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Eine Note frischer: Im Rheingau kommt eine neue Winzergeneration zum Zug

Text: Julia Bröder. Fotos: Privat, Prinz Peeder Opecta.

Mit Bio-Riesling, entspannter Atmosphäre und Ideen ohne Ende – im Rheingau kommt eine neue Winzergeneration zum Zug. Wir haben einige von ihnen besucht.

Das kleine Weingut Trink Trinks von Johanna Döring und Matthias Friedel ist ein echtes Idyll. Gelegen am Rande des Geisenheimer Domplatzes  und völlig unscheinbar von außen, findet sich hinter dem Tor ein gemütlicher Garten mit Apfel- und Feigenbäumen, einer Hängematte und einer liebevoll hergerichteten Matschküche für Kinder. Zweimal im Jahr – zu einem Sommerfest und während der Rheingauer Schlemmerwochen – öffnet das Paar sein Zuhause für Besucher und schenkt seinen Wein aus: Ausschließlich Riesling aus den 1,3 Hektar Weinberg, die schon zu ihrer Hofreite gehörten, als sie sie vor neun Jahren kauften – und sich damit einen Traum erfüllten. Hauptberuflich arbeiten beide an der Hochschule Geisenheim, das Weingut ist ihr Nebenerwerb. Und ihre Leidenschaft – das hört man sofort, wenn Johanna Döring spricht.

Alle packen an – das Ergebnis heißt „Mitanand“

Über die Pflege der Trauben und die Zeit, die sie ihrem Wein gibt, um auf Zusatzstoffe im Fass zu verzichten. 2018 ist ihr erster ökozertifizierter Jahrgang. „Wir möchten Wein machen für Menschen, die handgemachte regionale Lebensmittel mögen.“, so die zweifache Mutter. Mit „wir“, meint sie nicht nur sich und ihren Mann als Winzer, sondern den gesamten Freundes- und Familienkreis. Denn sei es Lese, Design der Homepage oder Kochen für das Sommerfest – bei Trink Trinks packen alle mit an. Darum – und in Anlehnung an die bayrische Heimat von Matthias Friedel – heißt der Gutswein auch „Mitanand“.

Ein Bayer im Rheingau. Das scheint zunächst exotisch. Aber die Region wird längst nicht mehr nur von alteingesessenen Winzern bewirtschaftet. Das Weingut Chat Sauvage etwa gehört einem Hamburger Unternehmer und wird von einer Betriebsleiterin aus Tübingen geführt. Da sei man am Anfang schon skeptisch beäugt worden, meint Verena Schöttle (Foto oben). Vor allem, weil Chat Sauvage sich auf Spätburgunder und Chardonnay spezialisiert hat statt auf Riesling. Doch daran, dass die gelernte, taffe Winzerin auch in einer Nische ihre Frau stehen kann, gibt es keine Zweifel.

Winzer in Skater-Klamotten

Ebenfalls ohne Familienwappen präsentieren Yvette Wohlfahrt und Florian Franke ihren Wein. Die beiden lernten sich während des Oenologie-Studiums in Geisenheim kennen, arbeiten heute fest angestellt auf einem Weingut beziehungsweise an der Hochschule und führen Wohlfahrt-Franke unter dem Motto „Rock´n Roll Rheingau Riesling – Die Welt wird schnellebiger, trink langsamer“ – im Nebenerwerb. Mit „Herzdame“, „Herzbube“ und „Monsieur“ machen sie zwei Rieslinge und einen Sekt für Menschen, die es weniger traditionell mögen – die sich mit Winzern in Skater-Klamotten identifizieren können und denen das rohe Etikettendesign in Stempeloptik gefällt. „Die Besucher der Rheingauer Weinwoche wären derzeit nicht unser Publikum, da sie uns innerhalb eines Tages ausgetrunken hätten“ , lacht Yvette Wohlfahrt. Sie nutzt aktuell Veranstaltungen wie den Vinotheken-Freitag in der Ankermühle für die Vermarktung.

