Von Rebekka Farnbacher. Fotos Kai Pelka.
Die 117. Internationalen Maifestspiele bringen – seit letzten Samstag und noch bis zum 31. Mai – Bühnenereignisse aus aller Welt in die Stadt. Trotz mehr als hundert Jahren Erfahrung sind sie immer wieder für Überraschungen gut. Auch bei der Organisation. sensor schaut hinter die Kulissen.
Das Wort „Stress“ mag das Team der Maifestspiele nicht. Die Planungsverantwortlichen im Staatstheater nennen das, was sie haben, „viel Arbeit“. Das Festivalprogramm entsteht parallel zum Tagesgeschäft und alles andere als kurzfristig. „Viele Verabredungen müssen über Jahre aufgebaut werden“, erklärt Beate Kronsbein. Zusammen mit Sabine Kozinc bildet sie das Team der künstlerischen Leitung für die Sparten Oper, Tanz und Konzerte. Sie recherchieren, welche Produktionen verfügbar sind und ins Programm passen. Das endgültige Resultat ist von Intendant Manfred Beilharz als Künstlerischem Leiter und gewissermaßen dem aufgehenden Tetris-System im Ablaufplan abhängig. Dabei wird – anders als bei dem Nintendo-Klassiker – nichts einfach passend gemacht. „Wir verfolgen eine Dramaturgie auch innerhalb der Maifestspiele“, so Kozinc. Einen Themenschwerpunkt gibt es zwar nicht, aber es wird großen Wert auf Abwechslung gelegt.
Seltene Gastspiele
Die Eröffnung ist als erster Fixpunkt traditionsgemäß eine Eigenproduktion, in diesem Jahr war es die Brecht/Weill-Oper „Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny“. Auch über das Finale wird früh entschieden. Ein Glücksfall ist das Konzert von Goran Bregović, da es in 2013 das einzige des gefeierten Balkanmusikers in Deutschland sein wird. Das Programm dazwischen bietet fünf Deutschlandpremieren im Tanz, zwei im Musiktheater und viele Highlights verschiedenster Länder. Gershwins` „Porgy and Bess“ wird beispielsweise von der südafrikanischen „Cape Town Opera“ gespielt. Die amerikanische Volksoper ist in Europa selten zu sehen, da nur schwarze Künstler die Rollen interpretieren dürfen. „Wenn alles zusammengestellt ist, muss man sich natürlich auch von einigen seiner `Kinder´ verabschieden“, bemerkt Kronsbein. Gerade habe sie dem technischen Leiter, Dominik Scheiermann, die erste Bühnenanweisung für – wohlgemerkt – 2014 mitgeteilt. Auch hier muss die Umsetzbarkeit geprüft werden. Andauernd Absprachen, auf allen Ebenen, nur so kommt das zustande, was schließlich Festspielbesucher aller Altersgruppen erleben.
„Oft sehen ein paar drehbare Wände sehr viel leichter aus, als es der Fall ist“, so Scheiermann. Das Programm des kanadischen „Cirque Éloize“ etwa erfordert ein hohes Maß an Sicherheit, die Bühnenanweisung umfasst 25 Seiten. Dass etwas nicht geht, gäbe es selten. Da jedes Theater andere bauliche Eigenarten hat, ist aber eine sehr genaue Absprache und Prüfung erforderlich. Tausende an Mails werden verschickt, meist auf Englisch, für Chinesisch habe man glücklicherweise eine Dolmetscherin im Wiesbadener Orchester. „Wir sind lieber übervorbereitet“, erklärt Scheiermann, „das verstehen wir als gute Gastfreundschaft.“
Besonderes im Malersaal
Besondere Gastfreundschaft und ein außergewöhnliches Ambiente bietet der Malersaal. Wo sonst Bühnenbilder und andere Requisiten entstehen, werden ein Konzert des Schauspielers, Burghart Klaußner, die Berliner Jazz-Funk-Band Mo`Blow und die Kabarettisten Ulan & Bator in besonderer Atmosphäre auftreten. Biertischgarnituren, Spundekäs` und mit Farbe besprenkelte Holzdielen ergeben ein beliebtes Alternativprogramm zum Bühnenerlebnis im Großen Haus.
Das Tetris-Endstadium, wenn die Musik so beschleunigt dudelt, dass man weiß, gleich purzeln die Bausteine nur noch sinnlos aufeinander, ist kein Vergleich für die Souveränität des Orga-Teams. Kurzfristig musste die Katzendiva Meow Meow ihre Show wegen Schwangerschaft absagen. „Das war dann kein positiver Stress mehr, sondern massiver Druck“, geben die Programmplaner lachend zu. Mit dem Scherenschnittkünstler Ennio Marchetto sei „sensationeller“ Ersatz gefunden worden. Bis zuletzt kann etwas schiefgehen: Künstler werden krank, Gepäck geht verloren, Schiffscontainer bleiben im Zoll stecken. Allein in der Zeit des Interviews sind bestimmt an die hundert Mails im Postfach aufgelaufen.