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Forscher ans Spiel! Wiesbadener Initialzündung für informelle Game-Forschung

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Von Magdalena Aue. Fotos Heinrich Völkel und Andrea Diefenbach.

Spiele als Wirtschaftsfaktor, Spiele als Kulturgut – bekannt und anerkannt. Aber Spiele als Forschungsgegenstand? Da hinkt Deutschland hinterher. „Das soll sich ändern“, finden vier Enthusiasten. Und machen Wiesbaden an diesem Wochenende wieder zum Schauplatz einer Initialzündung.

Spielen Sie Videospiele? Viele Menschen, die diese Frage spontan verneinen würden, tun es in Wirklichkeit sehr wohl. Sie haben das ein oder andere Spiel auf ihrem Smartphone oder die Familienkonsole Wii zu Hause. Videospiele sind längst aus dem dunklen Jugendkeller herausgewachsen und haben unseren Alltag erobert – ob wir es merken oder nicht. Der Deutsche Kulturrat erklärte sie 2008 zum Kulturgut, der auch von der Politik hofierte Wirtschaftszweig Unterhaltungselektronik steht der Filmindustrie in nichts nach. Und: Computerspiele sind ein Gegenstand der Wissenschaft.

Dass Deutschland auf diesem Feld im internationalen Vergleich hinterherhinkt, stört  den Wiesbadener Informatiker Steve Hoffmann (Foto)  genauso wie Florian Berger, Christian Roth und Denise Lengyel. Über Fachtagungen und berufliche Kontakte haben die Vier sich kennengelernt. Gemeinsam tüftelten sie die Idee zum „Jahrestreffen der deutschen Spieleforschung“ aus und setzen diese Ende September unter dem Titel „researching games Bar Camp“ zum dritten Mal in die Tat um. Von ihrem betont informellen „Mitmach-Treffen“ soll eine Initialzündung ausgehen. „Beim Thema Spieleforschung hat man in Deutschland manchmal das Gefühl, dass wir uns in einer Blase befinden“, meint Steve Hoffmann: „Es gibt zu wenig Austausch mit der übrigen Gesellschaft und zum Rest der Welt. Dies geht auch anders, zum Beispiel im skandinavischen Raum, wo sie gesellschaftlich stärker akzeptiert und besser gefördert wird,“ 2011 rief das Organisations-Quartett das researching games Bar Camp ins Leben, um Forscher, aber auch Spieledesigner und andere Branchenangehörige, in Wiesbaden zusammenzubringen.

Der Reiz der Interdisziplinarität

Der Reiz des Bar Camps liegt vor allem in seiner Interdisziplinarität. „Alle Disziplinen — Informatik, Medienwissenschaft, Pädagogik, Ingenieurwissenschaften, Linguistik, Psychologie, BWL, Medizin, Physik, Soziologie, Mathematik, Jura — sind herzlich willkommen“, heißt es in der Einladung. Treffen diese Welten aufeinander, entsteht natürlich viel Spannung und Reibung, aber auch Spaß und Erkenntnisgewinn. Der Geisteswissenschaftler sieht sich mit abstrakten Algorithmen konfrontiert. Und der Mathematiker muss sich plötzlich mit Metaphern und Bildsprache auseinandersetzen.  

Dieses Jahr werden etwa 50 Fachleute erwartet. Einzige Bedingung für die Teilnahme: Jeder muss einen Vortrag halten. Iim Gegensatz zum strikten Wissenschaftsbetrieb findet im Vorfeld keine Vorauswahl statt. Niemand, nicht mal die Organisatoren selbst, kennt die Vorträge. Erst bei Beginn der Tagung wird über die Reihenfolge der einzelnen Beiträge abgestimmt. Vor allem der wissenschaftliche Nachwuchs soll so die Chance erhalten, sich zu erproben. Statt niederschmetternder Kritik gibt es von der Gruppe konstruktive Verbesserungsvorschläge. Den familiären Charakter der Tagung schätzen die Teilnehmer: am Ende des ersten Tages wird, mit Bier in der Hand, bei der Party weiter diskutiert, man zeigt sich Projekte oder probiert Spiele aus. Vor allem der völlig analoge Kickertisch erfreut sich großer Beliebtheit.

Lokale Entwickler ansprechen

Wer im Rhein-Main-Gebiet nach Videospielen sucht, wird vor allem in Frankfurt fündig. Die dort ansässige Spieleschmiede „Crytek“ ist ein international erfolgreiches Studio. „Anders als beispielsweise Berlin, ist Wiesbaden nicht unbedingt für eine große Game-Designer-Community bekannt“, erklärt Steve Hoffmann: „Noch ein Grund mehr, es gerade hier zu machen und neben Forschern auch lokale Entwickler anzusprechen“. Als Experiment in der Kreativfabrik gestartet, wechselte das Geschehen 2012 aus Platzgründen in die Jugendherberge, die mit gut ausgestatteten Tagungsräumen aufwartet. Besonders froh sind die Organisatoren über die vielen Sponsoren. So können sie gewährleisten, dass auch Studenten mit geringem Einkommen an der Tagung teilnehmen können (Beitrag 25 Euro inklusive Verpflegung und Schlafplatz). Als großzügiger Sponsor wurde das Kulturdezernat gewonnen. Damit beweist die Stadt Weitsicht. Denn die Auseinandersetzung mit Videospielen und der Technik dahinter bedeutet Fortschritt. Digitale Medien werden immer wichtiger, und wenn in einigen Jahren auch Spitzenpolitiker nicht mehr vom „Neuland“ sprechen, dann haben auch Computerspiele ihren Teil dazu beigetragen.

Das 3. „researching games Bar Camp“ findet am 28. und 29. September – präsentiert von sensor als Medienpartner – in der Jugendherberge Wiesbaden statt. Wer keinen Platz ergattert oder die Tagung verpasst hat, findet anschließend alle Vorträge sowie jederzeit weitere Infos unter www.researchinggames.net