Alternativen zur Rheingauer Weinwoche

Generell haben junge Winzer längst Alternativen zu dem zehntägigen Großevent auf dem Wiesbadener Marktplatz gefunden. Die Jungwinzer des Rheingauer Weinbauverbands etwa kommen regelmäßig bei Wine4Sense zusammen, die Vereinigung Zeilensprung organsiert Bootspartys, unter dem Label Mainwerk3 gibt es seit neuestem After Work Partys. Und Marius und Marcel Dillmann haben unter dem Motto „WEINbeats“ zusammen mit dem Wiesbadener Startwerk-A gleich eine eigene Partyreihe ins Leben gerufen.

Vom Neben- zum Haupterwerb

Die beiden Söhne von Karlo Dillmann haben das Weingut ihres Vaters vor drei Jahren übernommen und vom Neben- zum Haupterwerb umgestellt. Marcel kümmert sich als gelernter Winzer und Weintechniker um den Inhalt, Marius ist studierter Sportwissenschaftler und der Mann für die Vermarktung. Mit ihrem unkomplizierten Charme und dem lockeren Stil zeigen die beiden Brüder genau das, was man sich für den Generationswechsel einer Zunft wünscht: Nahbarkeit, Offenheit gegenüber Neuem und ein gutes Stück Gelassenheit. „Unsere Weine sollen Spaß machen“, sagt Marius Dillmann. „Wenn man gutes Traubenmaterial hat, muss man den Wein im Keller nur noch begleiten“  fügt Marcel hinzu, der dann am liebsten mit so wenig Zusatzstoffen wie möglich arbeitet. Eine Flasche kostet zwischen 5 und 13 Euro, ist also auch preislich nicht abgehoben. Probieren kann man Riesling, Grau-, Weiß- und Spätburgunder, Merlot und Sekt zum Beispiel, wenn die Dillmanns ihre Straußwirtschaft öffnen. Dann stehen Liegestühle zwischen Weinreben und Bierbänke zwischen riesigen Gitterboxen voller Flaschen, dann trifft Naturidyll auf Fabrikcharme. Und dann sieht man, dass auch hier das „Mitanand“ großgeschrieben wird. Der pensionierte Wasserschutzpolizist Karlo Dillmann hilft mit, wo es geht, Mutter Annette kümmert sich um Service und Buchhaltung.

Gemeinsame Generationensache

Frischer Wind im Weinbau, heißt aber nicht, komplett mit dem Alten zu brechen. „Die Jungwinzer haben eine hervorragende Ausbildung, respektieren allerdings auch die Leistungen Ihrer Eltern. Es besteht nicht mehr die harte Trennung zwischen den Generationen“, weiß Peter Seyffardt. Der Weinbaupräsident begrüßt die neuen Ideen und Produktstilistiken, die die Weingüter moderner und frischer auftreten lassen. Das sei ein guter Weg, den Zugang zum Wein unkomplizierter zu gestalten und neue Zielgruppen zu erreichen. Ein wunderbarer Beweis für die generationenübergreifende, ein bisschen derbe Liebe zum Wein ist das Dillmannsche Logo, das sich Vater und Söhne als Tattoo haben stechen lassen.

Wein, Craft Beer und „wabi sabi“

Wer Lust hat, etwas anders zu machen, der soll sich ruhig trauen. Hans-Joachim Klose ist der beste Beweis dafür. Der 53-Jährige hat als junger Mann und studierter Informatiker mit dem Weinbau angefangen und unter dem Label Werk2 eine komplettes Sortiment etabliert – inklusive Craft Beer aus Rieslinghefe. „Das kam so gut an, dass ich mir eine Brauanlage gekauft habe.“ Die Abfüllmenge variiert, aber er füllt sie immer in große Flaschen, aus denen dann in Weingläser geschenkt werden soll. Denn warum sollte man ein Bier weniger genussvoll trinken als einen Wein, meint Klose. Seine neueste Kreation, der Weincocktail wabi sabi mit Holunder und Zitrone, feierte auf der Wiesbadener Biennale Premiere.