen für sich privat besondere Objekte, etwa gravierte Schneidebretter, aus Baumstämmen gefräste Holzteller, Ringschatullen oder Objekte aus Glas, Metall oder Elfenbein. Andere Mitglieder möchten ihr Spezialwissen einbringen und stemmen sogar Aktionen wie die Schülertage. So wurde im Makerspace 2017 erstmals ein 3-tägiges Schülerprogramm zum Löten im Rahmen des Wiesbadener Ferienprogramms realisiert. Gerade sei die Anfrage für 2018 eingetroffen: „Das Interesse der Stadt ist da.“

Schulungen für 3D-Druck & Co

Natürlich braucht es bei so viel Technik auch interne IT-Schulungen: „Unser nächstes Ziel ist ein Workshop zur Software Cinema 4D: Wir erklären, wie man beispielsweise einen Würfel oder ein Weinglas in 3D modelliert und ausdruckt“, kündigt der Vorsitzende an. Intern geschult wird nach Bedarf und Anfrage von Neumitgliedern. Auch wer neu dabei ist, kann den Makerspace mittels RFID-Chip jederzeit nutzen – muss sich aber für die Bedienung der einzelnen Maschinen nach einer kurzen Einweisung einmalig freischalten lassen. Zu den auf der Website einsehbaren Öffnungszeiten ist zudem immer ein Werkstattleiter vor Ort. Nach dem Umzug im November befindet sich derzeit vieles noch im Aufbau, doch schon im Februar will die Makerspace-Crew wieder in den gewohnten Normalbetrieb übergehen.

„Hier können wir wachsen“

2018 will der Vorsitzende die 100er-Mitgliedermarke knacken, eine konkrete Zukunftsvision für den Makerspace gebe es aber nicht: „Der Makerspace ist und bleibt ein Raum für Ideen. Hier kann sich jeder frei entfalten“, betont er. Und so fließt die monatliche Mitgliedsgebühr über 25 Euro ausschließlich in den Selbsterhalt. Auch in puncto Events will der Makerspace weiterwachsen: ein Vortragsabend zum Thema „Bitcoin“ in Zusammenarbeit mit dem Chaos Computer Club machte im Januar dazu den Auftakt. Mit E-Mobilität hat Mehmet Sahin schon ein neues Thema in der Pipeline: „Unsere Mitglieder können sich eigeninitiativ und organisatorisch voll einbringen“, sagt er. Persönlich schätzt er das Netzwerk aus Fachleuten unterschiedlichster Berufsgruppen: „Vom Elektroingenieur bis zum Innenarchitekten, vom Handwerker bis zum 3D-Designer ist alles dabei. Hier findet man Charakter-Menschen und Macher-Typen“. Er selbst sei auch einer. Inzwischen bastelt Sahin bereits am nächsten Prototypen: der Gussform für einen Schokoladen-Buddha.

www.makerspace-wi.de