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Falk Fatal lebt in der Fünf-Sterne-Stadt

 FalkFatal

Neulich war ich über das Wochenende in Berlin. Freitags hatte ich eine Lesung, samstags spielte meine Band ein Konzert. Wie bei solchen Veranstaltungen üblich, kam ich auch dieses Mal mit den Einheimischen ins Gespräch. Eine der ersten Fragen bei diesen Small-Talks lautet immer: „Und, wo kommst Du her?“ Da ich ein ehrlicher Mensch bin, antworte ich wahrheitsgemäß: „Aus Wiesbaden.“ Die Reaktionen darauf fallen immer sehr unterschiedlich aus, lassen sich aber grob in drei Kategorien unterteilen.

Menschen, die gute Musik zu schätzen wissen und sich selbige auch gerne einmal live anhören, antworten manchmal: „Da gibt es doch den Schlachthof? Da war ich mal auf einem Konzert.“ Diese Reaktionen sind mir die liebsten. Man ist sofort im Gespräch und kann fachsimpeln. Viel häufiger ist allerdings eine andere Reaktion. Diese besteht meist aus der Frage: „Und wo ist das?“ Ich antworte dann immer: „Bei Frankfurt.“ Frankfurt kennen die Menschen. Da ist der Flughafen. Da sind die Bankentürme. Da gab es Blockupy und den gewalttätigen Einsatz der Polizei auf der Demonstration im vergangenen Jahr. Auch mit diesen Reaktionen kann ich gut leben.

Die nervigste Reaktion beginnt meist mit einem mitleidigen Blick, geht über in die unausgesprochene Frage: „Warum lebt man da?“ und findet ihren vorläufigen Höhepunkt in der Bemerkung: „Soll ja ganz schön spießig sein. Ist wahrscheinlich auch nicht viel los dort.“ Auch solche Reaktionen – mit leicht herablassender Hauptstadtnoblesse vorgetragen – bin ich gewohnt. Früher erwiderte ich darauf manchmal ein Zitat von Kurt Tucholsky: „Der Horizont des Berliners ist längst nicht so groß wie seine Stadt.“

Aber ich suche keinen Streit. Kevin, so der Name des Hauptstadtflaneurs, der nicht verstehen kann, warum ich nicht nach Berlin ziehe, hat ja Recht. Berlin hat rund 155.000.000 Einträge bei Google, Wiesbaden nur 14.900.000. Auch der Schriftsteller Gustav Freytag bemerkte bei seinem ersten Besuch in Wiesbaden treffend: „Vor einer Stunde bin ich hier angekommen, und habe auf der stattlichen Promenade viele alte Herren mit grauen Bärten und Krückstöcken gesehen.“ Und Berthold Brecht ergänzte 1921: „Es ist auch hier langweilig.“

Kevin, Du hast Recht. Wiesbaden ist nicht Berlin. Und das ist auch gut so, möchte ich anfügen. Nur, wo kommst Du eigentlich her? „Aus Mücka in der Oberlausitz“, antwortet der Großstadt-Bohème mit leicht sächselndem Akzent. Das erklärt einiges. Da hätte ich auch das Weite gesucht, sage ich und muss an diese alte Redensart denken: „Warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah?“ Genau. Und sagte nicht der ehemalige Bundestrainer der Fußball-Nationalmannschaft Helmut Schön einst: „Wiesbaden, das ist meine Fünf-Sterne-Stadt: Wasser, Wiesen, Wälder, Wein und Wohlbehagen.“ Eben!

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